Enthält einige Anstreichungen Karl Mays im Text, sowie Knickspuren über den oberen Ecken als Leseanmerkung an den Seiten 65-72, 129-136, 193-200, 225-232 und 257-264
235 daß ihre Züge jetzt etwas Vollendetes, wahrhaft Ausgezeichnetes darbolen; sie waren durchwebt mit einem gemischten Adel, der ihr Aussehen noch ungemein hob. Ihre Haare, gänzlich aufgelöst, wanden sich in reichlichen Locken um ihre Schläfe unk den blendend weißen Nacken; die Hcrbstsonne war weniger warm als der feuchte Glanz, worin ihr Auge schwamm. So lag sie, ein trauernder Engel, vom Schmerze niederge drückt , und laö in einem Buche, welches ihre Aufmerksamkeit ganz in Anspruch nahm, sie las des großen Briten erhabensten Hymnus der Liebe, Romeo und Julie. Eine Fluth von Gedanken entstieg bei der Leetüre dieses BucheS ihrem Innern, natürlich fehlte es dabei nicht an öfteren Betrachtungen und Vergleichungen mit ihrem eigenen Schicksale; sie begriff, daß eine solche Liebe nicht zu dem Unmöglichen ge hört, wie man sonst der Meinung ist, denn sie hatte hier aus eigener Erfahrung kennen gelernt, sic dachte an Abälard und Heloisc, sic dachtc an Pctrarea und Laura, und dann wicdcr an Romco und Julic, — ihr Haupt sank auf ihrc Brust, so ruhig, daß sic ihrcn eigenen Herzschlag vcrnchmcn konntc, so lag sie und halte nicht bemerkt, daß seit längerer Zeil mehrere Male die Thür geöffnet wurde und endlich Jemand sich ihrem Bette näherte. Der Eingetretenc war Niemand anders, als der Major. Es schien fast, als ob die Wildheit und Hartherzigkeit seines Benehmens gegen Alcrandra keine unvortheilhaste Wirkung auf ihn auSgcübt hätte, cs schicn, als ob cr damals crst rccht in sein Elemcnt gckommcn wäre, so sehr hatte sich sein Aeußeres verändert.