Enthält einige Anstreichungen Karl Mays im Text, sowie Knickspuren über den oberen Ecken als Leseanmerkung an den Seiten 65-72, 129-136, 193-200, 225-232 und 257-264
202 Das sanfte liebenswürdige Mädchen suchte vergebens in ihren Zeilen ihre Schwcrmuth und ihre Leiden zu verbergen; das liebende Herz Rodncy's fand in jedem Buchstaben seiner Geliebten eine ganze Traucrgcschichte, manchmal glaubte er sogar eine vertrocknete Thräne auf dem Papier zu entdecken, und seine beängstigenden Vcrmuthungcn quälten ihn mehr, als es die schauerlichste Gewißheit hätte thun können. Alcrandra's Loos war wirklich des innigsten Bedauerns Werth. Bei ihrem zarten reizbaren Nervensysteme, bei ihrem weichen und gefühlvollen Herzen fühlte sie jede Unannehmlichkeit doppelt bitter. Der Major aber, weit entfernt, mit dem leidenden Zustande seiner Tochter Mitleid zu haben, behandelte sie mit einer rauhen Kälte, einer bittern Lieblosigkeit, die selbst das abgestumpfteste Gemüth niederbeugen mußte. Gemüth und Seele sind mit dem Körper zu innig verschwi stert, als daß die Krankheiten ersterer den letzteren unberührt lassen könnten. Alcrandra wurde bald auch körperlich kränklich. Es darf uns daher nicht wundern, wenn sic an James, ihren einzigen Hoffnungsstcrn in der Nacht ihres Grames, einen Brief wie den folgenden schreiben konnte: „Ich kann Ihnen, mein theurer Freund, unmöglich schil dern, was ich sühlc und was ich leide; — man müßte in meiner Lage selbst gewesen sein, um zu wissen, in welchem Gemüthszu- standc ich mich befinde! Wozu es länger verbergen, wozu Sie in Täuschung über meinen Zustand lassen, wenn mir zu jeder Stunde bas Unver-