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einnimmt, unbedingt bei. Ich war auf einem dieser Nachbarn, auf der Vedretta di Salarno, und habe wahrgenommen, wie kaum merkbar, flachgewölbt der breite, fast ebene Firnsattel sie von der Vedretta del Mandron scheidet, daher eine Zusammenrechnung beider Ferner, natürlich nur dem landschaftlichen Eindrücke nach, keineswegs so unpassend erscheint; in orographischer Beziehung sind sie unbedingt als selbständige Individuen aufzufassen. Ist der Eindruck des mächtigen Eisstromes des Mandron- gletschers an und für sich grossartig in seiner ruhigen Majestät im obern Theile, so wird der Anblick des Absturzes mit seinem wilden Chaos der colossalen Eisschluchten und der aus der ge borstenen Masse emporstarrenden bizarren Eisfiguren hier wahr haft bezaubernd. Hochanstrebende weissgrüne Eisburgen, Klippen, überhängende Zacken, Nadeln, Blöcke, gewaltige Eistreppen, welche in entsetzliche Abgründe hinabreichen, wechseln in so reicher Mannigfaltigkeit, dass in den Tiroler Alpen Aehnliches kaum wieder anzutreffen sein dürfte. So ausserordentliche Zerschrun- dung erklärt sich nur durch die Steilheit des Gletscherthales und durch die ungeheuere verticale Mächtigkeit des Ferners.... Der Tiefgang des Eisstromes kann auf annähernd 800 bis 1000 Fuss geschätzt werden, indess derselbe beim Unteraargletscher nur 800 Fuss und beim Rhonegletscher nur 600 Fuss beträgt.“ (Jul. Payer.) Ich kann es mir nicht versagen, hier noch die herrliche Schilderung der Gletscherwelt wiederzugeben, wie Payer dieselbe niederschreibt! „Durch die eben so ausgebreitete als fesselnde Gletscher welt . behauptet der Adamello unter den gewaltigsten Hochge birgen Tirols einen hervorragenden Platz. Diese Region erhabner Einsamkeit bezeichnet lautlose Stille, der Himmel ist tiefblau, die Atmosphäre rein, wenig dicht und so durchsichtig, dass alle Gegenstände viel näher erscheinen, als sie es wirklich sind — daher man in den Tauern sagt: „Der Kees ist betrogen“ (d. h. der Gletscher täuscht!) —; scharf zeichnen sich die Umrisse ab, begrenzen sich Licht und Schatten; am Tage, namentlich bei unbedecktem Himmel, wirkt die durch die freie Luft und schim mernden Eis- und Schneefelder verstärkte Rückstrahlung des Sonnenlichtes mit solcher Intensität, dass sie den Wanderer, zumal bei Windstille, im höchsten Grade belästigt; Worte, selbst Rufe sind ohne Hall und schwach hörbar, das Athmen ist be schwert und beschleunigt; Viele befällt Unwohlsein, Mattigkeit und Schwindel (Blutandrang), das Gesicht wird leichenblass oder glühend und brennroth. Unverrückt, in trostloser Monotonie liegt eine Polarlandschaft mit völliger Negation organischen Le bens ausgebreitet da, harte, schneidende Kälte herrscht vor Sonnenaufgang über dem in glänzenden Stahlpanzer oder in