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375 unserer schmeichelhaften Formen. Nicht durch blosse Worte kann man sich ihr Wohlwollen erwerben, sondern durch die Reinheit unserer Gefühle. Es wäre daher lächerlich, ihnen jene Titel zu geben, welche unsre Sitten dem Rang unterschiede widmen und welche ihrer Eitelkeit bei ihren Lebzeiten hätte schmeicheln können. Wenn sie in der That erhaben sind, so halten sie nichts nur nichts darauf, sondern es missfällt ihnen sogar. Ein guter Gedanke ist ihnen mehr angenehm, als die schmeichelhaftesten Beinamen: wenn es anders wäre, so ständen sie nicht über der Mensch heit. Der Geist eines ehrwürdigen Geistlichen, der auf Erden ein Kirchenfürst und ein rechtschaffener Mensch ge wesen ist, der als Gesetz Jesu ausübte, antwortete eines Tages Jemandem, der ihn anrief und ihm den Titel: „Monseigneur“ beilegte: „Du solltest wenigstens Ex-Mon seigneur sagen, denn hier giebt es nur einen Seigneur (Herrn), nämlich Gott. Wisse also, dass ich hier Wesen sehe, welche mir auf der Erde zu Füssen gefallen sind und vor denen ich mich nun selbst verbeuge.“ Was die niederen Geister betrifft, so weiset uns ihr Charakter die Sprache an, welche schicklich ist, an sie zu richten. — Unter ihrer Zahl giebt es einige, welche, obwohl harmlos und selbst wohlwollend, dennoch leichtsinnig, un wissend und unbesonnen sind. Diese eben so zu behandeln, wie die ernsten Geister, wie es manche Personen thun, wäre eben so viel, als sich vor einem Schüler oder vor einem in einem Doktorhüte vermummten Esel zu verneigen. — Ein vertraulicher Ton wäre bei ihnen nicht am unrechten Orte, sie nehmen ihn auch nicht übel, sie geben sich im Gegen theile gern dazu her. Unter den niederen Geistern giebt es einige, die unglücklich sind. Ihre Leiden nehmen unser Mitleid um so mehr in Anspruch, als sich Niemand schmeicheln kann, dem Aus spruche Christi zu entgehen: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Das Wohlwollen, welches wir ihnen beweisen, ist für sie eine Erleichterung, in Er-