192 die russischen Bäuerinnen, nur daß sie eine weiße Nachthaube auf dein halbgrauen Kopfe hatte. Sic stellte sich vor das weinende Mädchen mitübcreinander- gekrcuztcn Händen und redete sie in türkischer Sprache rauh au: — „Du weinst schon wieder! was fehlt dir denn? be kommst du nicht genug zu essen? wie? du ißt zwar nicht viel, aber doch zehnmal mehr, als deine Arbeit Werth ist. Was hast du heute gemacht? Hast alles in allem sechs Säcke genäht und etwas gekocht. Das war wieder eine Kocherei!" — Sie fuhr mit steigendem Eifer fort: „Man kann dich ja zu gar nichts brauchen; nicht einmal das Zimmer kannst du ordentlich aus- weißen. — Aber du sprichst ja kein Wort, trotzest du mit mir? ha! meinst du, daß ich dich nicht zu behandeln weiß?" schrie sie, sich immer mehr ereifernd; „erst mache ich dich weich wie Brei, und dann, wenn Herr Iwan wiederkommt, werde ich ihm sagen, daß er dich zum Teufel führen oder dich verkaufen sott; ich behalte dich nicht länger, denn dn verdienst nicht ein mal das Wasser, das du trinkst!" — „Was soll ich thun, liebe Frau?" sagte Selima, sich die Thränen trocknend. — „Was du thun sollst!" schrie die Furie, von derSanft- muth des Kindes nur noch mehr gereizt, die Hände ballend. Selima schrackzusammen; sie hatte diese Hände bereits ge fühlt. Sie wollte in das HauS. — „Wohin? Tagediebin!" schrie daS Weib — und er faßte Selima's schwarze Haarlocken. In demselben Augenblicke sprang ein kräftiger junger Mann in russischerKriegertracht hervorund erfaßte dieHand derMatronc.