126 mich hindern, auch schon jenes Schließen aus einem bestimmten Symptom auf eine bestimmte Organveränderung der „Vernunft" zuzuschreiben. Vernunft bezeichnet, um es nochmals zu betonen, nicht irgend ein bestimmtes Seelenwesen, sondern wie der Be griff Verstand nur eine gewisse Art und Weise geistigen Ge schehens. Wenn wir nun prüfen, ob die Vernunft in unserem Sinne, also das selbstbewußte Denken über die seelischen Vorgänge selbst, schon im Tierreich vorkommt, so müssen wir gestehen, daß wir das nicht wissen. Die Möglichkeit, daß dem Menschen in geistiger Beziehung nahestehende Tiere, wie Affen, Hunde, Elefanten usw. über einen geistigen Prozeß, der bei ihnen stattgefunden hat, gelegentlich nachdenken, läßt sich nicht kurzer Hand abweisen. Ich kann mir z. B. vorstellen, daß ein Tier, welches infolge eines von ihm begangenen Irrtums in eine Falle geraten ist, ärgerlich über seinen irrtümlichen Schluß grübelt, den es vielleicht bei Wahrnehmung des Köders gezogen hat. Da wir wissen, daß z. B. Wölfe und Füchse es unter Umständen verstehen, mit größter Schlauheit sich den verborgensten Fallen zu ent ziehen — man lese darüber in den Schriften von Th. Zell —, so sind wir auch zu jener Annahme berechtigt. Wäre sie richtig, so hätten wir bei Tieren eine primitive Stufe des selbstbewußten Denkens über seelische Vorgänge. Von ihr bis zu den Speku lationen des Philosophen ist allerdings noch ein weiter Weg. Aber letztere bedeuten darum doch nur den höchsten Grad eines in seinen Anfängen schon bei den Tieren wahrscheinlich vorhandenen Ver mögens. Wer etwa geneigt ist, in der Fähigkeit zu den höchsten und abstraktesten Gedankengängen das grundsätzliche Unterscheidungs merkmal zwischen Mensch und Tier zu sehen, hat allerdings die Tatsache für sich, daß selbst die intelligentesten Tiere wahr scheinlich — denn ganz sicher wissen wir es nicht — zur Bildung höherer Abstraktionen und zur logischen Verknüpfung derselben nicht fähig sind. Er beachte aber, daß diese Fähigkeit nichts ganz Neues ist, nicht ein ganz besonderes Seelenvermögen eigener