Der eine oder andere der Leser wird vielleicht verwundert fragen, wie man denn überhaupt von der Seele so niedriger Organismen etwas erfahren könne. Nun, zunächst versteht die Naturwissenschaft unter Seele nicht nur das hoch entwickelte geistige Geschehen des Kulturmenschen. Und zum andern ist auf die Frage zu antworten, daß wir die Kenntnis des Seelen lebens der Urwesen aus dieselbe Weise gewinnen, wie die der Geistestätigkeit der höheren Tiere, nämlich durch das Studium ihrer Bewegungen und durch Deutung dieser Bewegungen auf Grundlage unseres Wissens vom eigenen Geistesleben. Da oben (S. 1) gesagt wurde, daß der Begriff Seele sich zum Teil mit Bewußtsein decke, so kann eingewendet werden, daß von der Seele der Urwesen schon deshalb nicht die Rede sein dürfe, weil diese der Organe entbehren, deren Funktion nachweislich die Grundlage des Bewußtseins bilde, nämlich des Gehirns und der Nerven. Nun wohl, ich bitte zu beachten, daß gesagt wurde, Seele decke sich zum Teil mit Bewußtsein. Demnach bin ich nicht verhindert, auch solche Lebenserscheinungen als seelisch zu betrachten, die nicht nachweislich von dem begleitet sind, was uns als Bewußtsein erscheint. Manche Autoren ver stehen allerdings unter seelischen Lebensäußerungen nur die „bewußten". Aus diesem Standpunkt entstehen aber zahlreiche Schwierigkeiten. Wir vollbringen manche Leistungen ohne Bewußtsein. Ein geübter Klavierspieler z. B. vermag ein ihm geläufiges Stück zu spielen, während er mit seinen Gedanken bei ganz anderen Dingen weilt, d. h. also ohne daß sich sein Bewußtsein mit dem Klavierstück beschäftigt. Sicher ist sein Bewußtsein einst beim Einüben des Stückes beteiligt gewesen. Ist nun, da es nicht mehr teilnimmt, das Spiel von dem früheren etwa grundsätzlich verschieden geworden? Wohl kann man das jetzige Spiel mit einem Mechanismus vergleichen. Sind es aber nicht dasselbe Gehirn und dieselben Nerven, welche die Muskeln zu dem früheren bewußten Spiel wie zu dem jetzigen unbewußten veranlassen? Man sieht, welche