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Dieses orientalische Amphitheater hatte wirklich etwas Großartiges und ge währte einen guten Ueberblick über die Menge, die am Fuße des Hügels umher wogte und tobte. Einige Pferde hatten scharlachrothe Sättel und breite Steig bügel aufliegen, ganz denen ähnlich, wie man sie in Andalusien sieht, und scharr ten im Boden, während sie auf ihre Reiter warteten. Die Kameele sahen viel ruhiger ihrer Ladung entgegen und bewegten nur hin und wieder ihren haarlosen Hals. Hin und wieder aufgeschlagene Zelte vermehrten die Wirkung; das Ganze lieferte vollständig das Bild einer Rast in der Wüste- . Zm Ganzen interessirte mich der Markt weniger an und für sich selbst, als vermöge der Volksscenen, die er veranlaßte, und der Gaukler, deren Samnel- platz er war. Auf der einen Seite stand eine Springschaukel, von der die kleinen Mauren unter schallendem Gelächter herauspurzelten; etwas weiter entfernt ver- sezten sich zwei schwarze und nackte Stockschläger gewaltige Streiche, ohne sich jedoch zu berühren, und zeigten dabei die gräßlichsten Verdrehungen. Ferner zeigten sich Ringer, die mich an die von Znterlacken erinnerten, insofern die Barbarei an die Schweiz erinnern kann. Das originellste und ächt afrikanische Schauspiel aber lieferte ein Anhänger deS Sidi-Ven-Msa, dessen ganzer Körper mit Schlangen gleichsam verbrämt war, und der beim Klange deS Dudelsackes und des Tambourins bald auf einem und bald auf dem andern Fuße tanzte. Um sich selbst mehr anzufeuern, sang er eine wilde und eintönige Melodie, dir viel Aehnlichkeit mit dem langgedehnten Grunzen eines wilden Thieres hatte. Uebri- gens war der Tänzer ziemlich das, was sein Geheul anzeigte, Mann und Stimme befanden sich in vollkommner Harmonie. Um den Hals trug er eine ungeheure Schlange, das furchtbare Halsband ringelte sich um sich selbst und züngelte gegen die Zuschauer mit scharfem Pfeiffen. Liebreich schmeichelte der Psylle seinem Ge würm, küßte es, nahm es in den Mund, für eine Unze jedoch, die ich ihm zuwarf, begann er gleich, es mit den Zähnen zu zerreißen, und ging so binnen einer Se- cunde von größter Zärtlichkeit zu äußerster Wuth über. Sein Auge war roth, Blut strömte von seinen Lippen, die er mit andern Schlangen abwischt, den armen, einem ähnlichen Ende geweiheten Schlachtopfern. Unter den Zuschauern befand sich auch eine nakte Wahnsinnige, die in diesem Costüme in den Straßen von Tanger schon Gott weiß seit wie langen Jahren umher lief. Die schien übrigens sanfter, eher melancholischer als rasender Ge- müthsart zu sein; wäre ihre Nacktheit nicht gewesen, man würde sie für eine gewöhnliche Spaziergängerin gehalten haben. Die Sonne hatte ihre Haut ziegel braun gefärbt; überhaupt gewährte diese Fleischmasse einen scheußlichen Anblick. Ich vergaß zu fragen, ob sie auch für eine Heilige gehalten wird. Maurinnen und Jüdinnen gingen an ihr vorüber, ohne im Mindesten, selbst in Gegenwart von Männern, diesen Anblick sonderbar zu finden. Eine solche Nacktheit ist aber allerdings viel geeigneter, jedes zweideutige Gefühl zu ersticken, als hervorzurufen. Ich bemerkte ferner, daß das schöne Geschlecht auf dem Markte eben so zahlreich war, als das männliche, und dieß kommt daher, weil den Frauen hier auf dem Sok