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Die nordamerikanifche Expedition zur Aufsuchung Livingstone's. 77 vingstone's ausgerüstet, und läßt erst jetzt, nachdem dieselbe schon tief ins Innere vorgedrungen ist, darüber etwas ver lauten („New Dork Weekly Herald" vom 26. Deccmber). Wir finden einen höchst anziehenden Bericht des Reisenden, doch wird der Name des offenbar kühnen und gewandten Uankee, der die Dinge mit einem echt amerikanischen Vor wärts, einem go aüoaä, betreibt, auffallender Weise nicht angegeben. Wir erfahren nur,Folgendes. Der Mann ist von Seiten des „Herald" (des Herrn James Gordon Bennet) als Berichterstatter nach dem Orient geschickt worden. Er war bei der brillanten Komödie zugegen, welche bei der Ein weihung des Suezcanals aufgeführt wurde; er war den Nil bis zu den Katarakten hinaufgefahren, dann nach Jerusalem, nach Sebastopol, in den Kaukasus, nach Turkestan gegangen, hatte einen Zug durch Persien gemacht, war am Euphrat gewesen und erhielt dann den Auftrag, nach der afrikanischen Küste zu gehen. Die Instruction, welche er bekam, ist cha rakteristisch. Der „Herald" schrieb ihm weiter nichts als: „Suchen Sie Livingstone ausfindig zu machen und Alles zu erkunden, was auf seine Entdeckungen Be zug hat." Am 6. Januar 1871 war der Nordamerikaner in San sibar und rüstete sofort eine Expedition aus, die bis auf Weiteres 8000 Dollars Gold Kosten verursachte. Nach vier Wochen schiffte er nach Bagamoyo, diesem viel genann ten Platze, welcher Sansibar gegenüber auf dem Festlande liegt und den Ausgangspunkt für die Trägerkarawanen nach dem Innern bildet. Dort mußte er volle zwei Monate lie gen, um alle nöthigen Vorkehrungen zur Reise zu treffen; nicht vor dem 1. April, also 83 Tage nach seiner Landung in Sansibar, konnte er von Bagamoyo aufbrechen. Nach einer Wanderung, welche 84 Tage in Anspruch genommen und auf welcher er 525'/z Miles zurückgelegt hatte, langte er in Kwihara an, einer Niederlassung arabischer Kauf leute in Unyanyembe, und von dort hat er unterm 4. Juli 1871 seinen ersten.Bericht an den „Herald" abgeschickt. Der Weg, den er von der Küste dorthin eingeschlagen, ist im Wesentlichen derselbe, auf welchem Richard Burton, von Speke begleitet, 1859 in das bis dahin vollkommen unbekannte Innere vordrang und den Tanganyika-See entdeckte, der seitdem eine so wichtige geographische Rolle spielt. Die Schilderungen, welche Burton von seiner Reise gegeben hat, gehören zu den interessantesten, welche wir in irgend einer Literatur besitzen, und es hat dem Schreiber dieser Zeilen seiner Zeit einen wahren Genuß bereitet, die selben deutsch zu bearbeiten. („Die Expedition Burton's und Speke's von Zanzibar bis zum Tanganyika- und Nyanza- See", von Karl Andree, Leipzig 1861.) In geographi scher und ethnographischer Beziehung finden wir nichts Neues in dem Reiseberichte des Nordamerikaners; er schildert aber seine Erlebnisse so gut, daß wir in einer unserer folgenden Nummern den wesentlichen Inhalt mittheilen wollen. Heute liegt uns nur daran, das zusammenzustellen, was er bis zum 4. Juli des vorigen Jahres über Livingstone in Er fahrung gebracht hat. Doch zuvor ein Wort über Unyanyembe. Dasselbe ist eine Centrallandschaft in der Region, welche man als Unyamuesi, Land des Mondes, bezeichnet. Dort ist der große Bandari, d. h. Sammelplatz und Begegnungspunkt für die Handelsleute, und die Karawanen ziehen nach allen Richtungen. Er ist das Hauptquartier der Araber, die zu meist aus Oman stammen und dort ihre Niederlagen von Baumwollwaaren, Messingdraht und Glasperlen haben. Mit diesen Waaren senden sie ihre Handlungsgehülfen weit und breit im Innern umher, bis Uber den Tanganyika-See hin aus; nach Norden hin bis Uganda, Unyoro und Karagueh, also Landschaften, Uber welche wir erst aus Speke's zweiter Reise nähere Kunde aus dessen eigener Anschauung erhalten haben. In Unyanyembe, das nach Burton schon 3480 eng lische Fuß über dem Indischen Ocean liegt, muß jeder Rei sende eine Zeitlang verweilen, denn dort werden alle Träger (Pagasis), gleichviel ob man sie an der Küste oder am Tan« ganyika-See gemiethet hat, abgelohnt und neue angenommen. Nach Burton liegt Unyanyembe in geradem Striche 356 Miles von der Küste. Bon Kaseh, einer zerstreut liegen den Gruppe arabischer Häuser, um welche mehrere Dörfer der Eingeborenen umher liegen und das den Hauptort im Lande bildet, hat man bis nach dem vielgenannten Udschidschi am Ostufer des Tanganyika-Sees noch 20 Tagereisen. Bon dort werden wir wohl gelegentlich weitere Berichte des ame rikanischen Reisenden erhalten. Unyanyembe, als ein com- mercieller Mittelpunkt, ist eine geeignete Oertlichkeit, um Erkundigungen einzuziehen. Was nun der Amerikaner über Livingstone erfahren hat, ist Folgendes. Wir geben seinen Bericht wörtlich. — „Am 12. April traf ich bei Mussondi am Ungeren- geriflusse, vier Tagereisen von Senibawenni, zusammen mit Selim ben Raschid, der mir Folgendes sagte: Ich sah den Musungu (d. h. Europäer, weißen Mann), der vor län gerer Zeit vom Nyafsa-See gekommen war, in Udschidschi im vorigen Jahre (also 1870). Er wohnte in der Tembe (— d. h. viereckigen Wohnung, nicht eine bienenkorbförmige Negcrhütte —), dicht neben der meinigen. Er hat einen langen weißen Schnauzbart und einen weißen Backenbart. Er wollte damals nach Murungu und Unyena gehen. — Am 18. Mai lagerte ich beiMpuapua, wo mir Scheich Abdullah ben Wasib sagte: Der Musungu ist nach Maniema gegangen, das einen Monat weit von Udschidschi liegt. Es ist ihm ein Unfall begegnet; während er auf Büf fel Jagd machte, fchoß er sich in das Dickbein. Wenn er geheilt ist, will er wieder nach Udschidschi kommen. Auf der andern Seite des Tanganyika liegen viele Seen. Der Udschidschi-See ist sehr groß; der Urnwa ist auch groß; der Banguelo ist groß, aber der Maniema-See ist außerordent lich groß. — Bei Kusura, inMngundo Mkhali oder dem Lande der Wanyensi, traf ich am 13. Juni mit Scheich Thani ben Massud zusammen. Seine Aussage ist folgende: Du fragst mich nach dem Musungu, welchen die Leute Doch ter Fellestin nennen. Ja, er wohnte vor drei Monaten in meiner Nähe in Udschidschi. Alle seine Leute haben ihn ver lassen ; er hat nur drei Sklaven bei sich, die er kaufen mußte. Er war gewohnt, seine Leute sehr heftig zu Prügeln, wenn sie nicht sogleich thaten, was er ihnen befahl. Zuletzt liefen sie Alle fort, Keiner wollte länger bei ihm bleiben. Er hatte nichts bei sich, kein Banmwollenzeug, keine Glasperlen, um für längere Zeit Nahrungsmittel kaufen zu können. Er ist ein alter Mann und sehr fett. Er hat einen langen weißen Bart und ist ein starker Esser, Maschallah! Er kann drei oder vier Mal im Tage einen ganzen Topf flüssi ger Butter und eine große Schüssel voll Reis ausessen, Ma schallah! Siehst Du da den großen Thectopf? Nun, den würde er auch ausessen, wenn er mit Butter und Ugali (Brei) gefüllt wäre. — Am 16. Juni traf ich den Beludschen Hassan, der ein Soldat des Scheichs Seyd ben Selim von Unyanyembe ist. Livingstone, sagt er, ist ein alter Mann und hat einen fast weißen Bart. Er hat sich die rechte Schulter ausgerenkt bei einem Kampfe, welchen er mit einem Löwen hatte. Er ist mit einigen Arabern nach Maniema gegangen. Maniema ist drei Monate weit von Udschidschi entfernt. Hierher will er aber bald zurückkehren, weil er einen Brief vom Eon-