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70 Dr. Albert Günther über den neuen Ganoidfisch, Osrntoctus I^omtsri. Dr. Albert Günther über den neuen Ganoidfisch, Oeratoäus korLteri. Vor etwa zwei Jahren erreichte Europa die Kunde, daß in Australien eine „Amphibie" entdeckt worden sei, die dem Lepidosiren gleiche, und die Neugierde der Naturforscher wurde dadurch noch mehr erregt, daß dieses neue Geschöpf Zähne haben sollte genau so wie sie fossil von der Trias- bis zur Juraformation vorkommen und als Ceratodus be zeichnet werden. Das Interesse, welches diese Entdeckung erregen mußte, wird begreiflich, wenn mau sich erinnert, welchen Streit einst der von Natterer im Amazoneustrom und Madeira 1837 entdeckte Lepidosiren unter den Naturforschern hervorrief. Fitzinger nannte das Thier Iwpickosirsn paraäoxa und stellte es ohne Weiteres zu den Reptilien. Bald darauf wurde eine zweite Art in Senegambien aufgefunden, die Owen unter dem Namen I,sxiäosirsn annsotsos beschrieb und ohne Weiteres zu den Fischen stellte. Es entstand ein Streit über die Stellung dieses Thieres, der schließlich zu Gunsten der Owen'schen Ansicht entschieden wurde. Lepidosiren ist also ein Fisch. Reptilien und Fische unterschied man vor der Entdeckung des Lepidosiren nach dem Athmungsorgane; die ersteren ha ben häutige Lungen, die letzteren nur Kiemen. Obgleich die Batrachier in den ersten Stadien ihrer Metamorphose durch äußere Kiemeu athmen wie di^Fische, so war doch das Auf treten von Lungen in denselben nach Beendigung der Meta morphose genügend, sie von den Fischen zu trennen, die kein Luftathmungsorgan besitzen. Nun fand man den Lepi dosiren, der Kiemen und Lunge besaß, und den Fitzinger, Bi schof und Andere deshalb zu den Reptilien stellten. Nichtsdesto weniger wiesen ihn viele anatomische Einzelheiten zu den Fischen; das Skelett ist wie bei diesen, das Gehörorgan in eine knorpelige Kapsel des Schädels eingeschlossen, die Zähne sind wie bei der Chimära, einem Fische, beschaffen; cs ist kein Nasencanal zur Luftführung vorhanden; er trägt Schup pen und Flossen. Alle diese Merkmale stellen den Lepido siren mehr zu den Fischen, wenn er auch unter diesen den Batrachiern am nächsten steht. Unter den Fischen selbst ward Lepidosiren den Haien und Rochen zunächst gestellt, die gleich ihm am Ursprünge der Aorta am Herzen eine eigen- thiimliche Muskelabtheilung, den Uullms artsriosns, haben. Doch schuf Johannes Müller für Lepidosiren eine besondere Unterclasse, welche er Dipnoi nannte. So wurde Lepidosiren definitiv den Fischen einverleibt; aber von der Zeit seiner Entdeckung an datirt das Bestreben der Zoologen, alle kaltblütigen Thiere einzutheilen nicht allein danach, wo die Entwickelung der Lungen aufhört, sondern wo die Entwickelung der Kiemen beginnt. Oder mit ande ren Worten: die Eintheilung in Fische und Reptilien ward ungenügend befunden und drei Classen kaltblütiger Wirbel- thiere: Reptilien, Amphibien und Fische, wurden unterschieden. Oeratollu8 l^orsteri. ' Entdeckt man jetzt eine nene isolirte Thierform, so sieht man sich unter den Versteinerungen nach Verwandten der selben um. Aber es schien, als ob Lepidosiren keine fossilen Verwandten habe. Owen nur erwähnte, daß seine Zähne nach der geringen Anzahl und Befestigung auf den Kiefern denen der Chimära und denen des fossilen Knorpelfisches Ceratodus glichen. Die Entdeckung einer „riesigen Amphibie in den Flüssen Queenslands, die dem Geschlechte Lepidosiren nahe steht," und die Krcfft Ooratockus I^orstori nannte, schien die Sache der Wissenschaft weiter zu fördern. Der Fisch — denn ein solcher ist er noch mehr als Lepidosiren — scheint in eini gen Gegenden Queenslands nicht selten zu sein; Exemplare sind im Burnett-, Dawson- und Mary-River gefangen wor den, einige weit oben im süßen Wasser, andere weiter nach der Mündung im brakigen. Er soll 6 Fuß lang werden, doch maßen die bisher nach England gelangten Exemplare nur 3 Vs Fuß- Das Fleisch schmeckt vorzüglich, cs hat Lachs- farbc, und der Fisch wird daher von den Ansiedlern Burnett- Lachs genannt. Seine Nahrung besteht aus den faulenden Blättern verschiedener Myrtacecn und anderer Pflanzen. Hin und wieder geht er aufs Land, oder die Schlammflächen, was dadurch begünstigt zu werden pflegt, daß er mit einer rich tigen Lunge versehen ist; der Lepidosiren dagegen, der auch eine Lnnge besitzt und von dem zahlreiche Exemplare in der Gefangenschaft gehalten werden, zeigt niemals Lust, aufs > Land zu gehen. Der Ceratodus laicht eine große Menge kleiner Eier, die dann befruchtet werden. Ueber die Ent wickelung derselben ist noch nichts bekannt. Der Barramuda, wie die australischen Eingeborenen den Fisch nennen, ist aalförmig, aber bedeutend kürzer und dicker als der gemeine Aal und mit großen Schuppen be deckt. Der Kopf ist flach und breit, die Augen stehen seitlich und sind klein, der müßig weite Mund steht an der Spitze der breiten Schnauze. Die Kiemenöffnungen sind nur ein schmaler Schlitz an beiden Seiten des Kopfes. Aeußere Nasenlöcher sind nicht bemerkbar. Der Schwanz', der un gefähr von derselben Länge wie der Körper ohne Kopf ist, ist zusammengedrückt und endigt in eine Spitze; er ist um geben von einem breiten Flossenrandc. Er hat zwei Vorder- und zwei Hinterflossen, die in der Gestalt sehr verschieden von denen gewöhnlicher Fische sind; ihr mittlerer Theil ist mit Schuppen bedeckt. Ilm den Mund zu untersuchen, muß man ihn aufschlitzsn. Der Gaumen ist mit einem Paar großer langer Zahnplatten versehen, die eine gewellte und punktirte Oberfläche haben, sowie mit fünf bis sechs scharfen Zackenzähneu an der Außenseite, die ganz jenen des fossilen Ceratodus gleichen. Zwei Zahnplatten im Unterkiefer corre- spondiren mit denen im Oberkiefer und ihre gewellten Ober flächen passen genau in einander. Im Oberkiefer, und zwar im vordem Theil, stehen noch zwei Schneidezähne; diese schneiden die Kräuter oder Blätter, welche dem Thiere als