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Es ist bemerkenswerth, wie gern und oft Forschungsreisende und Entdecker das, was sie finden möchten, auch fiir gefunden ausgeben. So renommirte Speke: „tüs Xils is 8ettlscl," aber wir wissen auch heute noch nicht, wo seine Quellen liegen. Im Frllhjahr 1871 verkündete der Nordamerikaner Selfridge: „tbs tlanal is ssttlsä," denn es fei vom Rio Atrato aus eine Einsattelung von nur 300 Fuß Höhe über dem Ocean gefun den worden; nähere Untersuchungen ergaben dagegen eine Paß höhe von zwischen 700 und 800 Fuß. Der Dariencanal war also nicht „gesettelt". Morton's „offenes" Polarmeer machte seiner Zeit viel Ru mor, und da die Pankees die Entdeckung eines solchen als eine Großthat ihrer Nation betrachteten, wurde es in der amerika nischen Presse als eine solche verkündet; ein Zweifel galt für eine Art von Verbrechen und als Verkleinerung des amerikani- chen Ruhmes. Wir unfererseits erlaubten uns, jenen Fund Morton's für einen Pankeepuff zu erklären. („Zwei Nordpolar reisen zur Aufsuchung Sir John Franklin's, von Elisha Kent Kane, deutsch von Julius Seybt, Leipzig 1857. Mit einer Einleitung von Karl Andree. Leipzig 1857, S. XVIII sf.") Morton erreichte am 23. Juni 1854 Cap Constitution, 81" 22' N., 66" W., den äußersten Punkt des Washingtonlandes an der Ostseite des Kennedycanals. Dort sah er nach keiner Richtung hin Eis vor sich, und daraus wollte Kane sofort die dreiste Fol gerung ziehen, daß vom nördlichen Theile des Kennedycanals, also von etwa 80" N., das Meer bis zum Pol frei vom Eise sei! „Am Cap Constitution stand Morton an der Küste eines Canals, auf welchem, ihm zufolge, eine ganze Flotte von Fre gatten hätte fegeln können, und dieser Canal erweiterte sich zu einer (für ihn) unabsehbaren weiten Meeresfläche, auf welcher er ein überraschend munteres Thierleben beobachtete, Ningel- gänse, Eidergänse und andere Seevögel in großer Menge. Morton konnte dort auch nicht ein Pünktchen Eis gewahren; in einer Höhe von 480 Fuß über dem Meeresspiegel hatte er einen Horizont von etwa 8 deutschen Meilen; das Rauschen der Wel len schlug wie Musik an sein Ohr und tief unter ihm brandete die offene See. Aber was liegt jenseit Cap Constitution? Dar über hat selbst Kane lediglich Vermuthungen. Wir wissen also nicht, wie weit jenes angeblich offene Polarmeer sich aus dehnte und ob es lediglich auf jenen Theil der Polarregion sich beschränkt, welchen Morton sah, oder ob es zu einem eisfreien Polarblicke führte. Das offene Wasser des Kennedycanals er schien inmitten der starren Eiswllste wie eine mysteriöse Flüssig keit. Wir begriffen sehr wohl, daß Kane sich fieberhaft auf geregt fühlte, als er von einem jolchen Wasserspiegel erfuhr. Doch das Eismeer täuscht. Genau da, wo Capitän Parry im Wellingtonsunde freies Wasser sand, fror später Sir Edward Belcher mit seinen Schiffen ein. Jnglefield wollte, und zwar im Smithsunde (!), ein offenes Polarmeer gesunden haben, und gerade dort sand Kane, der nach ihm kam, eine undurch dringliche Eisschranke, welche sein Schiff, die „Advance", am Weitersahren verhinderte. Gewiß sand Morton den Kennedy- canal und das Meer nördlich und östlich vom Cap Constitution eisfrei als und fo lange er dort war. Aber nichts bürgt für die Annahme, daß dieselbe Meeresstrecke auch zu anderen Zeiten eissrei sei; alle Analogie spricht wenigstens dasür, daß sie mit Eis bedeckt sein werde. Wir unsererseits können uns nicht entschließen, an das Vorhandensein von Kane's oder vielmehr Morton's offenem Polarmeer zu glau ben, bevor dasselbe bündig erwiesen und wiederholt befahren worden ist. Bis dahin steht weiter nichts fest, als daß Morton im Juni 1854 offenes Wasser im Norden des 80" N. gesehen hat." Wir übergehen hier das, was wir an der angegebenen Stelle weiter entwickelten, wollen aber noch eine Stelle hersetzen, die wir gleichfalls 1857 schrieben und an welcher wir auch heute nichts zu ändern wüßten. „Es liegt demnach auch nicht ein einziger Beweis sllr das Vorhandensein eines offenen Polarmeeres vor, während alle Analogien und Beobachtungen darauf hindeuten, daß ein solches nicht existiren könne. Wir wissen, daß im arktischen Ocean an vielen Stellen sich zeitweilig kleinere oder größere Becken offenen Wassers bilden; aber sie sind nicht andauernd und werden zu anderen Zeiten wieder von Eis ausgefüllt. Es ist auf jie keinerlei Verlaß. Deshalb sind auch alle Spekulationen über die Möglichkeit, den Nordpol zu erreichen, ganz müßig und die Versuche allemal fehlgcschlagen. Eine zusam menhängende feste Eisschranke, auf welcher man von Süden her mit Hunde- oder Renthierschlitten beliebig weit fahren könnte, ist nicht vorhanden. Schiffe können ein Meer nicht befahren, das eine unablässige Reihenfolge von festem Eis, Packeis, Treibeis, Eisbergen, Eisfeldern, Scholleneis und offenem Wasser darbietet, in welchem kein fester, sicherer Cours inne gehalten werden kann. Aller Wahrscheinlichkeit zusolge wird also für uns der Nordpol, gleich dem noch viel unzugänglichern Südpol, mit Nacht bedeckt bleiben. lieber 83" Nord ist Nie mand hinausgekommen." Die Speculation über Erreichung des Nordpols ist nun gleichsalls in England wieder thätig, und zwar, wie von jeher, in der Controverse. Clements Markham empfiehlt als Hinweg den Smithsund, Dr. Rae den Weg über Spitzbergen. Die englische Regierung erklärte vor einigen Jahre», sie könne kein Geld für Polexpcditionen bewilligen, solange die Seefahrer und Gelehrten unter einander fo verschiedener Ansicht seien wie bisher. A. Das neueste Goldfieber im australischen Bictoria. All und jede Monatspost, welche von den Gegenfüßlern zu uns gelangt, bringt Nachrichten von neuen Goldentdeckun gen. Man ist daran so sehr gewöhnt, daß man weiter keine Notiz davon nimmt, falls nicht etwa Ueberraschendes sich ereig net. Mit der Novemberpost ist das der Fall. Wir ersehen aus den Berichten vom Ansang des November, daß in Melbourne, überhaupt in der Colonie Victoria ein Goldfieber aus gebrochen ist, das jenem vor zwanzig Jahren an Heftigkeit nichts nachgiebt. Es ist, als ob alle Welt von einer Tarantel gestochen worden wäre, und die Speculation wilder als je zuvor. Binnen wenigen Wochen haben sich Hunderte von Compagnien gebildet, um goldhaltigen Quarz zu pochen; gewöhnlich beträgt das Capital 25,000 Antheile zu 10 Schilling. Das Publicum ist unersättlich; leidenschaftliche Pilger, auch aus Neusüdwales und aus Südaustralien wallfahrten in dichtem Gedränge nach den Bendigo-Goldfeldern; die Bahnzüge find über und Uber gefüllt mit Anthcilinhabern („Scripholders"): die Gasthöfe in der Stadt Sandhurst, welche doch theilweise sehr viel Raum haben, können nur eine sehr geringe Anzahl Spekulanten be herbergen; die übrigen dürfen schon von Glück sagen, wenn sie in Ställen und Wagenremisen ein Unterkommen finden. Wer im Oktober so naiv war, in Sandhurst anzufragen, ob er ein Zimmer für sich allein bekommen könne, wurde geradezu an gestaunt, als ob er nicht recht bei Sinnen wäre. Einen eigen- thümlichen Anblick bietet die Börse; man hat für sie die Be zeichnung: „Unter der Verandah." Von Sonnenaufgang bis zu der Stunde, wenn Abends Thau fällt, und an aufgeregten Tagen auch bis Mitternacht, hantiren unter der Verandah Hun derte von Maklern, Jobbers, Kaufleuten, Landleuten, Hand lungsdienern und Arbeitern. Jeder hat ein Notizbuch und ver zeichnet den augenblicklichen Stand der Course. Sehr beträcht lich ist auch die Zahl der speculirenden Frauen. Man hört unter wegs auf der Eisenbahn merkwürdige Unterhaltungen der Damen, z. B. so: Eine feingekleidete Frau fagt ihrer Nachbarin im Vertrauen, aberfo, daß Jeder es hört: „Ichhabe 1000 Büffel köpfe und das ist mir lieb; die todten Katzen habe ich fort gegeben; in denen wird jetzt nicht viel gemacht. Auch von den Sankt Mungos Prospekts habe ich keine vortheilhafte Mei nung." Die Dame spricht nämlich von verschiedenen Gruben, welche nicht alle ästhetische Benennungen führen. Ein Mann wirft hin: „Heute habe ich meiner Frau Goldene Vließe mit 1500 Procent Profit abgegeben, und meine Tochter hat ihre