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meistens bewaldeten Kuppen zahlreiche malerische Nuhepunkte für das Auge. Das Gebirge steigt von dieser Seite ganz allmälig auf, so daß die Mitte des Willamettethales an hundert englische Meilen vom höchsten Grat entfernt liegt. Gegen Osten fällt das Gebirge mehr abrupt ab und beträgt die Entfernung vom Kamm desselben bis zur Thalsohle des Des Chutes River, der wie der Willamette nordwärts strömt und sich bei Celilo (oberhalb der Dalles) in den Columbia ergießt, nur etwa 35 englische Meilen. Die Schneegipfel liegen alle auf der Ostseite des Gebirges. Die geologische Formation der Cascade Range ist ganz vulcanisch. In alter Zeit ergossen sich gewaltige Lavaströme von beiden Seiten des Gebirges herab, wogegen die Eruptionen neuerer Zeit ihren Lauf sämmtlich gegen Westen genommen haben. Eins der größten Lavafelder trifft man in der Nähe des „Fischsees" (Lsü IsRs), nördlich von den Türss sisksrs, welches jeglicher Vegetation bar ist und durch die nackte Lava den deutlichen Beweis seines neuern Ursprungs giebt. Mein Freund Ganter erzählte mir viel von der wunderbar groß artigen und wildromantischen Natur in jenem Gebirge, auf dem er wochenlang zu Fuß umhergestreift war. Am „olsur lalco", einem herrlichen Bergsee, habe er eine Aussicht auf die dort ganz in der Nähe liegenden Türos Listers gefun den, die dem schönsten Alpenpanorama aus dem Vierwald stätter See in keiner Weise nachstehe. Ehe ich meine Weiterreise nach Californien antrat, un ternahm ich von Albany aus einen kleinen Abstecher zu Wa gen nach dem 10 englische Meilen in südwestlicher Richtung von der Eisenbahn entfernt liegenden Städtchen Corvallis. Auf einer Fähre überschritten wir den Willamette und fuhren, den Fluß bald verlassend, auf einer vorzüglichen Straße durch eine wohlangebaute malerische Gegend. Ehe wir Cor vallis erreichten, zeigte sich uns von Neuem linker Hand der von prächtigen Bäumen beschattete Willamette, während der Mary's Peak in immer größeren Umriffen näher herantrat. Corvallis, das seinen Namen nach dem Spanischen führt (das Herz des Thales), ist ein freundliches Städtchen in Benton County, am linken Ufer des Willamette, und hat ungefähr die halbe Größe von Albany. Das Thal, welches jener Fluß in der Mitte durchströmt, hat hier eine Breite von etwa 16 Miles und ist idyllisch schön. Die vollbelaub ten Bäume an den Straßen des Städtchens, die vielen hüb schen Wohnhäuser mit den schmucken Gärten, die Haine in der ländlichen Umgebung und die Aussicht auf die nur drei Miles entfernten grünen Vorberge der Coast Range mit der sie mächtig überragenden Kuppe des Mary's Peak geben ein Gesammtbild, dem es an hohen Reizen nicht fehlt. Ich erfuhr, daß in Corvallis nur 20 Deutsche wohnten und sich zwei vorzügliche Brauereien im Orte befänden. Ungefähr die gleiche Anzahl von Chinesen haben hier wie überall an der pacifischen Küste das Waschmonopol; ihre Schilder z. B. „8inA 8aru — anä IroninA" bemerkte ich an verschiedenen Häusern. Auch ein landwirthschaftliches In stitut (tlKriouIturuI oollsAs) ist im Orte, welches in Ore gon einen bedeutenden Ruf hat und gegenwärtig 90 Schüler zählt, sowie ein Seminar für die literarische Ausbildung von jungen Damen. Eine Stagelinie verbindet Corvallis mit dem kleinen Hafenorte Elk City an der Uaguinabai. Eben dahin wurde vor Kurzem eine Eisenbahn Projectirt, und lebt man in Corvallis der Hoffnung, daß mit dem Bau derselben bald (?) begonnen werde. Wer ein Leben in stiller ländlicher Umgebung sucht, un ter biederen Leuten, welche „Europens übertünchte Höflich keit nicht kennen", dem kann ich mit gutem Gewißen Cor vallis als Wohnort empfehlen. Der Herr Wirth im „City Hotel" konnte sein Städtchen nicht genug Preisen und bot mir gleich ein Zimmer in seiner Privatwohnung an, wenn mir der Aufenthalt im Gasthause zu geräuschvoll sei und ich einige Wochen hier verweilen wollte. Amüsant war es, wie er Corvallis stets mit Albany verglich, und ich merkte bald, daß die beiden Städte bittere Rivalen sind. Corvallis ist sehr eifersüchtig auf Albany, das sich in letzter Zeit be deutend gehoben hat, während dieses auf die Prätensionen seiner Schwesterstadt mit großstädtischem Stolze verächtlich herabschaut. Der Wirth erzählte mir, daß Corvallis ganz fieberfrei sei, im Gegensätze zu Albany, wo die Einwohner schrecklich vom Wechselsteber geplagt würden; es erschienen zwei Zeitungen in Corvallis, eben so viele und bessere wie in Albany; die Umgebung sei viel schöner und das Land weit fruchtbarer bei Corvallis wie bei Albany; die „West-sidc"- Eisenbahn von Portland käme direct nach Corvallis und würde Handel und Wandel hier schnell heben, wogegen die Oregon- und California-Eisenbahn, deren Bahnhof weit von Albany angelegt sei, diesen Platz sicher bald ganz ruiniren müsse. Im Allgemeinen schienen die Einwohner von Corvallis es sich angelegen sein zu lassen, auf jeden Fremden, der ihre Stadt besuchte, einen möglichst günstigen Eindruck zu machen und ihm unaufgefordert Uber die landwirthschaftlichenHülfs- quellen dieser Gegend eingehende Mittheilungen zu geben. Der Werth des Bodens, erfuhr ich, betrage in der Umgegend von 10 bis 50 Dollars Per Acker und sei in stetem Steigen begriffen. Vier englische Meilen von Corvallis wäre, um ein Beispiel anzuführen, eine Farm von 460 Ackern vor fünf Jahren für 3000 Dollars verkauft worden; ein Deut scher habe dieselbe zwei Jahre später für 9000 Dollars er standen und in diesem Jahre wieder für 16,000 Dollars verkauft. Weizen könne man hier nach Belieben vom Herbst bis Mitte Mai säen und erhielte stets eine gute Ernte. Säete man im Spätsommer und Herbste, so pflege man das Vieh bis zum nächsten Sommer auf die Aecker zu treiben und sich von den jungen Halmen nähren zu lassen, und spä ter schössen diese um so üppiger empor und trügen volle Aehren. Oft säe man den Weizen gar nicht, und der bloße Ausfall vom Getreide des letzten Jahres gebe wieder eine gute Ernte. Es wären Fälle vorgekommen, wo dieses in drei auf einander folgenden Jahren geschehen sei, und jedes Mal mit gutem Erfolge. Gereifter Weizen stände im Som mer oft zwei bis drei Wochen lang in Aehren auf dem Felde, ohne dadurch im geringsten zu leiden. Der Durchschnitts ertrag des Bodens betrage über 30 Scheffel Weizen Pro Acker. Oft hätte die Ernte eines Jahres einen höhern Werth als das Land, welches sie getragen, mit Einschluß der dazu gehörenden Gebäulichkeiten. Es sei etwas Gewöhnliches, daß einzelne Farmer 3000 bis 5000 Scheffel Weizen nach der Stadt brächten. Im Winter würde das Getreide auf Dampfbooten nach Portland verschifft, und es lagerten ge genwärtig nicht weniger als 200,000 Scheffel Korn in den Speichern von Corvallis, die auf Hochwasfer und Trans portgelegenheit warteten. Für Viehzucht sei dieses ein ganz vortreffliches Land, da die Winter milde wären und ein Fut termangel im Freien fast niemals eintrete; der Schnee bleibe in sehr seltenen Fällen länger als einen Tag auf dem Boden liegen, ehe die Sonne ihn wieder fortthaue. Eine Aus nahme hätte bis jetzt nur der in ganz Oregon außerordent lich strenge Winter von 1862 gemacht, in welchem Jahre viel Vieh im Freien umgekommen sei, weil es hier zu Lande keine Stallungen zum Schutze für dasselbe gebe. Am Nachmittage des 25. September fuhr ich von Cor vallis zurück nach Albany, von wo aus ich meine Weiter reise auf der Eisenbahn noch am selbigen Tage antrat. Die Eisenbahn führte durch eine wohlangebaute ebene Gegend,