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Aus allen Erdtheilen. 287 ist, hat an Wärme und Würde gewonnen. In wenigen Fami lien ist so viel Beschaulichkeit, elterliche und geschwisterliche Zu neigung, Achtung vor' dem Alter und Sorge für die Kinder, wie in jüdischen Familien. Die Frauen auch sind veredelt, nicht erniedrigt worden, dadurch, daß ihr Wirkungskreis auf sie felbst und ihre Familie beschränkt wurde. Sie sind fast alle geschäfts- erfahren und fähig, an großen Angelegenheiten Theil zu neh men; denn bei ihrer Race hat das Weib von je als Gehülfin und Theilnehmerin bei jeder Angelegenheit gedient. Muße, geistige Activität und das Bestreben, höher zu steigen, erfüllen die Jüdinnen mit großem Eifer für die Erziehung, Liebe zur Bildung und zur Kunst. Die Jfolirung der Juden endlich be wirkt, daß die meisten Männer liberal und frei von Classen- Vorurtheilen sind, wie andererseits die Verknüpfung mit ihren zerstreuten Brüdern sie von Beschränktheit zurückhält." Die Jesuiten und die angeblichen Christenverfolgungen in Japan. Wir haben mehrfach betont, daß die japanische Regierung ganz recht thue, wenn sie den Umtrieben derjenigen Missionäre, welche unter dem Einflüsse der Jesuiten sich im höchsten Grade schlecht auffuhren, nachdrücklich entgegentritt. Am besten wäre es, wenn sie diese gefährlichen Ruhestörer auf ein Schiff packte und außer Landes schickte, trotzdem dieselben Schooßkinder der Grande Nation sind. Neulich theilten wir („Globus" S. 157) das Memorandum mit, welches die japanische Regierung an die fremden Gesandten in Betreff der angeblichen Christenverfolgungen gerichtet hat. Dasselbe wirft Streiflichter auf die Umtriebe der Jefuiten und ihrer Werkzeuge und stellt den Sachverhalt klar. Die Jesuiten rächen sich durch Verbreitung von Lügen und Verleumdungen. Uns standen die Haare zu Berge, als wir Mitte März in einer gan zen Menge deutscher Blätter, die in der Völkerkunde mehr als armselig bewandert sind, einen Sensationsartikel fanden, dem der Kundige auf den ersten Blick ansah, daß er ein pures Fabrikat fei. Jwakura, derselbe ausgezeichnete Diplomat, welcher an der Spitze der großen japanischen Gesandtschaft steht und der auch nach Europa kommen wird, soll die Christen martern; er sei Präsi dent der Torturen; „dem Vernehmen nach" seien 2000 Leute zur Folter verurtheilt; er befehle, daß die armen Christen hau fenweise hingerichtet würden; ein erster Haufen von 67 sei be reits umgebracht worden, Kreuzigung und Sieden in heißem Oel seien nicht zur Anwendung gekommen; man gebe die armen Christen dem Hungertods Preis, sperre sie ohne Licht und Klei dung ein, setze sie nackt mit gebundenen Händen und Füßen auf zugefrorene Teiche, zwänge ihnen glühende Kohlen in den Mund re. Diesen verlogenen Unsinn druckten Hunderte von Blättern nach; das war ein Senjationsartikel! Wir kennen nun die trübe Quelle, aus welcher diese Lügen stammen; es ist die unter dem Einflüsse der Jesuitenmissionäre stehende „Nagasaki-Zeitung". Wir möchten unsere Leser bitten, den Aufsatz: „Culturbestre- bungen in Japan" („Globus" XXI, S. 156 ff.) wieder ein mal nachzulesen. Was wir hier mittheilen, vervollständigt un sere Angaben und giebt einen klaren Einblick in die Sachlage. Es freute uns, in der „Allgemeinen Zeitung" (26. März) eine so gediegene Auseinandersetzung aus der Feder eines Mannes (L. v. S., also wohl Herr v. Siebold) zu finden, der Land und Leute kennt und den Missionärschwindel, welcher so großen Unfug anrichtet, richtig kennzeichnet. Nachdem er betont, weshalb vor dritthalb hundert Jahren die Jesuiten und ihr Anhang wegen Hochverraths und Anstif tung von Bürgerkrieg aus Japan vertrieben wurden, schildert er die thatsächlichen Zustände der Gegenwart. „Die englischen und amerikanischen Missionäre sind von der japanischen Regierung ohne alles Mißtrauen zugelassen wor den und bekleiden gut bezahlte Stellen in den Schulen der euro päischen Wissenschaften und Künste. Obwohl sie manchmal Bibel und Gebetbücher zum Studium der englischen Sprache gebrauch ten, so hat die Regierung doch nicht im geringsten Ursache ge habt, sich über ihre Leistungen zu beklagen, da sie von dem Princip ausgehen, durch moralische Ueberzeugung und nicht durch politische Agitationen zu bekehren. Ganz anders sind Lie katho lischen, besonders die der Jesuitengesellschaft angehörigen, zu Werke gegangen. Heimlich in den Dörfern der Umgegend von Nagasaki, besonders in Uraiami und Jnassa, herumschleichend, haben sie die armen unwissenden Landleute und Arbeiter in Massen in Aufruhr und Bewegung gesetzt. Ihre Lehre war den hart arbeitenden Classen sehr willkommen. „Laßt euch taufen, und ihr seid frei, und unter der Protection Frank reichs seid ihr befreit von euren drückenden Lasten und Servituten; zerschlagt die Götzentempel eurer Vorväter und folgt uns, und ihr seid so mächtig wie die höchsten Regierungsbeamten." Nur zu gern folgten diefe unwissenden Leute solchen Verlockungen, und das Volk sammelte sich in Massen, warf die kaiserlichen Rentmei ster und Beamten aus den Dörfern hinaus und ver weigerte die Bezahlung der Steuern. Bald zog sich allerlei schlechtes Gesindel nach diesen Orten, welche die Asyle von Mördern und Verbrechern wurden, und die Regierung sah bald ein, daß, wenn nicht rasch energische Maßregeln getroffen würden, ein Bürgerkrieg im Anzuge sei. Die naheliegenden Dörfer wurden von den fogenannten Christen angegriffen und in wildem Fanatismus die Tempel und Ahnenhallen zerschlagen. Die Regierung des Mikado sah einige Zeit noch dem immer gefährlicher werdenden Treiben mit Geduld zu und versuchte durch Placate und Ordonnanzen die Ordnung und den Gehor sam vor dem Gesetze wieder herzustellen. Vergebens, die miß leiteten, unter dem Schutze der Missionäre und der Konsuln sich sicher wähnenden Unglücklichen behandelten mit offenem Hohn die Abgesandten der Regierung, die sie zu Ord nung und Gehorsam ermahnten. Da endlich riß die Geduld, und da man die französischenVertreter nicht bewegen konnte, die Missionäre, die gegen alle Verträge ihr gefähr liches Spiel trieben, wegzuschicken, so ergriff die japanische Regierung das einzige ihr übrig bleibende Mittel, die Aufrührer und Rebellen nach einer andern Provinz zu versetzen. Dies geschah, indem sie zur Auswanderung gezwungen und mit Dampf schiffen nach anderen Theilen des Landes transportirt wurden, unter dem Versprechen der Rückkehr in die Heimath im Falle der Besserung. Diese Leute, obwohl sic sich Christen nannten, hatten nicht die geringste Idee von den höheren Begriffen unserer Religion, kannten weder die Gebräuche noch die moralischen Principien derselben, und waren von dem einfältigsten Aber glauben beseelt, mit barbarischen Gebräuchen, unter denen die Gewohnheit, den Todten eine Anzahl Wunden und Nägel ein zuschlagen, weil Christus mit solchen gestorben war u. s. w. Da mals schickten auch die Jesuiten aus Nagasaki die schauderhafte sten Berichte an die fremden Gesandtschaften in Peddo, über laden mit Beschreibungen von Tortur und Grausamkeiten, welche sich sämmtlich als unwahr und übertrieben erwiesen. Die euro päische Presse erschallte auch damals von Verfolgungen der Chri sten in Japan; unter Anderm kam folgendes Telegramm über San Francisco nach Europa: „Sir Harry Parkes nimmt 300 Christen zur offenen See, um sie zu ersäufen." Sir Harry Parkes war der Name des damaligen englischen Gesandten in Peddo, und die Nachricht erregte kein geringes Erstaunen, bis sich herausstellte, daß es auch einen Dampfer gleichen Namens gab, der die Christen nach dem andern Theile der Insel trans- portirte — von Ersäufen war keine Rede, und bis jetzt ist noch keine einzige Hinrichtung eines Christen erwiesen worden. Mit den jetzigen Nachrichten verhält es sich eben so; sie sind nicht nur höchst übertrieben und unwahr, sondern geradezu lächerlich; da es in Nagasaki keine zugefrorenen Teiche giebt (cs liegt viel zu südlich), so hätte man erst Eis von Amerika bringen oder mittelst Eismaschinen Herstellen müssen, um die armen Menschen darauf zu fetzen. Daß die Jesuiten sich im fernen Osten einzunisten suchen, wo noch die Gutmüthigkeit und Beschränktheit der niederen Clas-