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als einen oder zwei Tage liegen, bis die Sonne ihn fort schmilzt, und ein üppiges Grün kleidet das ganze Land zu allen Jahreszeiten. Das Vieh findet stets hinreichende Nah rung im Freien. Im Herbste und Winter regnet es fast jeden Tag; zwischen April und November dagegen nie so viel, um das Einbringen der Ernten zu beeinträchtigen. Der jährliche Regenfall beträgt 40 bis 60 Zoll; im östlichen Oregon dagegen selten mehr als 14 Zoll im Jahre. Dort sind die Sommer heiß und im Winter herrscht daselbst eine intensive Kälte. Die Bodenconfiguration des Landes erklärt diesen auf fallenden Unterschied des Klimas in einander so nahe lie genden Gegenden. Der Gebirgszug des Cascade Range, der in einer Entfernung von etwa 100 Miles von der Küste hinläuft, hat eine Richtung von Süden nach Norden mit einer Bogenschwenkung nach Westen, und trifft unterm 60. Breitengrade an den Großen Ocean. Dieser Gebirgszug, der eine Durchschnittshöhe von Uber 7000 Fuß hat, bildet gleichsam einen Schild für die westlich von demselben liegen den Länder, — das westliche Oregon und die Gegenden um den Pugelsund. Die von Norden kommenden kalten und trockenen Winde treffen jenen Gebirgszug an seiner östlichen convexen Seite und werden von den Küstenländern fernge halten, während die mit Feuchtigkeit geschwängerten Süd westwinde am innern westlichen Abhange nordwärts geleitet werden. Ein feuchtwarmes und der Vegetation außerordent lich zusagendes Klima ist die Folge dieser Luftströmungen in den Küstenländern, wogegen die östlich vom Gebirgszuge gelegenen vom feuchten Luftstrome abgeschlossenen Plateaus ein üppiges Pflanzenleben nicht zu unterhalten vermögen. Die Hauptthäler des westlichen Oregon sind die des Willamette, des Umpqua und des Rogueflusses, unter denen das erstgenannte das bedeutendste ist. Diese Thäler liegen zwischen der Cascade Range und dem Küstengebirge (ooast rsuKs). Letzteres, das aus einer Reihe von dichtbewaldeten Hügeln und Bergkuppen besteht, die der Küstenlinie folgen, mitunter nahe an dieselbe herantretend, dann wieder in wei terer Entfernung davon hinlaufend, erhebt sich nur selten 3000 bis 3500 Fuß; der Gebirgszug der Cascade Range dagegen, die nordwestliche Fortsetzung der Sierra Nevada in Californien, hat eine mittlere Höhe von 7000 bis 8000 Fuß, mit vereinzelt sich auf ihr erhebenden Schneegipfeln, alle vulcanische Hebungen, die bis über 11,000 Fuß (eng lische) aufsteigen. Die bedeutendsten derselben sind in Reihe folge von Süden, nach neuesten Messungen, in Oregon: Three Sisters (9000 bis 10,000 Fuß), Mount Jefferson (10,200 Fuß), Mount Hood (11,225 Fuß); im Territo rium Washington: Mount St. Helens (9750 Fuß), Mount Rainier (12,360 Fuß), Mount Baker (11,400 Fuß). Das Willamettethal wird von dem Flusse, dessen Namen es führt, in seiner ganzen Länge (etwa 160 englische Mei len) von Süden nach Norden durchströmt. Durch den Quergebirgszug der Calapooyaberge wird dasselbe von den Thälern des Nord- und Süd-Umpqua geschieden; weiter südwärts trennt eine Reihe von niedrigeren Höhen, die kaum den Namen einer Bergkette verdienen, das Umpquagebirge, die Thäler des Umpqua von dem des Rogueflusses, welches letztere das. bedeutendere Siskiyongebirge von dem Thäle des Klamath in Californien scheidet. Der Willamette er gießt sich nordwärts in den Columbia, während die anderen genannten Flüsse alle einen westlichen Lauf nehmen und, die Coast Range durchbrechend, direct in den Ocean fallen. Alle diese Thäler besitzen einen außerordentlich frucht baren Boden. Besonders ist dies im Willamettethale der Fall, welches südlich von Oregon City eine Alluvialebene von 96 englischen Meilen Länge bei einer Breite von 20 bis 70 Meilen bildet, deren Productivität den ergiebigen Thälern Californiens in keiner Weise nachsteht. Die ersten Berichte von der ausnehmenden Fruchtbarkeit dieses Thales gaben die Veranlassung, daß Oregon bereits in den vierziger Jahren den Bewohnern der älteren Unionsstaaten bekannt wurde und eine starke Immigration hierherzog, welche erst in Folge der californischen Goldentdeckungen zeitweilig auf hörte und eine andere Richtung nahm. Die Bodenproducte aller dieser Thäler sind die eines gemäßigten Klimas. Alle Kornarten, mit Ausnahme von Mais, gedeihen vorzüglich, namentlich Weizen, der hier häufig einen Ertrag von 40 bis 50 Scheffel pro Acker bringt. Aepfel sind von beson derer Güte und bilden einen namhaften Ausfuhrartikel. Bir nen, Kirschen, Pflaumen, Aprikosen, Quitten, Pfirsiche so wie alle Arten von Gemüse sind von bester Qualität. Miß ernten sind im westlichen Oregon noch nie vorgekommen. Der Waldstand ist in den Thälern bedeutend und auf den Höhen und Gebirgen überaus üppig. In den Thälern wachsen Eichen, Eschen, Ellern, Myrthen- und Wacholder bäume, mit Nadelhölzern untermischt, während die Gebirge meistens mit letzteren bestanden sind. Fichten, Rothholz, Edeltannen, Föhren, Cedern, — alle diese Bäume erheben sich hier zu seltener Höhe und bilden dichte Forste. Bäume von 200 bis 300 Fuß Höhe und schlank aufgewachsen sind nichts Seltenes und haben oft Stämme von 14 bis 20 Fuß im Durchmesser. — Nach einem Aufenthalte von beinahe einer Woche sagte ich am 20. September Portland Lebewohl, um meine Rück reise überland nach San Francisco anzutreten. Ich konnte nicht umhin, an die Zeit vor sechs Jahren zutzückzudenken, als ich diese selbige Wegstrecke auf ganz verschiedene Weise zurücklegte*). Damals reiste ich ununterbrochen, eine volle Woche, in der Postkutsche von den Ufern des Willamette in Oregon nach denen des Judaskusses in Californien, — Tag und Nacht, als wäre ich ein Courier. November war es und cs regnete fast unausgesetzt und mit einer Heftigkeit, als ob eine zweite Sündfluth Hereinbrechen sollte. Die Wege waren beinahe grundlos; an Bequemlichkeit selbst der ge wöhnlichsten Art war nicht zu denken; die Einwohner, da zumal noch unverfälschte „Webfeet", schienen mir das lang weiligste Volk auf Gottes Erde; die Mahlzeiten, — ein wahrer Hohn auf die edle Kochkunst! — welche mir unter wegs aufgetischt wurden, hätten die Verdauungsorgane von Holzhackern in Verlegenheit gesetzt; schlafen mußte ich in der Stagekutsche, so gut es eben anging, — genug, es war eine Geschwindreise mit Verdruß, Strapazen und Unan nehmlichkeiten aller Art verbunden, wie ich noch wenige ge macht hatte. Diesmal reiste ich den halben Weg mit der Eisenbahn, ein Luxus, den man vor sechs Jahren hier zu Lande nur vom Hörensagen kannte; und obgleich mich süd lich vom Willamettethale wiederum die „Stagekutsche" mit ihren Schrecken erwartete, so beunruhigte mich doch die Aus sicht, ein paar Tage in jener alten Bekannten umherge- schüttelt zu werden, nicht im mindesten. Ich hatte näm lich beschlossen, mir auf dieser Reise gehörig Zeit zu nehmen und mich in allen bedeutenderen Ortschaften an der Route einige Tage aufzuhalten, um Land und Leute gut kennen zu lernen. Ein herrliches Wetter begünstigte den Beginn meiner Reise, so schön, wie ich cs mir nur hätte wünschen können; ein wahrer californischer Himmel lag über mir, tiefblau und sonnenklar. Sonderbarerweise hatte es in diesem Lande seit drei Monaten gar nicht geregnet. Anstatt Ursache zu haben, „Siebenhundert Meilen in der Stage". Deutsch-amerikanische Monatshefte. Juni- und Juliheft 1868.