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Heinrich v. Maltzan: Joseph Halevy's Reise in Arabien. 281 besondere Secte an, sondern ganz einfach als orthodoxe Schafei, nur vielleicht etwas strenger im Glauben. Das Verabscheuen des Tabacks ist gar kein sectirerisches Kennzeichen, denn das selbe findet sich auch bei fast allen Beduinen des Innern und des Südens von Arabien. Der Name „Wahabi" selbst ist durchaus kein specialisirender. Die Bewohner der Insel Dschcrba in Tunesien zum Beispiel heißen schon seit Jahr hunderten so, das heißt werden von ihren Feinden so ge schimpft, denn Niemand nennt sich selbst „Wahabi". Dieser angebliche „Protestantismus" des Islams ist in sehr fal schem und übertriebenem Lichte geschildert worden. Dieser Ansicht ist auch Guarmani, Reisender im Negd, jetzt fran zösischer Consul in Aden. Was die Araber, wenn sie den Ausdruck „Wahabi" gebrauchen, darunter verstehen, sind eben nur besonders strenge (wir würden sagen fanatische) Moslems, die namentlich den Kampf gegen Ungläubige, worunter sie auch heterodoxe Mohammedaner verstehen, in der Praxis aufrecht erhalten, und zwar durch alle Mittel, List, Meuchelmord, wie offenen Krieg, ähnlich wie einst der Alte vom Berge und seine Assassinen. Halsvy mußte jedoch diese Reise aufgeben, da ihn seine Instructionen zwangen, auch den obern Gof und den Mitt lern , mit dem er noch nicht fertig war, zum zweiten Mal zu erforschen. In der heißesten Jahreszeit reiste er südwest lich von Ncgran und kam nach acht Tagen in Zahir an, dem Hauptort des obern Gof. Von dieser Reise spricht er als sehr interessant in geographischer Beziehung. Nähere Notizen liegen mir aber darüber noch nicht vor. Der obere Gof hat nur schwache Reste seines alten Glanzes bewahrt. Ungeheure Ruinen bedecken den Boden, namentlich in der Nähe des Flusses Charid, der hier in seinem untern (nörd lichen) Laufe bereits eine ansehnliche Breite hat, aber die Zer störung ist viel größer, als im Mittlern Gof. Alles ist wüst durch einander gewürfelt. Inschriften zeigten sich wenige. Einmal fand Halsvy eineErztafel mit durchlöcherten Buch staben. Die Felswände des Gebel Silyam, der eine Vor terrasse des Gebel Jam bildet und den obern Gof im Süd westen begrenzt, sind zwar hier und da mit Inschriften be hauen , aber es war die gefährlichste Zeit zu Ausflügen in dieses Gebirge. Man war im August, der trockensten Jah reszeit, und Hungersnoth herrschte in vielen Beduincnlagern, so daß die Leute als Räuber das Land durchzogen, froh, wenn sie nur Lebensmittel bei den von ihnen ausgeplünder ten Reisenden fanden. Oft mußte Halsvy sein letztes Stück Brot diesen wilden Horden geben und dann selbst hungern. Die Trockenheit war fürchterlich; eine Menge Vieh war be reits gestorben, und überall im obern Gof herrschte die größte Noth. Von hier zog Halsvy, dem Flusse Charid aufwärts fol gend, wieder nach dem untern Gof, der weniger Regenman gel leidet und wo folglich keine solche Noth herrschte. Als er wieder in Ghail war, erzählten ihm die Juden von einer alten Stadt, Namens Beragisch, im Mittlern Gof, die noch vor 100 Jahren bewohnt gewesen sei. Man zeigte ihm sogar ein hebräisches Schriftstück, aus dem hervorging, daß noch vor drei Generationen Juden dort gewohnt hatten. Ein Jude unternahm es, mit ihm dorthin zu reisen, indem er glaubte, ein verdienstliches Werk zu thun, nämlich die Namen so vieler frommer Rabbiner, welche dort auf Grä bern verzeichnet sein mußten, der Vergessenheit zu entziehen. Von derartigen Denkmälern war indeß keine Spur. Es war vielmehr Jtul, die dritte Hauptstadt der Minäer, die der Reisende früher umsonst gesucht hatte. Hier fand er die großartigsten Ruinen und die reichste Ausbeute an Inschriften. Ganze Wände waren buchstäblich da mit bedeckt. Globus XXI. Nr. 18. (Mai 1872.) Dadurch war er nun wieder in den Mittlern Gof ge kommen. Diese seine zweite Anwesenheit erregte jedoch das Mißtrauen der Araber, die wieder an den „falschen Mes sias" denken mochten. Er entschloß sich deshalb, endlich nach Masib aufzubrechen, das von Hazm etwa drei Tage reisen in südöstlicher Richtung entfernt liegt. Da wenig Verbindung durch Karawanen zwischen diesen Gegenden existirt, so konnte er von Glück sagen, einen Araber zu fin den, der ihn bis eine Tagereise nördlich von Masib führen wollte, aber weiter um keinen Preis, weil sein Stamm mit Masib Blutfehde hatte. Der Weg ging durch eine völlig öde Gegend. Am ersten Tage erreichten sie Raghw an, eine ganz moderne Stadt, die sie aber nicht betreten durften, weil auch hier der Führer im Blutbann war. Am zweiten entdeckte Halsvy eine neue großartige Ruinenstadt, Cha- ribet Sud genannt, wo jedoch der Führer dem Reisenden nicht gestattete, die Inschriften alle zu copiren, und in wilde Verwünschungen ausbrach. Endlich kamen sie nach Fatiya, Dorf der Beni Schiddad, Heimath des Führers. Eine Tage reise östlich von hier liegen die berühmten Salzminen, dem Stamm der Abida gehörig, die auch zwischen Fatiya und Masib wohnen, mit deren Bewohnern, allen beiden Stäm men, sie in Feindschaft sind, obwohl diese beiden unter ein ander Feindschaft haben, ein nicht selten vorkommender Fall in Arabien. Zur Zeit herrschte offener Krieg zwischen den Abida und dem Scheich von Masib, weil letzterer, die Ober,. Hoheit über die Salzminen in Anspruch nehmend, versucht hatte, bei denselben ein Steueramt zu errichten, und auch alle durch sein Gebiet kommenden Salzkarawanen schwer besteuerte. Mitten durch diese unruhige Gegend mußte sich unser Reisender ganz allein durchschlagen. Die Beni Schiddad selbst, bei denen er einige Tage in Fatiya blieb und die Ar naud so unvortheilhaft geschildert hat, fand er ganz das Ge gentheil hiervon. Männer und Frauen wetteiferten in Zu vorkommenheit gegen ihn. Halsvy sagt: „Sie hatten so gar gewisse zarte Rücksichten bei Ausübung ihrer Gastfreund schaft, welche mich im höchsten Grade gerührt haben, und an die ich stets mit Dankbarkeit zurückdenken werde." Dahin war aber keiner von ihnen zu bringen, ihn bis in das Ge biet ihrer Todfeinde, der Abida, zn begleiten. Sie gaben ihm jedoch das Geleit bis an die Grenze des Stammesgcbietes. Hier ließen'sie den Reisenden allein, nachdem sie ihm den Weg und als Orientirungszeichen einen alten Thurm gezeigt hatten, der in der Ferne sichtbar war. In diesem Thurme fand Halsvy einen finstern Gesellen, den der Scheich von Masib hierher geschickt hatte, um die Abida auszuspioniren. Dieser Mensch fing damit an, dem Reisenden Geld und Geldeswerth zu nehmen, und befahl ihm dann, schnell den Thurm zu verlassen. Er hatte jedoch die Gnade, ihm seinen Sohn mitzugeben, der ihn auf den Weg nach Hizma, Ort der Abida, brachte, wo er mitten in der Nacht und, Dank der Dunkelheit, ungefährdet ankam. Von hier sind nur noch drei Stunden nach Masib, wohin der Reisende sich am nächsten Morgen durch das Thal des Wadi Schibwan oder Dsana aufmachte. Die Abida schenkten ihm keine Aufmerksamkeit, und so kam er glücklich vor die Thore von Masib. Da er den mißtrauischen Cha rakter der Bewohner von Masib kannte, so besuchte er die in der Nähe gelegene Ruinenstadt Med in et en Nehas (d. h. Stadt von Erz, wegen der hier oft gefundenen Bronze tafeln mit Inschriften) vor seinem Eintritt in die Stadt, und er that wohl daran, denn kaum hatte man ihn dort ge sehen, als er auch keinen Schritt mehr unbeachtet thun konnte. Er fand die Ruinenstadt jedoch unbedeutend, und außer den von Arnaud copirten Inschriften, die er wieder aufnahm, 86