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Ein Mordprophet bei dm argentinischen Gauchos. 267 Unter solchen Leuten ist der Mordprophet Solares aufgetreten. In der Provinz Buenos Ayres liegt südlich vom Salado die kleine Stadt Tandil. Sie wurde erst im Jahre 1828 gegründet neben einem Fort, welches man in demselben Jahre zum Schutze gegen die Indianer erbauete. Nach und nach ist sie angewachsen, erhielt eine Anzahl Bewohner, welche bürgerliche Gewerbe treiben, namentlich Basken und Englän der, auch hat sie große Viehschlächtereien, Saladeros, in wel chen vorzugsweise baskische Einwanderer beschäftigt sind. Wir sagten weiter oben, daß der Gaucho sehr abergläu bisch sei. Die Geistlichkeit hat nie etwas gethan, um seinem Denken eine höhere und bessere Richtung zu geben, und von Erziehung ist bei ihm keine Rede. Seit Jahren tritt unter den besseren Creolen überall in Süd- und Centralamerika das Bestreben hervor, den Volksunterricht zu verallgemeinern, sie finden aber in dem Clerus der päpstlichen Kirche erbit terte Gegner. In allen Berichten wird über den Hochmuth, die Unwissenheit und den Fanatismus desselben geklagt; er hetzt das Volk, insbesondere die Mädchen und Frauen, gegen alle Ausländer ohne Ausnahme auf; diese gelten ihm insgesammt für Ketzer und Freimaurer, auch die gut katho lischen Italiener und Basken werden als Feinde des Glau bens und der heiligen Kirche verschrien. Keine Woche ver geht, ohne daß da oder dort widerwärtige Auftritte sich er eignen, welche man den Geistlichen zur Last legt; der Clerus insgesammt wird deshalb von der südamerikanischen Presse auf das Schärfste beurtheilt. Auch die Mordauftritte in Tandil werden indirect auf seine Rechnung geschrieben, weil der Anstifter durch Geistliche fanatisirt worden sei. Nachdem unsere Leser den Charakter der Gauchos ken nen, wird ihnen das, was wir jetzt zu berichten haben, ver ständlich sein. Ein kupferfarbiger Mischling aus Bolivia oder Chile, Namens Solares, war vor etlichen Jahren nach Argen tinien gekommen und hatte sich einige Zeit in der Provinz Entre Rios aufgehalten. Dort spielte er den Propheten, welchen Gott der Herr gesandt habe, um die Zukunft zu ver künden. Er sagte voraus, wann der oder jener Mann sterben würde, trieb sich unter der Landbevölkerung umher und rief allerlei Verwirrung hervor. Die Behörden ließen ihn an einen Pfahl binden, auspeitschen und verwiesen ihn des Lan des. Er ging dann zuerst nach Rosario und weiter nach Azul; in diesem letztem Orte, welcher zur Provinz Buenos Ayres gehört, trat er als Wunderdoctor auf. Er spielte eine Art von Jesus und behauptete, Blinden durch bloße Handberührung das Augenlicht wiedergeben zu können. Der Friedensrichter ließ ihn einsperren, weil er einen Auflauf veranlaßt habe, gab ihn aber wieder frei. Die Gauchos sahen in dem Wundermanne einen unschuldigen Märtyrer, und sein Ruf verbreitete sich weit und breit in der Cam pana. Ein reicher Estanciero, Ramon Gomez, dessen Land gut etwa drei deutsche Meilen von Tandil entfernt liegt, berief den heiligen Mann, damit durch dessen Segen seine kinderlose Frau Leibessprößlinge erhalte. Gomez bekleidete ein Ehrenamt in der Campana und war mit dem Friedensrichter von Tandil verschwägert. Als nun die Gauchos sahen, daß Solares bei einem so ange sehenen Manne gastlich ausgenommen wurde, stieg sein An sehen, und er selber trat immer dreister auf. „Ich bin Erlöser der Menschheit und Gottes Abgesandter!" »N vvvall')-; und I sNoMd twuk n villkNvus, b-mäitti like army ^vss never betöre eollectect tvMtber. 7öe Areater number ok men xvere »c » mixed dreed, betxveen Xv- gro, IiiäiiM mä Lpdlliarä. I Irno^v iwt bbe reüsvn, but men et suvb vrigin setäom bave a Zvvd expressiv» ok cou»te»L»cö." So verkündete er dem Volke, das in Schaaren herbeiströmte. Die Gauchos kamen als Wallfahrer aus weiter Entfernung und .traten ehrfurchtsvoll vor den Wundermann hin. An manchen Tagen sind mehr als 500 Reiter auf der Estancia des Gomez erschienen, und unzählige mit Ochsen bespannte Karren, deren Insassen, Frauen und Kinder, sich gleich ihren Männern Prophezeiungen und Segen holen wollten. Die Hütte des heiligen Mannes bestand aus zwei Zim mern. In dem einen wohnte er, das andere hatte er in eine Art von Capelle umgewandelt, an deren Wänden viele Heiligenbilder zu sehen waren. Hier empfing er die gläu bigen Pilger, von denen er sich kein Geld in die Hand geben ließ; er sprach: „Spendet Eure Opfergaben den Heiligen und der Gottesmutter Maria." Bald hieß er allgemein nur Tata Dios, Mann Got-. tes. Das Volk kniete vor ihm, küßte ihm die Hände, betete vor ihm, wie vor einem Jesus- oder Heiligenbilde, und horchte seinen Predigten. In diesen eiferte er gegen die Ausländer, welche er als Feinde der heiligen katholischen Kirche, Gegner Gottes und Freimaurer schilderte. Am Abend vor Neujahr 1872 berief er seine „Jünger" und sprach: „Jetzt ist die Stunde gekommen; wir müssen die Frei maurer todtschlagen, mit den Beamten ein Ende machen und die Gefängnisse öffnen, damit wir die Freunde befreien, welche uns helfen werden. Und wenn Ihr Eure Sendung erfüllt habt, dann wird der Schaukelstein in Tandil von selber zu sammenstürzen, und unter demselben werdet Ihr eine große Stadt finden. Wenn Ihr thut, was ich Euch heiße, sehet, dann wird Gott Euern frommen Eifer reichlich belohnen, so Ihr es aber nicht thut, wird ein entsetzliches Strafgericht Hereinbrechen über Euch und Euere Kinder." Die Versammlung rief ihm Beifall zu. Am Neujahrs morgen, noch vor Sonnenaufgang, schaarten sich etwa 50 Gauchos um das weiße Banner des Propheten und zogen auf Mord aus gen Tandil. Hier wurden die Bewohner durch Trommelschlag allarmirt; sie glaubten, daß Banditen einen Ueberfall gewagt hätten. Bald sahen sie zu ihrem Schrecken, daß Solares mit seinen Spießgesellen, die sämmt- lich beritten waren, sich auf der Plaza aufstellte; die Thüren des Gefängnisses waren schon erbrochen worden. Die Gauchos hieben einen Italiener, der über den Markt platz ging, sofort nieder. Einige sprengten in die Vorstadt, trafen dort auf elf Basken, von denen sie acht tödteten; die drei anderen blieben schwer verwundet für todt liegen. An dere stürmten in den Laden eines Herrn Banuz; sie ermor deten ihn und seinen Gehülfen. Das Gleiche geschah dem englischen Kaufmanne Thompson und dessen Lehrling; sie zerrten auch des Mannes Frau aus ihrem Versteck und hieben sie in Stücke, Alles unter dem Geheul: „Tod den Freimaurern!" Von Thompson stürmten sie zu dem Hause des Franzosen Chappard, den sie nebst Frau und vier Kin dern förmlich abschlachteten; ähnlich verfuhren sie auch mit den im Hause beschäftigten Arbeitern, so daß dort im Gan zen 18 Menschen ums Leben gebracht wurden; ein zweijäh riges Kind wurde mit Messerstichen vom Kopse bis zu den Füßen völlig durchbohrt. Inzwischen hatten sich die überraschten und überrumpel ten Männer von Tandil besonnen; sie nahmen ihre Wassen, stiegen zu Pferde, bildeten eine Schaar und verfolgten die nun flüchtig gewordenen Jünger des Gottesmannes. Nach hartem Ritt holten sie die Bande um vier Uhr Nachmittags ein; sie hatte sich bei Chapar gelagert, um Mats zu trinken und die Pferde zu wechseln. Der Gottesmann schickte einen Parlamentär, aber der Commandant von Tandil erklärte: „Ergebt Euch unbedingt, oder wir schießen Euch Alle nie-