Volltext Seite (XML)
Heinrich v. Maltzan: Joseph Halovy's Reise in Arabien. 263 Joseph Halevy^s Reise in Arabien. Von Heinrich Freihcrrn von MalHan. II. Mit einem Juden aus Nehm, den Halsvy als Führer gemiethet hatte, verließ er am 20. Februar 1870 Sana, um auf die Entdeckung des östlichen Demen auszu gehen. Unterwegs begegnete er so vielen Arabern, die ihn beständig abzusteigen zwangen, daß er sich entschloß, lieber fortan zu Fuße zu gehen. Anfangs ward ihm dies schwer, bald aber gewöhnte er sich daran. In drei Tagen gelangte er über Roda, Zubairat und Rahaba nach Schiraa, im Lande der Beni Arhab. Dies ist die östlichste auf Nie- buhr's Karte angegebene Stadt. Dieser Ort wird jedoch von Niebuhr fälschlich als im Gebiete von Nehm gelegen genannt, während dies erst weiter nördlich anfängt. Hier ging es dem Reisenden schlecht. Der Scheich des Ortes hielt ihn nämlich für einen berüchtigten Menschen, einen Juden, der seit einiger Zeit in Demen herumzieht, sich für den Messias ausgiebt und vor dem die Moslems eine lächer liche Furcht haben. Man fing damit an, ihn einzusperren. Acht Tage lang blieb er nun als vermeintlicher Messias bei Wasser und Brot im Gefängniß, bis einige Juden aus Sana kamen, die betheuerten, daß er nicht jener falsche Prophet sei, worauf ihn der Scheich freigab. Dadurch war nun aber die öffentliche Neugier auf ihn gelenkt worden, so daß er jetzt von den Zudringlichkeiten der Araber viel zu leiden hatte. In der Nähe von Schiraa fand er die Quellen eines nach Osten fließenden Flusses in einer schönen, fruchtbaren Hochebene. Zwei der Quellen waren warm. Den Fluß sollte er später noch öfters antreffen. Von Schiraa ging er nördlich nach Medid, das im Gebiete von Nehm liegt, und wandte sich dann nach dem eigentlichen Gof. Der Landstrich, welcher Nehm vom Gof trennt, ist sehr gebirgig und unwirthsam. Da hier viele Räuber Hausen, so war es schwer, einen Führer zu bekommen. Wegen der bevorstehenden Ostern wollte ihn kein Jude begleiten. Er mußte sich daher einem Araber anvertrauen, dessen Ruf leider ein schlechter war. Dennoch imponirte diesem rohen Men schen Halsvy's Eigenschaft als Kudfi und Gelehrter, d. h. nach Begriffen dieser Halbbarbarcn so viel als Zauberer. Nach drei Stunden erreichten sie ein Dorf von schwarzen Zelten. Das Nachtlager wollten sie jedoch in einer Hirten- HUtte einige Stunden weiter aufschlagen, deren Eigenthümer der Führer kannte. Dieser nahm sic aber nicht auf, „weil die Kühe trächtig waren und der Kudfi nothwendig den bösen Blick haben müsse, in Folge dessen Fehlgeburten ein treten würden." Also zurück zum Dorfe. Auch dort nahm man sie nicht auf und sie übernachteten auf der Straße. Auf diesem Wege sah übrigens Halsvy etwas sehr In teressantes. Nämlich eine Anzahl zerstörter Häuser aus himyarischer, d. h. richtiger sabäischer Zeit. Die Araber nennen sie Adiyat, d. h. von den Aditen herrührend. Die sem Volke schreiben sie alle jene Ruinen zu, welche aus der alten sabäischen Cutturepoche stammen, und die so merkwür dig Vortheilhaft gegen die elenden Machwerke der Moham medaner abstechen. Aber weit entfernt, hierin eine Ursache zu sehen, auf ihre heidnischen Vorfahren stolz zu sein, er blicken die Moslems in jenen vollkommeneren Bauwerken nur ein Zeichen des Stolzes und der Ueberhebung, eben so .verwerflich, wie der Thurmbau von Babel. Auch halten sie es für die tödtlichste Beleidigung, wenn man sie fragt, ob sie von Ad, Saba oder Himyar, den wahren Geschlechts vätern der Südaraber, abstammen. Mit dem Koran haben sie den Wahn überkommen, daß sie von Ismael, Sohn Abra- ham's, stammen, was doch allenfalls nur von den Nord arabern gelten kann. Wissenschaftlich ist freilich die ganze Genealogie Jsmael's nicht stichhaltig. Merkwürdig ist, daß der Name „Himyarite" *) jetzt das ärgste Schimpfwort ge worden ist und sogar mit dem andern Schimpfwort „Jude" verbunden wird. Ein „Hahudi Himyari" (himyaritifcher Jude) ist das höchste Opprobrium, das mau einem Menschen in Worten anthun kann. Dies ist übrigens vielleicht eine historische Reminiscenz, denn ein alter König von Demen war ja wirklich Jude geworden und hatte theilweise sein Volk bekehrt. Von Charibet Beran, so heißt ein altes sabäisches Schloß bei dem schwarzen Zeltdorfe, ging der Weg zusehends aufwärts über völlig kahle, spitze, steinige Berge. Dies war der östliche Abhang des großen Gebel Dam, welcher West- Demen vom Gof trennt. Eine enge Schlucht, von senk rechten Felswänden umgeben (alles Granit), öffnet sich hier auf das Tiefland. Mitten in dieser Einöde, auf einer Fels wand, fand Halsvy eine kunstvoll gemeißelte himyaritische Inschrift. In dieser Felsschlucht drohte dem Reisenden eine große Gefahr. Sein Führer kam Plötzlich athemlos und todten- blaß auf ihn zugelaufen. Er gewahrte bald die Ursache seines Schreckens. Ein zahlreicher Reitertrupp, lauter mar tialische Gestalten auf schönen Pferden**), alle mit Lunten flinten bewaffnet und die schon angezündete Lunte in der Rechten, bewegte sich raschen Trittes auf die Beiden zu. Nach der Form ihres Turbans erkannte sie der Führer als Sche- rife aus dem obern Gof und zwar als Feinde seines Stam mes. Er fürchtete deshalb den Raub seines Kameels. Um ihm Muth einzuflößen, nahm Halsvy seine Zuflucht zum Aberglauben. Er zog einen Papierstreifen aus seinem Len dentuch hervor (er trug stets solche kleine Streisen bei sich, um die Inschriften ungenirter copiren zu können), auf dem einige Buchstaben mit Bleistift geschrieben waren, und gab ihn dem Araber als Talisman. Diesen solle er in der Hand behalten, sich aber dabei hinter dem Felsen verstecken, so werde ihm nichts geschehen. Halsvy versteckte sich auch und so ging die Gefahr vorüber. Der Führer aber schrieb seine Rettung nicht dem Versteck, sondern dem Talisman zu, und *) So berichtet Halsvy aus Central-Demen. Seine Aussage bezieht sich, denke ich, nur auf die rohen, ungebildeten Leute. Daß es aber in Süd-Demen und unter den Gebildeten Männer giebt, welche vollkommen mit Sackkenntniß und Achtung von den alten Himyaren sprechen und sich ihrer durchaus nicht als Vorfahren schä men, kann ich aus eigener Erfahrung bezeugen. Ich kannte in La- heg einen Gelehrten, der stolz darauf war, von den Himyaren abzu stammen und sich Lessen offen rühmte. **) Pferde sind im Ganzen in Südarabien selten, das kein Pferde land im eigentlichen Sinne ist. Der Umstand, daß Halsvy am Eingänge des Gof eine gewisse Anzahl schöner Pferde sah, bestätigt eine mir von einem Mitgliedc der Du Hosain, die im Gof wohnen, gemachte Mittheilung, wonach sein Stamm 3000 Pferde besitzen soll. Der Gof scheint also in dieser Beziehung eine Ausnahme vom übrigen Demen zu bilden.