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Leo Van der Kindere: Betrachtungen über die Ethnologie Frankreichs. 26l Händen. Unter diesen ist jene des vierköpfigen Gottes auf Besuch des Königs von Bassac bei den Europäern. acht Arme jetzt zumeist ver stümmelt sind, tragt vier zusammenhängende Gesich ter, welche auf dem Kopfe eine Art von Diadem oder Helm tragen; sie stehen recht winkelig, ein jeder ähnelt dem andern, und sie ideali- siren einen Typus, den man noch jetzt dann und wann in Laos und Kambodscha antrifft. Der Kopf ist jener eines jungen Mannes, die Nase ein wenig gebogen, die Stirn gerade, der Mund fein geschnitten, die Augen sind leicht geschlitzt, aber doch offen, auf der Oberlippe ist ein feiner Schnauzbart, der ganze Ausdruck ist edel Und stolz. Bassac hat ein ähnli ches Meisterwerk, einen vom Rumpf abgelösten Kopf, der sorgfältig in einer Pagode aufbewahrt wird. Er ist ein Buddha von der Art, wie die Laos ihn sich vorstcllcn; er blickt mit Güte, mit väter lichem Wohlwollen, aber da bei doch mit einer gewissen Majestät auf die Gläubigen, welche von weit und breit Herkommen, um ihn zu ver ehren. buhler zu fürchten. Die un zähligen Basreliefs sind un gemein mannichfaltig, durch aus lebenswahr und stellen mit großer Natürlichkeit alle möglichen Gegenstände dar, aus dem Leben im Frieden und im Kriege, aus Himmel und Hölle, aus dem häus lichen Leben, und dann auch Triumphzüge. Ganz vor trefflich verstanden es die Arbeiter, das Gestein zu benutzen zur Darstellung von Blumen, Bögeln und aller lei Arabesken, und die Aus führung läßt an Feinheit und Zartheit nichts zu wün schen übrig. In Darstel- lnng der menschlichen Gestalt haben sie es allerdings nicht bis zu demselben Grade der Vollendung gebracht; die selbe läßt viel zu wünschen übrig. Es fehlten ihnen anatomische Kenntnisse; die Köpfe sind manchmal recht hübsch, aber Leib und Glie der lassen weder Muskeln noch Adern sehen, Hände und" Füße sind durchgängig mangelhaft und, seltsamer weise, alle Finger gleich lang. Doch sind auch einige bes ser gearbeitete Statuen vor- Khmers waren vollendete Meister in der Sculptur von Or- ! l, namenten und sie brauchten in dieser Beziehung keine Neben- dem Berge Krom bei Angkor hauptsächlich bemerkenswerth. Ein vierfacher Rumpf, dessen Betrachtungen über die Ethnologie Frankreichs. Von Leo Van der Kindere. II. Es würde zu weit führen, hier speciell nachzuweisen, wie hartnäckig sich die südlichen Provinzen gegen die Ein verleibung in Nordfrankreich gewehrt haben. Der Albigenser krieg ist nur ein Act in diesem großen Drama. Mehr als einmal träumte einer der mächtigen Großen davon, für sich aus Languedoc ein unabhängiges Königreich zu bilden. Das war z. B. die Absicht des Bischofs Bernhard de Saisset im Anfänge des vierzehnten Jahrhunderts; er wußte, daß ihm die Sympathien aller Männer des Südens gehörten, welche die französische Sprache allezeit als eine feindliche betrachteten (guas inimivatur linguas nostras al) antiguo, Dupn^, äiösrsnä. x. 643 in Michelet: Uistoirs äs Uranos, bome V). Die Vergangenheit interessirt uns weniger als die Ge genwart. Noch heutzutage kommen in jenem Lande, welches man als das am einheitlichsten constituirte Europas anzu sehen gewohnt ist, sehr lebhafte Bestrebungen jener Art vor. Es muß, sagt der Urmana provsntzun äs 1867, assst» noskro Urouvsnoo äins sa oounsoisnsi äs naoioun (daß das Nationalbewußtsein unseres provenxalischen Landes sich hebe). Das Haupt dieser Bewegung ist der gefeierte Dichter Mistral. Er schildert in seinem glänzenden Gedichte „Ca- lendau" die Proventze als eine schöne, durch verhaßte Heirath an einen Barbaren gefesselte Fürstin; glücklicherweise er scheint Calendau, die Personificativn des proventzalischen Volkes, um sie der Unterdrückung der aus dem Norden ge kommenen „Schergen und lüderlichen Dirnen" zu entreißen, und, Dank seinem Heldenmuth, gelingt es ihm, sie zu be freien. Die dem Gedichte beigegebenen Anmerkungen sind, wo möglich, noch deutlicher als dessen durchsichtige Allegorie.