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Staaten kostet, nach der Provinz zu kommen. In Rio Grande angelangt, werden sie verpflegt und auf Kosten der Regierung nach Porto Alegre befördert, wo sie noch fünf Tage Verpfle gung erhalten, dann aber, gänzlich frei und ohne irgend eine Verpflichtung zur Rückzahlung der erhaltenen Vorschüsse, sich selbst überlassen bleiben. Für ihr Unterkommen ist gesorgt, da die Regierung schon seit langen Jahren in ihren Colonien das System des kleinen Grundbesitzes eingeführt und hiermit zur Nachahmung von Seiten der Privatgrundbesitzer Veranlassung gegeben hat. Der Einwanderer kann also nicht nur Regierungs colonien, sondern auch Privatcolonien zu seiner Niederlassung wählen. In beiden Fällen erhält er auf Vorschuß Transport mittel nach der Colonie, es wird ihm Land auf Ziel verkauft <300 Morgen im Durchschnittspreise zu 400 bis 450 Milreis) und die existirenden Geschäftshäuser gewähren ihm den nöthigen Credit während der ersten, gewöhnlich etwas schweren Zeit. Die Regierungscolonien sind nicht sehr bedeutend, dahingegen giebt es aber sehr viel und sehr gut gelegenes Privatland, welches die Eigenthümer, in Colonieplätze abgetheilt, gern in obiger Weise verwerthen. Es ist dieses das einzige ver nünftige System sür die Südprovinzen und sollte in ihnen ausschließlich adoptirt werden, wie denselben auch die europäische und speciell die deutsche Auswanderung ebenfalls ausschließlich zugesührt werden sollte. Für den brasilianischen Norden taugt der euro päische Nordländer nicht; das Klima ist seiner Gesundheit nicht zuträglich und läßt seine Arbeitskraft erschlaffen, es ent- muthigt ihn und nimmt ihm die Lust am Leben und am Er werb. Die Art des tropischen Ackerbaues ist ihm unbekannt, wie die Früchte desselben es ebenfalls sind; die Nahrung ent spricht seinen Gewohnheiten und Anforderungen nicht und er fühlt sich mithin deplacirt und unglücklich. Nun ist aber der Nordeuropäer allein geeignet, Erfolge im Ackerbau in fremden Landen zu erzielen, denn die südlichen Völker haben weder seinen Wandertrieb, noch seine Ausdauer und seinen Sparsinn. Wir möchten hierbei höchstens die Gallegos Spaniens und die Portugiesen von den Canarischen Inseln ausnehmen, die das Zeug zu ausgezeichneten Colonisten haben und denen auch das Klima Centralbrasiliens (Rio, Minas, Espirito Santo) zusagen würde. Für den hohen Norden aber, von Bahia aus wärts bis zum Amazonenstrom, dienen weder europäische Nord länder, noch Gallegos und Jlhcos. Es würde ein großer und schwer zu beklagender Mißgriff sein, wenn die Regierung für die Nordprovinzen auf europäische Einwanderer rechnen wollte; sie würde damit keine Ersolge fürs Land erzielen und nur der Auswanderung nach Brasilien im Allgemeinen schaden, denn das schlimme Schicksal der dort angesiedelten Colonisten würde drüben in Europa als Maßstab für ganz Brasilien genommen werden. Nun werden aber gerade die Nordprovinzen am härtesten von der Sklaveneman- cipation betroffen, und es muß deshalb eine Aushülfe gefunden werden. Wir haben diese Frage in letzterer Zeit hin und her er wogen und sind schließlich zu der Ueberzeugung gelangt, daß, trotz unseres früher schon betonten Vorurtheils gegen die Race, für dort der asiatische Arbeiter der einzig verwend bare ist. In gleichem Sinne hat sich in letzterer Zeit der namhafte Gelehrte Dr. Karl Andree im „Globus" aus gesprochen, und nach reiflicher Ueberlegung mußten wir ihm Recht geben, wenngleich die charakteristischen Eigen schaften der Race theilweise nicht die besten sind. Auch würde eine starke Kulieinwanderung das ohnehin schon stark gemischte Blut noch mit einem neuen Elemente vermehren, welches zur Veredlung desselben nicht beitragen möchte. Doch das sind eben Rücksichten, die vor der dringenden Nothwendigkeit ver schwinden, mit der die Arbeiterfrage an die Nordprovinzen herantritt. Der Kuli ist ein tüchtiger, thätiger, sparsamer und geschickter Arbeiter, der vor dem Neger viele Vorzüge voraus hat. Nur darf man unter keiner Bedingung daran denken, Kulis in der Weise zu erhalten, wie dieselben nach den engli- ! schen Besitzungen gebracht werden, d. h. als wahrhafte Sklaven*). Contracte, wie der in Rio abgeschlossene und dessen Agentur dem Redacteur dieses Blattes vor einiger Zeit seltsamerweise angetragen wurde, sind durchaus unzulässig, und keine Regie rung , die sich selbst achten will, darf sie abschließen. Der Kuli darf nicht gekauft, nicht als zeitweiliger Sklave „importirt" wer den; er muß als freier Arbeiter kommen, gerade so wie die europäischen Colonisten. Man möge Agenten nach China schicken und den asiatischen Arbeitern freie Fahrt bieten lassen, ohne daß ihnen hierfür die geringste Verpflichtung obliege. In Brasilien angekommen, müssen dieselben vollständig frei, gänzlich ihre eigenen Herren sein und sich nach ihrem Belieben verdingen können. Dann werden sie Lust zur Arbeit haben und bei ihrem sehr entwickelten Sparsinne und ihrer Nüchternheit es bald zu etwas bringen; verkauft man sie aber nach Brasilien als halbe Sklaven, fesselt man sie an die Bedin gungen eines Contractes, der sie ihrer persönlichen Freiheit be raubt, so wird man an ihnen höchstens ein bedeutendes Con- tingent für die öffentlichen Cadeas erwerben und die Sklaverei in einer neuen und noch rechtlosern Form aufwärmen. Die von der Regierung bedingungslos unterstützte freie Einwande rung von Kulis ist also, unserer Meinung nach, die einzig pas sende Lösung der gegenwärtigen Arbeitsfrage für die Nordpro vinzen, wohin keine Europäer passen, mögen sie aus dem Norden oder aus dem Süden sein. Für Centralbrasilien würden dahingegen Gallegos und Jlheos zu empfehlen sein, während der Süden ausschließlich für die Einwanderung aus dem Norden Europas und besonders sür die deutsche reservirt werden muß, und zwar mit allge meiner Annahme des Systems des kleines Grundbesitzes, welches in unserer Provinz so treffliche Resultate gegeben hat. Sollte Brasilien sich zur Annahme dieser Grundsätze sür die Einwan derung entschließen, so möchte die Emancipationssrage ohne größere wirthschaftliche Commotionen vorübergehen. Fährt man aber fort, beengende und in ihrer Art gefährliche Contracte ab zuschließen, Deutsche nach dem hohen Norden und womöglich Kulis nach Rio Grande zu bringen, so schüttet man einfach das Kind mit dem Bade aus und wird nichts erreichen." Das Metcoreiscn in Grönland. Der Bremer Verein für die Polarfahrten hält fleißig Sitzungen; über seine Thätigkeit berichtet er in den Protokol len, welche allemal rasch veröffentlicht werden. Jenem über die 24. Versammlung ist auch ein Bericht des Herrn Dr. Börgen über Nordenskjöld's Schrift: „Reise nach Westgrönland im Jahre 1870" beigesügt. In demselben finden wir Mittheilun- gen über den vielbesprochenen Fund von Meteoreisen, der Veranlassung zu einer neuen Reise gab, welche 1871 von einer gemischten dänisch-schwedischen Commission nach Grönland unter nommen wurde, um das werthvolle Sliick nach Europa zu bringen. „Es war bekannt, daß schon früher zwischen dem Ballast eines Schiffes Meteoreisen nach Europa gekommen war, und zwar von der Fortunebai nahe bei Godhavn auf der Insel Disco, aber ein Ausflug dorthin hatte keinen Erfolg. Nach der Rückkehr nach Godhavn am 30. August meldeten die Eingebo renen, welche inzwischen, erhaltenem Auftrage gemäß, die Küste abgesucht hatten, daß bei Ovifak, einige Meilen weiter, einer der am schwersten zugänglichen Buchten an der grönländischen Küste, weil sie südlichen Winden ganz offen ist, einige große Blöcke Meteoreisen lägen, von denen sie Proben vorlegten. Durch *) Diese Behauptung ist fatsch; in den englischen Kolonien stehen sowohl die chinesischen wie Lie indischen Kulis unter Recht und Gesetz; man muß ihnen die Contracte halten, und in jedem Jahre fahren, nach Ablauf derselben, Hunderte in ihre Heimath zu rück, alle mit einem mehr oder weniger beträchtlichen Vermögen an Geld und anderer Habe. Wir haben im „Globus" dafür seit Jah ren eine Menge von amtlich beglaubigten Angaben mitgethcilt. A.