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Wenn es sich aber um Entdeckung einer tsrra inoo§- vita handelt, so finden wir in den letzten 40 Jahren nur äußerst wenige, die uns eine solche in Arabien geoffenbart haben. Von diesen haben Wrede und Arnaud in Bezug auf räumliche Ausdehnung noch die wichtigsten Entdeckungen gemacht. Außerdem mässen wir Botta (den Besteiger des- Geber Sabber), Ehrenberg, und in neuester Zeit Mun zinger und Miles (1870) als die Entdecker jungfräu licher, aber im Flächeninhalt sehr beschränkter Gebiete rüh- men. Sehen wir dagegen das bisher jedem Europäer un bekannte, von Keinem betretene Gebiet, ein großes und im- Ponirendes Gebiet, welches von Allen zuerst und bis jetzt allein Halsvy betreten hat, von dem er uns wichtige und in höchstem Grade interessante Beschreibungen giebt, und wir müssen staunen, staunen über die Masse des uns bisher Unbekannten, das uns nun mit einem Schlage geoffenbart wird, staunen über den außerordentlichen Unternehmungs geist, den Muth, die List und Schlauheit dieses Reisenden, der in Verkleidung und mit unsäglicher Selbstverleugnung ein Land bereist hat, in welchem nie (absolut niemals) der Schritt eines Europäers verhallte und in welchem die An wesenheit eines solchen allein schon als ein todeswürdiges Verbrechen gilt. Nach dem Vorausgeschickten möchte es wohl einem oder dem andern Leser scheinen, als sei ich über Gebühr vonHa- lsvy's Verdiensten eingenommen. Jndeß, man urtheile selbst. Ich will sein Jtinerarium kurz beschreiben, und der Leser wird nur in Verlegenheit sein, ihm auf der Karte zu folgen, weil es eben keine Karte giebt, welche diese Länder aufführt, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie vor Ha lsvy gänzlich unbekannt waren, weil er der Erste ist, der sie betreten, derjenige, welcher sie entdeckt hat. Hier ist in der That „tsrra iuovAnita", und zwar ein großes Stück davon, ein so großes, wie es uns bisher in Arabien noch kein Reisender geoffenbart hat. Selbst Arnaud und Wrede, diese einzigen wirklichen Länderentdecker neuester Zeit in Arabien, müssen gegen ihn zurückstehen. Wie der große Reisende des vorigen Jahrhunderts, Nie buhr, so hatte sich auch Halsvy*) Demen zu seinem Neise- gebiet erkoren. Aber nicht etwa den von diesem erforschten Theil von Demen. Halsvy verschmäht es systematisch, die schon von Anderen betretenen Bahnen zu wandeln. Seine Reise fing so zu sagen erst da an, wo die Niebuhr's auf hörte, d. h. östlich von Sana. Durch das westliche Demen eilte er schnell hindurch. Nur einen einzigen Punkt dessel ben würdigte er eines längern Aufenthaltes, nämlich den Gebel Harraz und die Gegend von Elhaime. Er schil dert die herrliche Gebirgsnatur dieser „arabischen Schweiz", wie er sic nennt. Sein Zweck mar auch hier das Suchen nach Inschriften, jedoch vergeblich, wobei er vielfache Be schwerden litt. „So sicher dies Land," schreibt er (diese Ge gend steht jetzt unter der Verwaltung eines Dai oder Vice königs aus Negran und ist die einzige gut verwaltete in West-Demen), „so beschwerlich ist es doch, dasselbe zu durch reisen. Die Berge sind oft fast unzugänglich, die Wege ab- buhr's, Scctzcn'S, BurckharLÜs und Wellsted's; sodann übersichtlich und im Zusammenhänge auch jene Sadleir's, Wallin's, Palgrave's und Pelliss. Auf Guarmani'S in italienischer Sprache gedruckte Reisebeschreibung, die über Schammar Mancherlei enthält, hat Herr Dr. Zehmc keine Rücksicht genommen. Wir stellen ihm unser Exem plar gern zur Verfügung. A. I Ich verdanke die folgenden Notizen einer Mittheilung des Herrn Halevy, der noch nicht Zeit gefunden hat, seine Reise heraus zugeben, da ihn vorläufig seine epigraphischen Arbeiten noch zu sehr beschäftigen. Sie haben also das Verdienst, uncdirt zu sein, wenig stens in dieser etwas ausführlichem Form. Ein ganz kurzer, aber sehr trockener auszüglicher Bericht ist bereits erschienen. v. M. scheulich. Nach Inschriften auf Bergesabhängen bei alten Schlössern suchend, lief ich stündlich Gefahr, in Abgründe zu stürzen. Die Steine der Ruinen, die ich besuchte, stürz ten unter mir mit Getöse in den Abgrund. Oft war durch diese Steinfälle der Weg, den ich gekommen, unbetrctbar ge worden, und schwer gelang mir es, einen neuen zu finden." Diese „arabische Schweiz" hat jedoch nicht den Vortheil eines Schweizer Klimas. Sie ist im Gegentheil sehr un gesund. Halsvy legte hier den Grund zu einem schlimmen Fieber, das ihn zwei Monate in Sana ans Bett fesselte. Kaum geheilt, unternahm er Ausflüge in der Umgegend die ser Stadt. Auch hier fand er nur sehr wenige Inschriften. Es ist merkwürdig, daß fast dieser ganze westliche Theil von Demen im hohen Alterthum eine viel unbedeutendere Rolle gespielt zu haben scheint, als der östliche, derjenige, welcher seit dem frühesten Mittelalter tsrra inovAnita werden sollte. Dort, und nicht am Rothen Meer, war die Wiege der sabäischen Cultur. Von Sana selbst wissen wir gar nichts aus dem hohen Alterthum, nicht einmal, ob es exi- stirte und unter welchem Namen. Denn daß es nicht das Usal der Bibel war, wie die dortigen Juden glauben, hat Halsvy klar dargelegt. Von hier trat nun Halsvy seine eigentliche Entdeckungs reise an. Am leichtesten wäre es ihm gewesen, mit einer Salzkarawane nach Masib zu kommen. Doch da wäre er in die Fußstapfen Arnaud's getreten und er strebte nach Neuem! Masib mußte er freilich besuchen, so lauteten seine Instructionen (nämlich um die von Arnaud schlecht copirten Inschriften neu aufzunehmen), aber er sparte es sich für das Ende der Reise auf, und er that wohl daran, denn die Schicksale, die er dort erleben sollte, wären geeignet gewesen, ihn gleich anfangs abzuschrecken. Er wollte zuerst nach dem obern Gof (Djauf). Dieses ganze große Land, welches man Gof, d. h. hohles Land, nennt, das aus unseren Karten theilS fehlt, theils ganz falsch angegeben ist, ist seltsamerweise in Sana beinahe eben so unbekannt, wie in Europa. Die lächerlichsten Gerüchte sind dort Uber den Gof im Schwung. Noch nie, heißt es, ist ein Reisender lebendig aus diesem Lande herausgekommen, dessen Bewohner die schlimmsten Barbaren, halbe Menschen fresser seien. Halsvy sand sie später im Gegentheil viel ge sitteter, sanfter und weniger fanatisch, als die Bewohner des eigentlichen Demen. Jedermann rieth dem Reisenden ab, nach dem Gof zu gehen. Er bestand aber darauf. Nun galt es, einen plau- sibeln Vorwand für seine Reise zu finden, denn vom Ab- schrciben von Inschriften durfte er kein Wörtchen vcrrathen, ohne für einen „Zauberer" gehalten und als solcher sicher todtgeschlagen zu werden. Halsvy reiste nun zwar in der besten Verkleidung, die ein Europäer in diesem Lande des Fanatismus wählen kann, nämlich als arabischer Jude. Selbst Israelit, verstand er es, sich mit den Inden von Sana gut zu stellen. Diesen gegenüber gab er sich für einen Kudfi (Qoudfi), d. h. Jerusalemitaner, aus, nämlich für einen jener fahrenden Rabbiner, die den Orient durchziehen, um Beiträge für Jerusalem zu sammeln. Dies gab den besten Vorwand für die Reise nach dem Gof. Er behaup tete nämlich, auch bei den dort wohnenden Juden Beiträge sammeln sowie ihre religiösen Bedürfnisse erforschen zu wol len, und ließ sich zu diesem Zwecke vom Hauptrabbiner von Sana an alle diese Gemeinden Briefe geben. Die Araber finden nichts Unnatürliches darin, daß ein Jude seine Glau bensgenossen besucht, und dieser Vorwand war demnach auch ihnen gegenüber der beste. Bisher hatte Halsvy die Tracht der jüdischen Städter im westlichen Demen getragen, die bequem ist und den Kör-