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252 Heinrich v. Maltzan: Joseph Halovy's Reise in Arabien. rade zu derselben Zeit bereits ein solcher gefunden war und sich im Herzen von Arabien befand. Dieser Reisende war Joseph Halsvy, ein französischer Israelit, ausgcsandt von der „^oaäsmis äss insorixtions", um in Demen für das „Oorxus insoriptionuru osmitioaruin" Inschriften zu sam meln. Daß er dieser Aufgabe glänzend genügt hat, bewei sen die 683 von ihm copirten Epigraphe, theils in sabäi- scher (was man gewöhnlich, wiewohl irrig, himyaritisch nennt), theils in einer verwandten, erst von Halsvy entdeckten Schwestersprache, dem Mindischen. Hier haben wir es freilich mit diesem Theil seiner Er rungenschaften nicht zu thun. Wiewohl für den Sprach forscher höchst wichtig, bieten diese Inschriften doch zu we nig allgemeines Interesse. Sie sind fast alle über einen Leisten geschlagen. Als Votivcpigraphc beginnen sie gewöhn lich mit einer Reihe von Eigennamen, diejenigen der Wei henden. Dann folgt die Bezeichnung des geweihten Gegen standes, meistens einer Votivtafel. Darauf der Name der Gottheit, fast in jeder Provinz anders benannt, oft auch der mehrerer Götter oder Göttinnen. Die längeren Inschriften enthalten dann noch meistens eine Reihe von Bitten, Ver wünschungen gegen die Feinde, worin sie ein reiches Vo- cabular entwickeln, oder auch wohl (aber selten) nähere Be zeichnungen der den Göttern dargebrachten Geschenke, goldene Gefäße, silberne Zierrathe und manchmal auch geradezu „ ge münztes Geld". Für die Geographie wichtig sind jedoch diese Inschriften insofern, als sie uns die Namen einer Menge von Orten enthüllen, die uns bisher theils ganz unbekannt geblieben, theils uns in der entstellten griechisch-römischen Form, wie sie die Berichterstatter des Aelius Gallus'schen Feldzuges (namentlich Strabo) gaben, überliefert worden wa ren. Ein Beispiel: die Minäer, „Llinusi Zsns ma.Ana". Erst jetzt durch die Inschriften ersehen wir, wo diese wohn ten und wie sie sich selbst nannten. Sie hießen Mein (Sin gular, im Plural wahrscheinlich Me inin); ebenso ihre Haupt stadt, deren reiche Ruinen Halsvy besuchte und die noch jetzt M e" in heißen, ein Name, der sich auch auf einigen hundert dort entdeckten Inschriften findet. Ein Punkt, den die Inschriften aufhellen, möge noch er wähnt sein. Es ist bekannt, daß der „Vater der Geschichte", Herodot, aussagt, die Araber besäßen zwei Hauptgötter, „Orotel und Alilat", dem Bacchus und der Venus ent sprechend. Bisher glaubte man, Herodot spräche nur von den Central- oder Nordarabern. Da wir von diesen keine Denkmäler kennen (denn die nabatäischen Inschriften rühren von Aramäern, nicht von Arabern her, wiewohl die Römer die NabMer für Araber hielten), so konnte nichts diese Mei nung bekräftigen, nichts sie zerstören. Jetzt ist aber zum ersten Mal auf den Inschriften der Name „Alilat" gefun den, und zwar auf den minäischcn. Bisher hatte man an genommen, Herodot habe sich verhört und statt „Alilat" den auf den sabäischen Inschriften vielfach vorkommenden Namen „Alihat" mit falscher Orthographie wiedergegeben. Alihat heißt jedoch nichts als „Göttin" oder „Gottheit" im Allge meinen. Jetzt aber haben wir ganz deutlich einen dem Ali lat, wenigstens was die Consonanten betrifft, buchstäblich entsprechenden Göttinnennamen. Die Aussprache scheint jedoch Alelat oder Alalat gewesen zu sein. Den Namen „Oro- tat" glaubt Halsvy in dem vielfach erwähnten „Othotar" haben schon früher, „Globus" XVI, S. 150 ff. (1869), aufJoseph Halsvy aufmerksam gemacht. Derselbe bereiste, ehe er seine Er- pedition nach Arabien antrat, Abyfsinien, vorzugsweise zu dem Zwecke, um die Religion seiner dortigen Glaubensgenossen, der Fa- l aschas, genau kennen zu lernen, und wir hoben, als wir feinen aus führlichen Bericht mittheilten, hervor, daß seine Beobachtungen nament lich auch in ethnographischer Hinsicht von Interesse seien. A. zu finden, was den Gesetzen der Lautverschiebung nicht wi derspricht. Es ist auch in der That viel wahrscheinlicher, daß Herodot von den Bewohnern von Demen und Negran, den Sabäern und Minäern, welche civilisirte, sogar für ihre Zeit hochcultivirte Völker waren, gehört haben mag, als von den halbbarbarischen, nie Uber den Standpunkt von Noma den und Räubern hinausgekommenen Nord- und Central arabern. Daß die alten Südaraber einen „Gott des Wei nes" hatten oder daß die Griechen dies glauben konnten, erklärt die Fülle der Reben des noch heute rosinenreichen Demens. Ich wenigstens habe nie köstlichere Rosinen versucht, als die sogenannten kernlosen (weil nur mit sehr kleinen Ker nen versehenen) von Sana. Malagarosinen und Korinthen sind nichts dagegen. In Bezug auf die mit Venus verglichene Alilat erklärt sich die Sache noch viel leichter. Wo wäre das Volk, das nicht die Liebe, Schönheit und Wollust ver herrlichte und diesen Altäre baute, weil sie die Beförderer der Fortpflanzung sind? Die Verherrlichung der Fortpflan zung, das war ja ein wichtiges Element aller antiken Volks wohl- und Religionsanschauungen. Welches Volk hätte nicht etwas der Venus Entsprechendes gehabt? Jedoch sprechen wir von Halsvy's Reifen in Bezug auf Geographie und Ethnographie, welchen Wissenschaften die Leser des „Globus" ja gern und willig die verdiente Bedeutung schenken. In dieser Hinsicht sind sie im höchsten Grade wichtig, wir können wohl sagen, epochemachend. Ich weiß nicht, wen ich unter den neue ren Reisenden in Arabien höher stellen soll. Palgrave ist mit Recht mannichfach gerühmt worden. Seine ethno graphischen Schilderungen sind in der That meisterhaft und unvergleichlich, so drastisch und treffend, daß sie das Jesui tencollegium, dem er angehörte, nicht veröffentlicht haben wollte und sein Veto darauf legte, wie mir ein Jesuiten missionär, mit dem ich in Aden znsammentraf, erzählte. Dennoch enthielten sie durchaus keinen Angriff auf die Kirche. Aber es scheint, als sei den Jesuiten jede überhaupt freiere Meinungsäußerungverdammlich. Palgrave mußte aus dem Orden ausscheiden, um seine Reise, so wie er es wollte, ver öffentlichen zu können. Seine Reisebeschreibung ist in der That ein Unicum. Aber sie ist es mehr durch das Talent des Verfassers, als durch das zu Grunde liegende Material, wenigstens in geographischer Beziehung. In dieser bietet sie dem mit den Forschungsreisen in Arabien Bekannten durchaus nichts Neues. Der nördliche Theil des Palgrave'- schen Jtinerärs ist allen Orientalisten durch Wallin, des weitgereisten Arabisten und unternehmenden Mekkapilgers Berichte, die aber so wenig ins Publicum gedrungen sind, bekannt. Den südlichen Theil hatte schon Capitän Sad- leir, der Gesandte der englisch-ostindischen Regierung zum Feldlager Ibrahim Pascha's, zur Zeit von dessen wahabiti- schem Feldzug, enthüllt. Jndeß suchen wir die Verdienste keines Reisenden, die mit so viel Entsagung errungen sind, zu schmälern*). *) Arabien nimmt, seitdem Palgrave'S, v. Wrede'S und v. Maltzan's Arbeiten so vieles Neue gebracht haben, die Aufmerksam keit lebhaft in Anspruch. Wir wollen hier darauf Hinweisen, daß jüngst in Frankfurt an der Oder Herr Dr. Albrecht Zehme unter dem Titel: „Central-Arabien" (1872) ein sehr fleißig, genau und mit Kritik gearbeitetes Ghmnasialprvgramm veröffentlicht hat. In demselben wird die Bedeutung des centralen Hochlandes geschil dert; es werden die Ergebnisse der Forschungen seit dem Erscheinen von Karl Ritter's Werk über Arabien zusammengestellt. Bekanntlich ist es eine der allerschwierigsten Aufgaben, sich durch Ritter's Bände und deren schrecklichen Stil hindurchzuarbeiten. Dr. Zehme giebt nun, wenn auch seinerseits mehrfach in einem Stile, der besser sein könnte (— wir finden Sätze von zehn, ja neunzehn Zeilen in Quart druck ohne einen Nuhepunkt, — Sätze, die sich so leicht hätten auf lösen lassen —), einen Ueberblick der Reisen und Forschungen Nie-