Volltext Seite (XML)
Leben gerettet, und an die Stelle eines amputirten Beines ein künstliches angesetzt hat. Dieser Mann spielte jetzt mit; dem Doctor wurde auf Zeitlebens eine Freiloge im Theater der Vorstadt Aksaka bewilligt. Im großen Saale des Spitals wimmelte es nun von Daimios, Bettlern, Aerzten, Studenten, Bürgern, Comödianteu, Tänzern rc.; der be rühmte Photograph Uchida war gleichfalls zugegen. Es wurde dann ein Ballet aufgeführt; hinterher trat der Kimi- tayu, Oberregisseur, auf und verkündete, daß ein Gelegen- heits stück aufgeführt werden solle; eine Anspielung auf das Bier und die Brauerei erregte den lautesten Jubel. Die Maskencomödie führt den Titel: Nischino Yumi Warau kado Matsu; diese Worte lassen sich nicht über setzen und enthalten Anspielungen und Wortspiele, welche sich auf den Neujahrstag, den westlichen Ocean und den Namen des Doctors beziehen. Die allegorischen Personen sind: Die Genien der Nervenkrankheiten, der Läh- mungs- und der Entzündungskrankheiten; dazu kommen der Geist der Wissenschaft und der Geist der Wahrheit. Die Darstellung wird mit Musik begleitet. Zuerst tritt der Genius der Neurose auf, als König, ausstaffirt mit Scepter und Diadem; er geht mit gravitätischen Schritten über die Bühne. Hinter ihm kommt die Paralysis; sie wirft ihre Krücken fort und setzt sich auf ein Stück Flanell. Neben sie hin kauert sich die Pyrosis. Wir haben den Text des Stückes vor uns, er ist aber zu lang, als daß wir ihn ganz mittheilen könnten. Die Neurosis spricht: „Schauet auf und höret! Vormals gab es viele Krankheiten; nun treten aber geschickte Aerzte auf und bekämpfen sie. Mit unserer Macht nimmt es den Krebs gang. Wir müssen gemeinschaftlich handeln und so viele böse Krankheiten unter die Leute bringen, daß nichts dagegen hilft. Ich, als Gebieterin der Nervenkrankheiten, schwöre, daß ich dazu mitwirken will." Die Pyrosis ruft: „Ich will veranstalten, daß Fieber durch die ganze Welt wüthen; da gegen soll kein Arzt etwas ausrichten können." Die Para lysis: „Ich gebiete über die Lähmungen; meine Beine knicken unter mir zusammen; ich habe als Zeichen meines Ranges zwei Krücken, und hoffentlich wird mau mich bald als Mikado im Reiche der Gelähmten anerkennen." Diese Genien sprechen dann sehr despectirlich von den Aerzten und der Wissenschaft, deren Genius spöttisch hinter der Coulisse hervorruft, daß er sich ergebe. Dann tritt er als blinder Mann verkleidet hervor, wirft sich nieder und ruft um Gnade, weil er das Verbrechen begangen habe, gegen Krankheiten anzukämpfcn; doch mm verachtete er die Aerzte und die medicinische Facnltät, er wolle unter die Fahne jener drei Genien treten. — Jetzt tritt der Geist der Wahrheit hervor und spielt den Quacksalber, der ärgerlich ist, daß die Facultät ihm sein Doctordiplom entzogen habe. Die Krankheitsgenien sind froh, daß solche Doctoren sich mit ihnen verbünden. Die Wahrheit zieht nun eine Flasche her vor und giebt ihnen zu trinken. Und was? Bier! Es schmeckt ihnen gut; sie fangen zu singen und zu tanzen an, aber die Neurosis bekommt einen Nervenanfall, die Paralysis zittert am ganzen Leibe, die Pyrosis wird hysterisch. Alle drei fallen zu Boden und schlafen ein. Wahrheit und Wissenschaft sehen, daß ihr Plan gelun gen ist; als die Genien wieder erwachen, verkündigen sie den selben: „Euer Reich ist zu Ende, fort mit euch; wir sind die geschworenen Feinde aller Krankheiten." Die Neurosis fragt, ob sie nicht etwa Scherz machen, erhält jedoch zur Antwort, daß es sich um bittern Ernst handle. Den Schluß wollen wir wörtlich geben.- Die Wahrheit spricht: „Meine Kriegslist hat euch ins Nichts zurückgewor- fen. Ich bin der allmächtige Geist, den man Wahrheit nennt." — Die Wissenschaft: „Ich bin die Wissenschaft; ehemals war ich nur ein blinder Schampuer, jedoch ein japanischer Doctor hat mich zu einem ganz andern Manne gemacht." — Die drei Genien: „Aber sagt, was ist denn das für ein Getränk, durch welches wir zu Grunde gerichtet worden sind." — Die Wissenschaft: „Das ist Bier, ja Bier, das Matsumoto braueu läßt und das bei Haschiba und Compagnie verkauft wird." — Die Wahrheit: „Ich bekräftige, daß es mächtig gut bei der Heilung von Krank heiten wirkt." — Neurosis: „Ja freilich, wenn wir Bier, von welchem jetzt so viel Aufhebens gemacht wird, verschluckt haben, dann sind wir behext und es ist um uns geschehen!" Die drei Genien stürzen nun über die Wissenschaft und die Wahrheit her, um sie nieder zu werfen, als aber diese letztere ihren Hut abnimmt, brechen Lichtstrahlen aus ihrem Kopfe hervor; die Genien erschrecken und fallen rücklings zu Boden. Sie rufen: „Welch eine Macht und Gewalt doch die Arzneikunde hat." Die Neurosis schüttelt das Haupt: „Ach, es ist ja nur zu klar und zu gewiß, daß wir hier nichts mehr ausrichten können, wenn wir Krankheiten verbreiten wollen. Wir müssen vor Matsumoto weichen, der vertreibt uns aus seinem Hause." Damit waren die Allegorien zu Ende. Hinterher wurden Scenen aufgeführt, bei welchen die Wortwitze und Anspielun gen auf manchen der Anwesenden allgemeine Heiterkeit erreg ten. Tänze machten den Beschluß, dem Doctor Matsumoto aber sah man es wohl an, daß er vor Freude strahlte und mit Selbstbewußtsein Bier trank, das er in Japan eingeführt hat. Joseph Halevy^s Reise in Arabien*). Von Heinrich Freiherr« von Maltzan. Als ich vor zwei Jahren im „Globus" bei Besprechung von Wrede's Reise in Hadhramaut den Wunsch aussprach, *) Bisher sind über die in hohem Grade wichtigen und interessan ten Wanderungen H a l L v »'s nur vereinzelte Notizen ohne Zusammen hang in französischen Blättern erschienen, z. V. in den „Nouvellos Lnnales äes VOVNA«S, Ookobre - Oeoemdre k870, x. 205, wo nur es möchte dieser kühne und unternehmende Entdeckungsrei sende bald einen Nachfolger finden, ahnte ich nicht, daß ge- eine allgemeine Uebersicht der Reise gegeben wird. Wir sind deshalb erfreut, daß wir Lurch die Freundlichkeit des Herrn Baron von Maltzan unseren Lesern einen Gcsammtübcrblick geben und dieselben gleichsam in eine neue Welt cinführen können. — Wir unsererseits 32*