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feet" nach Gebühr verspottet, deren knauseriges Wesen und tölpelhafte Manieren den flotten Goldjägern ein Gräuel war. Wie es nicht anders zu erwarten stand, nahmen die Bewoh ner Oregons allmälig manche Gewohnheiten und Lebensan schauungen der Californicr an, und in Portland, wo diese schaarenweise überwinterten, um dem rauhen Klima in den Goldminendistricten zeitweilig zu entfliehen, erwachte ein reger Unternehmungsgeist. Der Einfluß von außen zum Bessern hatte hier bereits tiefe Wurzel geschlagen, als um die Mitte der sechziger Jahre die Placers in den genannten Minen- districten sich theilweise als erschöpft zeigten und in Folge davon der Durchzug der Goldjäger immer schwächer und auch einige Jahre darauf durch die Pacificbahn in neue Com- municationswege geleitet wurde. In Oregon folgte jetzt eine Zeit des Stillstandes und es hatte den Anschein, als ob Portland sich aus einer schnell emporgeblühten Handelsstadt wieder in eine stille wohlbehä bige Landstadt umwandeln würde. Aber der in den Jahren des Wohlstandes durch den einträglichen Handel mit den Goldminendistricten wach gewordene Unternehmungsgeist spornte die Portländer an, neue Wege zum Emporkommen ihrer Stadt sowie zu einer gesunden volkswirthschaftlichen Kräftigung ihres wichtigsten Lebensnervs, des Willamette- thalcs, zu suchen. Die Pacificbahn, als neue Handelsstraße durch den Continent, hatte die alten Verkehrslinien vollstän dig verrückt, und Oregon mußte sich auf die eine oder die andere Weise an das große nordamerikanische Eisenbahnnetz anschließcn, — das war, wie Jeder einsah, die Lebensfrage dieses Landes, und davon hing die Zukunft desselben ab. Zunächst wurde eine Zweigbahn vom Ufer des großen Salzsees über die Ortschaften Boise City im Territorium Idaho und The Dalles am Columbiafluß nach Portland projectirt, um einen Anschluß an die Union- nnd Central- pacificbahnen zu erlangen. Das Unternehmen faßte jedoch nie rechten Fuß; freilich zeichneten eine Anzahl von Capita- listen bedingungsweise die zum Bau jener Eisenbahn nöthi- gen Summen, aber es geschah bis jetzt weiter nichts zur Verwirklichung dieses Planes, als ein oberflächliches Nivelle ment der vorgeschlagenen Route. Ein anderes Unternehmen dagegen, der Bau einer direc- tcn Eisenbahnlinie von Oregon nach Californien, fand um so mehr Anklang. Der unternehmende reiche Capitalist Ben Holladay, welcher die durch eine Eisenbahnverbindung mit Californien für Oregon zu erwachsenden großen Vortheile schnell erkannt hatte, gab diesem Unternehmen nach Kräften seine wichtige Unterstützung. Dieser Schienenweg, die „Ore gon- und California-Eisenbahn", sollte das Willamettethal seiner ganzen Länge nach von Norden , nach Süden durch schneiden, dann weiter südwärts durch das nicht minder frucht bare Umpquathal und das des Rogue River geführt wer den, die Siskiyonberge an der Nordgrenze von Californien überschreiten und, in das Thal des Sacramentoflusses hin absteigend, sich dort an das Eisenbahnnetz von Californien anschließen. Diese Eisenbahnlinie, deren Länge 777 eng lische Meilen zwischen Portland und San Francisco beträgt, durchläuft, die nicht sehr ausgedehnten Gebirgsstrecken ab gerechnet, ein außerordentlich productives Land, ganz im Gegensätze zu der vom Ufer des großen Salzsees über Idaho nach Portland projectirten Linie, welche mit Ausnahme eini ger nicht bedeutenden, des Anbaues fähigen Thäler, eine trau rige und fast aller sonstigen Vegetation baare Salbeiwüste und mit vulcanischem Gestein übersäete Einöden durchziehen würde *). ') Siehe meine Beschreibungen: „Globus" XIII, Nr. 10, 11 und 12 und „Globus" XV, Nr. I und 2. Die Oregon- und California-Eisenbahn wurde gleich zeitig von Süden und von Norden in Angriff genommen, und die letzten Tage des Jahres 1871 sahen dieselbe in Ca lifornien bereits nördlich von der Stadt Red Bluff im obcrn Thale des Sacramento und in Oregon südwärts bis in das Umpquathal vollendet und dem Verkehr übergeben. Die noch zu erbauende Wegstrecke, als Verbindungsglied zwischen dem Sacramento und dem Umpqua, betrug beim Jahres schluß 1871 etwas über 300 englische Meilen. Von Portland aus wurde bereits eine zweite Bahnlinie durch das Thal des Willamette, am westlichen Ufer dieses Flusses nach Süden laufend, in Angriff genommen, deren Hauptinhaber gleichfalls der früher genannte Capitalist Ben Holladay ist. Diese Eisenbahn, die „Oregon Central", führt gewöhnlich den Namen „vost sicks rsilrouck", im Gegensätze zu der östlich vom Willamette liegenden Haupt linie, und soll eine Länge von 110 englischen Meilen haben. Dieselbe wird eine fruchtbare Gegend durchschneiden und ihren Weg über die Ortschaften Hillsboro, Mc Minville, Dallas (in Polk County) und Corvallis nach der vorläufig noch auf dem Papier stehenden Zukunftsstadt Junction City, 35 englische Meilen südlich von Corvallis, neh men, wo der Anschluß an die „Oregon- und California- Eisenbahn" statthaben soll. Auch liegt es im Plane der Gesellschaft, eine Zweigbahn nach Astoria zu bauen, um dort für Portland einen den größten Seeschiffen stets zugäng lichen Hafen zu gewinnen, da der Willamette für tiefgehende Schiffe kein sicheres Fahrwasser hat. Die Stadt Portland gab der „vost siäs railroaä" einen Zuschuß von 100,000 Dollars Gold, damit der Bau dieser Linie sofort beginne, und während meines Aufenthaltes in jener Stadt machte die erste Locomotive die Eröffnungsfahrt auf einer kurzen von Portland aus erbauten Strecke des neuen Bahngleises, unter dem Jubel der Bevölkerung *). Bon den öffentlichen Ländereien wurde beiden genannten Eisenbahn gesellschaften eine Schenkung von 12,800 Ackern pro Meile in getrennten Sectionen („altoruato osotions", die Scction zu 640 Acker — 1 englische Quadratmeile) bewilligt, so daß den Vereinigten Staaten immer eine Section zwischen zwei der Eisenbahn geschenkten bleibt, welches Land innerhalb eines Areals von 30 Meilen auf beiden Seiten der Bahn linie genommen werden muß. Die Besitztitel werden den Gesellschaften von der Regierung zu Washington für jede dem Verkehr übergebene Meile nach correspondirenden Sec tionen ausgestellt, und haben nicht wenig dazu beigetragen, den Bau der Eisenbahnen zu "beschleunigen. Von jeder der Eisenbahngesellschaften wird beim Verkaufe der Ländereien die in national wirthschaftlicher Beziehung wichtige Bedin gung gestellt, daß nur Solche dieselben erwerben können, die sich wirklich darauf niederlassen wollen und sich zugleich ver pflichten, stets eine bestimmte Anzahl von Ackern mit Holz bestanden zu erhalten. Während der letzten sechs Monate des Jahres 1871 wurden 40,000 Acker Ländereien unter diesen Bedingungen verkauft. Außer den beiden genannten Hauptbahnlinien sind noch mehrere kleinere im westlichen Oregon projectirt worden, von denen bis jetzt aber noch keine in Angriff genommen wurde. Die zweite Aera des Fortschrittes der Stadt Portland läßt sich, wie aus Vorigem zu ersehen ist, auf die neuen auf großartige Weise unternommenen Eisenbahnbauten zurück führen, welche die Hülfsquellen des Staates Oregon schnell und sicher entwickeln, — im Gegensätze zu dem frühem *) Am 18. December 1871 war die erste Scction der Wcst-Side- Eisenbahn, 25 englische Meilen von Portland nach Cornelius, voll endet und dem Verkehr übergeben worden. D. Vers.