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Theodor Kirchhoff: Streifzüge in Oregon und Californien (1871). 235 Straße von Fuca in directer Verbindung mit dem Großen Ocean steht. Die Northern-Pacific-Eisenbahn-Gesellschaft erhält nun von der Regierung der Vereinigten Staaten eine Landschen kung von 25,600 Acker Land für jede gcbauete Meile ihres Schienenweges, mit der Bestimmung, daß die Landschen kung aufhöre, sobald die Bahn das Ufer des Pugetsundes erreicht habe. Diese Landschenkung nimmt Bezug sowohl auf die Hauptlinie als auf die oben angedeutete dem Ufer des Columbia folgende Zweigbahn. Da der Werth der Län dereien die Kosten des Baues der Eisenbahn weit übersteigt, so ist der Vortheil, den die Gesellschaft durch eine größtmög liche Verlängerung der Bahnlinie erzielen wird, nicht zu ver kennen. Das provisorische Nivellement von der über Ka- lama führenden Bahnlinie liegt 15 Miles östlich von Olym pia, an welchem Orte sich der Sitz der Regierung des Ter ritoriums Washington befindet und der zugleich der äußerste südliche Punkt am Pugetsund ist, bis zu welchem Seeschiffe gelangen können, 4 Miles östlich von Steilacoom (sprich: Steilakuhm) und 8 Miles östlich vonTacoma, und nimmt die Richtung nach Seattle (sprich: Siattel), wo nicht weit vom Washingtonsee Kohlenlager vorhanden sind. Eine andere Version verlegt den Terminus nach Whidbey's Island, etwa 8 Meilen südlich von der Bellinghambai und dem alten jetzt verlassenen Fort der Vereinigten Staa ten, Port Townsend, gegenüber. Alle genannten Orte haben treffliche Häfen, deren es eine Menge am Puget- sunde giebt, und alle sind Aspiranten für den westlichen Ter minus der nördlichen Pacific-Eisenbahn; aber die Belling hambai liegt am weitesten nach Nprden vorgeschoben und hat deshalb für die Actionäre einen entschiedenen Vortheil über ihre mehr südlich gelegenen Termini-Rivalen, welche als End punkte der Eisenbahn diese ihrer Lage entsprechend verkürzen und die Landschenkungen schmälern würden. Es soll im Plane der Gesellschaft liegen, von der in einiger Entfernung und parallel mit den Gewässern des Sundes von Süden nach Norden laufenden Linie „Kalama-Bcllinghambai" kurze Zweigbahnen nach allen oben genannten Hafenorten am Sunde zu erbauen, welche man jedoch, um dem Buchstaben des Gesetzes nachzukommen und die Landschenkung der Ver einigten Staaten nicht zu verwirken, der Northern-Pacific- Eisenbahn nicht incorporiren will. Bis zum October 1872 hofft man den Bau der Bahnlinie von Kalama bis 15 Mi les vom Sunde und zum Anschluß an die Olympia-Zweig bahn vollendet zu haben*). Ueber die muthmaßliche commercielle Wichtigkeit und Größe einer am Pugetsunde beim westlichen Endpunkte der nördlichen Pacificbahn emporzublühcnden Handelsstadt sind die Meinungen sehr getheilt. Während Manche jener Zu kunstsstadt wegen ihrer ausgezeichneten Lage für den Welt handel ein glänzendes Prognostikon stellen und der Ansicht sind, dieselbe wäre bestimmt, Portland oder gar Sau Fran cisco zu überflügeln, glauben Andere, daß hier für den Han del weiter nichts als ein Transitplatz entstehen könne, da das an den Sund grenzende Land einer höhern Cultur nur wenige natürliche Vortheile gebe und dem Aufbau einer selb ständigen Handelsstadt ersten Ranges nicht die dazu unum gänglich nothwendigen Hülfsquellen biete. Die Wahrheit 0 Beim Jahresabschluß 7 871 waren weitere 22 englische Mei len von der Mündung des Cowlitz bis nach Pumphrey's Landing, am linken Ufer des Cowlitz hinauflaufend, vollendet worden. Die Entfernung von Pumphrey's Landing nach Olympia beträgt 60 eng lische Meilen über ein außerordentlich schwieriges, bergiges Terrain, und scheint es sehr zweifelhaft, daß die Bahnlinie, wie die Gesell schaft es sich vorgcnommen hat, bis zum Herbste 1872 über das Gebirge, welches hier zwischen dem Columbia und dem Pugetsund liegt, fertig gebaut werden kann. D. Verf. wird wohl so ziemlich inmitten dieser einander diametral ent gegengesetzten Ansichten liegen. Obgleich es Thatsache ist, daß der Pugetsund einen herrlichen Seehafen mit trefflichem Ankergrunde bildet, der gegen alle Stürme geschützt ist und in dem die Flotten sämmtlicher Nationen Platz finden könnten, dessen Wasser im Winter nie gefriert, und der einen leichten nnd gesicherten Eingang vom Meere hat — ein nicht zu verkennender Vorzug über den durch die berüchtigte Barre an seiner Mündung gefährdeten Columbia —, ist es nicht minder wahr, wenn behauptet wird, daß eine Seehandels stadt ersten Ranges als Bedingung eines gesunden Empor blühens außer einem vorzüglichen Hafen nothwendigerweise auch ein productives Hinterland besitzen müsse, und daß dieses, mit fast alleiniger Ausnahme von Prächtigen für den Betrieb von Sägemühlen fast unerschöpflichen Tannenwal dungen, dem an den Sund grenzenden Lande fehle. Bis jetzt ist die allerdings großartige Ausfuhr von Bauholz fast die einzige Hülfsquellc der Bewohner am Pugetsunde ge wesen. Das an den Sund grenzende Land ist außerordentlich gebirgig und, wie ich aus zuverlässigen Quellen in Erfah rung gebracht habe, für den Ackerbau wenig geeignet. Weil und breit erstreckeif sich dichte Urwälder von riesigen Nadel hölzern, nur die gegen den Sund auslaufenden, aber sehr engen Flußthäler haben einen nennenswerthen Humus und sind mit Laubhölzern, meistens Erlen und Vine Mayle (einem mit vielen zweigartigen Stämmen direct aus dem Boden aufschießenden strauchartigen Gewächs), bestanden. Wo die Tannenwälder fortgeschlagen wurden, um Farmen Platz zu machen, zeigt sich der Boden sandig und lehmig und voll von Steingeröll, und, was das Schlimmste ist, kalt. Ob gleich derselbe für das Wachsthum von Nadelhölzern außer ordentlich günstig ist, finden Cerealien und Früchte auf ihm nur ein kümmerliches Fortkommen, und selbst die Kartoffel gedeiht dort schlecht. Die östlich von den Cascadengebirgen liegenden für den Ackerbau geeigneten Thäler, welche durch die nördliche Pa cificbahn dem Pugetsunde ihre Products zufuhren und dort ihren natürlichen Markt finden würden, sind nicht von gro ßer Ausdehnung. Die hauptsächlichsten derselben sind das Klikatat-, das Naquima- und das Walla-Walla- Thal, von denen letzteres das bedeutendste ist. Aber man vergleiche dieselben z. B. mit den Thälern, welche San Fran cisco tributpflichtig sind und die, ganz abgesehen von dem Metallreichthum Californiens und Nevadas, eben so viel zum Emporblühen jener großen Handelsstadt als deren günstige Weltlage beigetragen haben. Gegen das Sacramentothal, die Ebene des San Joaquin, das Santaclarathal und viele andere in Californien verschwinden jene ganz und gar. Selbst das Willamettethal und die weiter südlich gelegenen frucht baren Thäler Oregons haben lange nicht die Bedeutung der californischen. Auch könnten dieselben der Zukunftstadt am Pugetsunde nur dann als tributpflichtig betrachtet werden, wenn Portland zu dieser z. B. eine ähnliche untergeordnete Stellung einzunehmen bestimmt wäre, wie sie Sacramento und die anderen größeren Jnlandstädte Californiens zu San Francisco haben, was denn doch außerordentlich zweifelhaft scheint. Schließlich noch ein paar Worte über die geographische Lage des Pugetsundes in Vergleich zur San-Francisco-Bai. Die oft angeführte Thatsache, daß die directe Entfernung vom Pugetsunde nach Japan und China erheblich geringer sei, als die von San Francisco, und daß die von Ostasien nach Nordamerika kommenden oder von der diesseitigen Pa cificküste dorthin fahrenden Handelsschiffe deshalb die nörd liche Route zum Pugetsunde der Centralroute über San 30*