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Theodor Kirchhoff: Streifzüge in Oregon und Kalifornien (1871). umlaufenden Veranda und mit Landungsbrücken für die Fi scherboote versehen. Der Lachsfang hat in den letzten Jah ren am Columbia einen bedeutenden Aufschwung genommen. Am untern Stromlaufe wird derselbe jetzt systematisch im Gro ßen ausgcbeutet und sind die Salmen bereits ein namhafter Handelsartikel für diese Gegenden geworden. Man fängt die Fische hier in großen Stellnetzen, und in den Packereien werden hauptsächlich Chinesen beschäftigt. Die Zahl der im Columbia gefangenen und meistens nach San Francisco, Südamerika, China und den Südseeinseln ausgeführten prä- servirten Lachse beträgt etwa anderthalb Millionen Fische im Jahre*). Zwei Mal im Jahre, im Frühjahr und im Herbste, kommen jene Fische massenweise aus der See, ziehen strom aufwärts und in alle Nebenflüsse, um weit im Innern des Landes, 800 bis 1000 englische Meilen von der Mündung des Columbia, im östlichen Oregon und innerhalb der Gren zen des entlegenen Territoriums Idaho, zu laichen. An den 175 Miles von der See entfernten oberen Stromschnel len, den „Dalles des Columbia", werden die Salmen von den Indianern in unglaublichen Massen gesperrt, auf den Basaltfelsen am Ufer in der Sonne gedörrt oder in den dort errichteten Hütten geräuchert und so als Winterproviant prä- servirt. Während der Sommermonate herrscht dort ein buntes und äußerst interessantes reges Leben. Die Indianer aus Oregon und Washington versammeln sich daselbst, um im friedlichen Beieinander den von den Weißen in keiner Weise beeinträchtigten Lachsfang auszubeuten. An den Stromschnellen ist das Flußwasser förmlich lebendig von Lachsen, welche mit einer unverwüstlichen Energie gegen die dort in engen Canälen zusammengedrängten reißenden Flu chen ankämpfen und sich über die Fälle und durch die Was serwirbel einen Weg suchen, wobei ihnen die Speere der In dianer zu Tausenden den Tod bringen. Aber viele Hun derttausende von ihnen gelangen dennoch glücklich in das obere Fahrwasser und nach den ersehnten Laichplätzen **). Ungefähr zehn Miles oberhalb „Oak Point", wo in den sogenannten „Narrows" die meisten Lachsfischereien sind, und etwas unterhalb der Mündung des Cowlitz (sprich: Kau- litz) liegt ein hoher Hügel, der den Namen Mount Cof fin (Sargberg) führt. Dies war in früheren Jahren einer von den heiligen Begräbnißplätzen der Indianer am Colum bia, wo sie ihre Todten in Canocs beizusetzen pflegten. Nach dem wir bei dem im Territorium Washington gelegenen Städt *) Einem in der Februarnummer 1872 von der in San Fran cisco hcrauSgegcbcnen Monatsschrift „Tbc Overland Monthly" ent haltenen Aufsatze, in welchem der Lachsfang am untern Columbia eingehend geschildert wird, entnehme ich folgende Notizen: „Die Salmen werden theils in zinnernen Gefäßen (tin oan^), theils in Fässern verpackt. Ein Fisch füllt in der Regel zehn zin nerne Kannen, die dann in Kisten von je 48 Pfund verpackt werden. Eint Packerei hat im letzten Jahre 14,583 Kisten im Werthe von 131,247 Dollars verschifft, die Kiste zu 9 Dollars gerechnet. Auf einer Strecke von drei Miles liegen sieben Lachsfischereien und im Ganzen fünfundzwanzig am Columbia. Die zwei bedeutendsten der selben haben im Jahre 1871 die eine 700,006 Pfund und die an dere 400,000 Pfund Lachse verpackt. Die eingefangenen Lachse wer den, nachdem sie gereinigt sind, erst in große mit concentrirtem Salz wasser gefüllte Kübel geworfen, in denen sie einen bis zwei Tage liegen bleiben nnd auf die Hälfte ihres ursprünglichen Volumens zusammcnschrumpfen. Dann werden sie gut abgcwaschen und mit Zuthat von Salz in Fässern verpackt, indem sie durch Schrauben fest hineingepreßt werden. Die in zinnernen Kannen verpackten Fische werden entweder frisch oder gepöckclt oder mit Zuthat von Gewürzen hineingelegt und werden die Kannen dann luftdicht verschlossen. Man hat auch angcfangcn, das aus den Fischen beim Zusammenschrauben in die Fässer hcrausgepreßte Ocl zu sammeln, welches dem besten Spermöl gleichkommt." D. Verf. Siehe: „Gartenlaube" I86Ü Nr. 17. Die Indianer beim Lachöfang am Columbia. Von Th. Kf. chen Monticello vorbeigedampft waren, passirten wir, ohne anzuhalten, die 25 Miles weiter oberhalb am selbigen Ufer liegende erst sechs Monate alte Stadt Kalama. Dieser Ort verdankt seine Entstehung der Northern-Pacific-Eisen- bahn, welche hier die Hauptniederlage des Materials für den Bau ihrer westlichen Division errichtet hat. Im Osten ist jene Bahn von dem neuen und schnell emporblühenden Hafcn- orte Dnluth am Obern See bereits 250 Miles quer durch den Staat Minnesota bis in das Thal des Red River of the North vorgeschritten. Bon der westlichen Division ist nur erst die 20 englische Meilen lange Wegstrecke von Ka lama nach der Mündung des Cowlitz vollendet worden. In Kalama, an dessen Quai ein mit Eisenbahnschienen befrachteter Dreimaster lag, grassirte, wie man mir erzählte, zur Zeit ein sehr gefährliches Speculationsfieber. Die Be wohner dieser Embryo-Großstadt (beiläufig gesagt, eineTem- perenzstadt reinsten Wassers, in der nicht einmal Bier verkauft werden darf, und wo durstige Seelen nur in den außerhalb des Stadtbezirks auf Prahmen im Columbia errichteten „Salons" vor der Polizei sicher sind), die Ka- lamier, sagte man mir, lebten in der Hoffnung, daß hier ein bedeutender Handelsort und glücklicher Rivale von Port land emporblühen müsse, und Bauplätze würden zu fabel haften Preisen gehalten. So lange in Kalama die Haupt niederlage der nördlichen Pacificbahn zum Ausladen von Schienen und sonstigem Material zum Eisenbahnbau bleibt, wird dort voraussichtlich ein reges Leben sein. Sobald aber die Bahn nach dem Pugetsund vollendet ist, wird Kalama aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein Transitplatz bleiben. Die am nahen Willamette gelegene reiche Handelsstadt Port land hat während des letzten Decenniums einen solchen Auf schwung genommen, daß es jetzt im höchsten Grade unwahr scheinlich ist, ihr werde (was ich vor acht Jahren irrthüm- lich auch glaubte) am Columbia ein ebenbürtiger Rivale erwachsen. Am ganzen untern Columbia ist bis jetzt nicht ein auch nur einigermaßen bedeutender Ort entstanden, wel cher Portlands Stellung als Handelsmetropole von Oregon im Geringsten beeinträchtigte. Mehr Aussicht, ein Handelsemporium zu werden, hat eine der Ortschaften, vielleicht eine noch gar nicht gegrün dete Stadt am Pugetsund, einem der geräumigsten und trefflichsten Seehäfen in der Welt. „Dort herrscht seit eini gen Jahren eine große Aufregung, welchen Platz die Nor- thern-Pacisic-Eisenbahn-Gesellschaft wohl als den westlichen Terminus ausersehen habe, und jede von den an seinen Ufern liegenden kleinen Städten hofft zum Mindesten ein zweites San Francisco zu werden. Bis jetzt ist aber dort noch Alles ungewiß. Auf dem neuesten von dem großen Bankhause Jay Cooke u. Comp., welche Firma den Verkauf der Actien der nördlichen Pacificbahn betreibt, veröffentlichten Kartenplane ist die Nordwestseite der Bellinghambai als westlicher Terminus der nördlichen Pacisicbahn augedeutet. Nach die ser Karte erreicht die Hauptlinie das Thal des Columbia in der Gegend von Walla Walla und überschreitet das Cas- cadcgebirge durch den Snoqualaminpaß (nach neuester Messung 2600 Fuß hoch). Eine mehr südlich ziehende Ne benlinie folgt dem gewundenen Ufer des Columbia über Ka lama bis an die Mündung des Cowlitz und läuft dann direct nördlich, läßt den Pugetsund etwas zur Linken und verbin det sich mit der Hauptlinie an der Bellinghambai. Diese liegt nahe am Vcrbindungspunkte des Pugetsundcs mit der Straße von Fuca, hat vortrefflichen Ankergrund und in der Nähe (bei Whatkom) ergiebige Kohlenm inen und Eisen erze. Auch ist die Gesellschaft dort im Besitze einer bedeu tenden Landstrecke hart am Ufer der Bai, welche zugleich der Hauptwasserweg für die Nordwestpassage ist und durch die