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230 Die Tiefseeforschungen des Professors Agassiz. Kümooi-inus wurde ein 1864 von dem Norweger Sars entdecktes Crinoidengeschlecht genannt, das er in einer Tiefe von mehr als 200 Faden bei den Lofoten (daher RinMori- nu8 I^ototsnsiL) gefunden hatte. Da außer sehr zahlrei chen fossilen Crinoidcn nur wenige.lebende (wie ksntaori- NU8 oapnt msckusas, 6omatula und Holopns) bekannt waren, so machte dieser Fund damals unter den Zoologen großes Aufsehen. Rlli^oorinns besitzt keine Aehnlichkeit mit den schon bekannten lebenden Seelilien, schließt sich dagegen innig au die ausgestorbene Familie der Apiocriniten an. Auf einem 3 bis 4 Zoll langen gegliederten, am Boden festgewachsenen Stiele erhebt sich eine bimförmige, aus meh reren dicken Kalkspathplättchen zusammengesetzte Krone, deren oberer Rand von 4, 5 oder 6 langen, verästelten und fein gegliederten Fangarmen umgeben ist. Agassiz konnte den von ihm bei Barbadoes aufgefischten Rlli^oorinns 10 bis 12 Stunden am Leben erhalten und beobachten. „Wenn er sich zusammenzieht, werden die Pinnulä (die fadenförmi gen Anhänge der Arme auf deren Innenseite) gegen die Arme gepreßt und die Arme selbst werden gegeneinander gefaltet, so daß das Ganze einem Knäuel aus wenigen gro ben Bindfaden gleicht. Oeffnet sich das Thier, so trennen sich zunächst die Arme, ohne die Pinnulä zu entfalten, so daß die Krone einem Pentapoden gleicht. Doch allmälig biegen sie sich auswärts, entfalten langsam die Pinnulä und dann gleicht das Thier, wenn vollständig entfaltet, der Krone der Türkenbundlilie, bei der jedes Blumenblatt sich gleichsam selbst bewegt. Von Contractibilität habe ich im Stamme keine Spur entdeckt, wenngleich er nicht steif genannt wer den kann. Wird das Thier gestört, so ziehen sich zunächst die Pinnulä zusammen. Für mich war es äußerst inter essant, dieses Thier zu beobachten, das mir gleichsam von dem Leben untergegangener Arten erzählte, die in fernen geologischen Epochen in so gewaltiger Ausdehnung die Meere beherrschten. — Die nahe Verwandtschaft des Rhizocrinus mit den Apiocrinoiden wird noch dadurch dargethan, daß das Thier, wenn es stirbt, seine Arme abstößt, wie der fossile iLxioLrinuo, dessen Kelch gewöhnlich ohne Arme gefunden wird." Hierzu einige erläuternde Worte. Die Crinoidcn sind unter den Versteinerungen von der Silurformation an bis zur Tertiärzeit mit am häufigsten vertreten. Sie beginnen mit dem H^pantüoorinno und Oimsroorinuo in der Grau wacke, gehen durch die folgenden Formationen hindurch und erreichen in der Trias und der Juraformation das Maxi mum der Verbreitung. Lnorinno 1111110x11118 ist-eine der häufigsten Versteinerungen überhaupt; er kommt im Muschel ig—kalke in so ungeheuren Mengen vor, daß '1 - seine runden Stielglieder, die man auch steinerne Pfennige nennt, ganze Schichten, die sogenannten Trochitenkalke, zusammen- WAU setzen. Welcher Abstand nun zwischen t stmr Häufigkeit und der heutigen Sel- MK/ tenheit dieser Thiere! Auch in derJura- formation sind die Crinoidcn noch häufig und gerade hier finden wir die dem H-MM Rhizocrinus so nahe stehenden Apiocri- niden, die ihre Arme abstoßen. Wir bilden hier den Kelch des ^pioorinus r I sIsAans mit abgestoßenen Armen aus dem Bath-Oolith ab. Kelch von L.xioori- „And nun," fährt Agassiz fort, NU8 olkssans. Aus mag die Frage aufgeworfen werden, ein a )--o 1 ). kommt, daß heute diese Thiere nur im tiefen Wasser leben, während sie in vergangenen Zei ten in einer seichten See wohnten? An der Thatsache selbst kann nicht gezweifelt werden, denn man braucht hier bei nur auf die den Charakter der Untiefe tragenden siluri- schen Ablagerungen des Staates Neuyork hinzuweisen. Was bedeutet es nun, wenn wir den kootaorinm (schon 1755 durch Guettard bekannt geworden) und Rllmoorinns West indiens nur im tiefen Wasser finden? Mir scheint es, als ob nur eine Erklärung für diese Thatsache zulässig sei; und daß im Fortschritt des Wachsthums der Erde wir Betracht nehmen müssen auf eine Veränderung der günstigen Lebens bedingungen gewisser niedriger Typen, und in diesem Sinne deutete ich früher („Globus" S. 98) an, daß wir in tieferen Gewässern Repräsentanten vergangener geologischer Epochen finden mußten. Aber stimmt die heutige Tiefsee in Bezug auf die Bedingungen für die Entwickelung des Thierlebens mit den ehemaligen Untiefen in längst vergangenen geologi schen Zeiten überein? Ich glaube, ja, oder sie nähern sich wenigstens einander. Denn die Tiefe des Oceans allein kann die Thiere unter jenen hohen Druck bringen, welchen die schwere Atmosphäre früherer Periode erzeugte. Aber dieser hohe Druck, welcher auf den Thieren in großen Tie fen lastet, er kann sicherlich nicht günstig auf deren Lebens entwickelung wirken — daher die niedrigen Formen, welche wir in der Tiefste finden. Die schnelle Abnahme des Lich tes mit zunehmender Tiefe und der geringe Gehalt freien Sauerstoffes in diesen Gewässern, unter größerm und grö ßern! Drucke, die Abnahme und geringere Verschiedenartig keit der Nahrungsmittel u. s. w. — das Alles sind Ursachen, die in derselben Richtung und mit demselben Erfolge wirken. Aus all diesen Gründen habe ich stets erwartet, in größeren Tiefen organisirte Wesen von niedrigerer Structur als an unseren Küsten und in seichten Wässern zu entdecken. Aber in alle dem findet sich nichts, was den Schluß rechtfertigte, daß irgend eines der jetzt lebenden Thiere in gerader Linie von jenen früherer Zeitalter abstammte. Noch rechtfertigt diese Aehnlichkeit mit früheren Perioden die Behauptung, daß die Kreideperiode noch fortdauere. Es würde so gerecht als wahr der Natur gegenüber sein, zu sagen, daß genau die Tertiärzeit in den Tropen noch fortdauere, in Betracht der Aehnlichkeit der miocenen Säugethiere und jener der heißen Zone." Die letzteren Bemerkungen gehen gegen Darwin und Carpenter, welcher Letztere, auf den Globigerinenfund gestützt, die Fortdauer der Kreidebildung auf dem Meeresboden an nimmt. „Wir haben einen andern Beweis an der Ulonroko- niari-n Es ist noch nicht lange her, daß es bekannt wurde, das Schneckengeschlecht klsnrotommia sei keineswegs voll kommen ausgestorben, da vor etwa zehn Jahren ein einziges Exemplar in Westindien entdeckt wurde. Selbst Pictet in der zweiten Ausgabe seiner Paläontologie betrachtet klsnro- tomaria noch als ausgestorben und nur von der filmischen bis zur Tertiärzeit reichend. Bon der lebenden, bei der In sel Marie Galante gefundenen Art war nur die Schale be kannt. Wir fischten unsere ^lonrotommia in 120 Faden Tiefe an der Westseite von Barbadoes und erhielten sie 24 Stunden am Leben, während welcher Zeit das Thier seine bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten entfaltete, und eine colorirte Abbildung von demselben durch Herrn Blake ge nommen werden konnte, welche später veröffentlicht werden soll. Der Fuß ist sehr groß und besteht aus einer vertica- len Fleischmasse von großer Dicke, etwa einen Zoll lang, und ist fast doppelt so groß als der Durchmesser der Schale. Wo der Mantel an die Seiten des Fußes befestigt ist, ent lang dem obern Rande, bildet er einen häutigen Saum, der frei vom Fuße absteht und seiner ganzen Länge nach mit deutlichen Papillen besetzt ist, die ungefähr den Papillen am