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placirt, weil sie billiger zu haben sind. Alle Aufwärter, Feuerleute, ja die Matrosen mit ihrem Bootsmann sind Langzöpfe. Nur die Offiziere, Maschinisten, Obersteward, Oberkoch, Steuerleute, Zimmermann und ein paar andere Leute sind Weiße. Alle weißen Passagiere und Officianten zusammenrechnend mochten etwa 70 Männer den Gelben gegenüberstehen, oft ist das Berhältniß noch viel ungünstiger. Diese Dampfer haben schon 1500 Kulis auf einmal nach Californieu getragen, wenn höchstens 30 Weiße ihnen ge genüber standen. Die Capitäne und Offiziere eines solchen Dampfers haben eine ungleich schwierigere Stellung, als zum Beispiel die unserer deutschen Dampfer. Wir wissen gut genug, daß auch diese oft zu beschwichtigen haben, wenn die Passagiere, aufgeregt durch irgend einen Zufall, oder angestachelt durch unverständige Schreier, wie jedes Schiff einige trägt, das Zwischendeck unsicher machen. Dort hat so ein kleines In termezzo mit Störenfrieden nichts zu sagen, aber anders sieht die Sache aus, wenn eine solche Uebermacht von Kulis rebel lisch wird und ins Gähren kommt. Feige sind die Chine sen bekanntlich bis zum Lächerlichen, selbst wenn es Drei ge gen Einen gilt; aber merkwürdige Courage überkommt sie, wenn die Uebermacht Zehn oder Zwanzig gegen Einen beträgt. Dazu kommt, daß diese stillen Wasser unergründlich tief sind, daß sie grundsätzlich jeden Nichtchinesen hassen und verachten, und daß sie stets und stets conspiriren. Beispiele, daß Kulis Schiffe übermannt, dann darauf gemordet, geplündert, verbrannt haben, sind mehrfach berichtet worden; und solche Greuelscenen fielen dabei vor, daß man nur mit Schaudern daran denken mag. Die Pacific Mail Company ist bis jetzt dergleichen entgangen, es ist aber kei neswegs gesagt, daß so etwas unmöglich wäre. Im Gegen theil, die Gefahr dabei ist offenbar und groß, und wer, wie wir, zufällig einmal unter den hochgehenden Wogen der Auf regung eines solchen gelben, unsinnigen Pöbels gestanden hat, ist gern zufrieden, wenn man ihm den fernem Anblick eines so unerquicklichen Schauspiels erspart. Auf dieser unserer Reise passirten also zu drei oder vier Malen kleine unbedenkliche Affairen, wenn die Chinesen sich irgend wie glaubten beschwert halten zu müssen, verliefen aber so rasch als sie entstanden. Plötzlich indeß gab es einen allgemeinen Sturm, der nahe daran war, höchst unangenehm zu enden. Nahe dem Vordercastell des Dampfers stand ein großes Faß mit Wasser, gehütet durch einen Weißen, der darauf zu sehen hat, daß nicht mehr als das nöthige Wasser verbraucht wird. Abgerufen zu einer andern Arbeit, hatte dieser seinen Posten für einige Minuten einem chinesischen Matrosen anvertraut mit der Ordre, während seiner Abwe senheit durchaus kein Wasser abzugeben. Kaum hatte er den Rücken gewandt, so meldeten sich sofort einige Chinesen mit Blechschüffeln, und wurden wüthend, als ihr gewissen hafter Landsmann sich weigerte, gegen den Befehl seines Vor gesetzten zu handeln. Sogleich entstand um ihn her ein Auflauf, man schalt ihn einen Verräther und Abtrünnigen seines Vaterlandes, man gab vor, das Wasser sei für Kranke nöthig gewesen, das laute Schreien der Erbosten drang hin unter ins Zwischendeck. Sofort stürzten von unten Hun derte ans Deck, die Spieler ließen Matten und Würfel im Stich, die ganze Bande formirte sich zum Knäuel. Schon erhoben sich die Hände, den Wehrlosen zu schlagen, schon schrie die Menge nach seinem Blut, als der erste Offizier des Schiffes Herbeidrang und den Matrosen deckte. Er demonstrirte dm Leuten mit ruhigen Worten, wie unsinnig sie handelten, ließ durch den Dolmetscher ihnen vorstellen, wie schuldlos der Matrose sei, suchte sie zu bereden, ruhig wieder aus einander zu gehen, und mühte sich, den Frieden durch freundliche Vorstellungen wieder herzustellen. Gewiß verdiente der Offizier alles Lob, da er seine Ruhe unter Umständen bewahrte, wo tausend Andere schon zu Zwangs maßregeln gegriffen hätten. Vergebens that er sein Möglichstes, der Aufstand nahm zu; schon drängte ein halbes Dutzend Weißer sich in die Nähe des Offiziers, der jeden Augenblick konnte selbst ange griffen werden. Jetzt nahm er den Hauptschreier beim Kra gen, ihn zum obern Deck zur Bestrafung zu geleiten. Nach zehn Schritten aber konnte er schon nicht weiter, denn die Menge ließ ihn nicht mehr durch. Jeder Augenblick mehrte die Gefahr, die Aufregung kam auf den höchsten Punkt. Jetzt ergriff man den unschuldigen Matrosen; ein junger Mexi- caner, welcher als Seemann mehrere Jahre in China ge wesen war und die Sprache sehr gut gelernt hatte, rief uns laut zu, daß der allgemeine Schrei des Pöbels „über Bord mit den Weißen!" sei. Alles ging natürlich so rasch und stürmisch vor sich, daß wirklich man kaum auf dem Hinter deck etwas davon gewahr wurde, bis der Hauptsturm vor über war. Aber Rettung kam diesmal von einer Seite, woran die Aufständischen nicht gedacht hatten. Denn als sie sich an den Matrosen vergriffen, da schrie dieser um Beistand nach seinen Cameraden, und sie ließen ihn nicht im Stiche. Wü thend, daß einer der Ihrigen bedrängt werde, griffen sie mehrere schwere Stangen auf und umstellten — nicht ihren weißen Offizier — ihren chinesischen Mitmatrosen. Und doch kam eine neue Gefahr, denn ein Theil der aufgeregten Bande stürzte ins Zwischendeck, brach die Stangen los, welche das Lager eines Jeden zusammenhalten, und stellte sich den Matrosen kampfmuthig gegenüber. Und wiederum dankten wir Alle im Stillen es dem braven Offizier, daß er seine Ruhe bewahrte. Schon hatte er den Matrosen, um welchen sich der Streit erhob, zur Seite zu schaffen gewußt, er gab auch demjenigen, welchen er verhaftet hatte, klüglich die Frei heit wieder, schickte seine Matrosen aufs obere Deck und goß Oel durch Besonnenheit auf die hochgehenden Wogen, gegen welche unter solchen Umständen ja doch nur schwer anzu kämpfen war. Einige Andere unterstützten ihn, so daß der Haufen sich nach und nach vertheilte, und nach einer vollen Stunde der spannendsten Unruhe war der Strom wieder in ruhigere Ufer gedrängt und wir Alle fühlten uns merklich erleichtert. Unlängst bildete sich auf einem dieser Dampfer in der Stille eine wirkliche Verschwörung, deren Plan cs war, sich des Schiffes zu bemächtigen. Die chinesischen Passa giere waren sämmtlich einig, es galt nur noch die Beman nung zu gewinnen. Die Conspiratoren schrieben also in chinesischer Sprache Zettel und steckten dieselben dutzendwcis über das ganze Schiff auf. Nicht nur im Salon, nein, wirklich selbst in der Cajtite des Capitäns 'fand man die Aufrufe an die Matrosen, Feuerleute und Aufwärter ange heftet. Darin forderten die Verbündeten ihre Landsleute auf, sich für einen gewissen Zeitpunkt bereit zu halten, um im Verein mit ihnen gewisse Unbilden zu rächen, die sie glaubten erfahren zu haben. Wer von ihnen aber sich zum Verräther seiner Brüder hergäbe oder nicht hülfe, der sei des Todes gewiß. Und so groß war die Furcht vor den Con sequenzen, daß selbst der vom Schiffe angestellte chinesische Dol metscher, welcher das unbedingte Vertrauen der Offiziere ge noß, nicht den Mund gegen diese zu öffnen wagte und Alles verschwieg. Erst am Morgen des Tages, wo der Ausbruch stattfinden sollte, brachte ein reiner Zufall die Geschichte ans Licht, und die Weißen konnten noch rechtzeitig sich mit solchen Vorsichtsmaßregeln umgeben, daß den Verschwörern der Muth entfiel. 28»