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138 Heinrich v. Maltzan: Gottesgericht und Feuerprobe in Südarabien. Tange festhLngen und in ihrem natürlichen Elemente mehr zu gehen als zu schwimmen scheinen. Nun aber sind wir bekannt geworden mit der Art und Weise, wie sie sich fort- pflanzen, und dürfen wohl die Frage aufwerfen, ob der wichtigste Gebrauch, welchen sie von ihren so eigenthümlich gebauten Flossen machen, nicht der sei, ihr Nest zu bauen? Die Entdeckung des Nestes war rein zufällig. Wir untersuchten die großen Massen schwimmenden Seekrautes, welche wir sofort antrafen, als wir in die Gewässer des Golfstromes kamen. Ich hatte es mir zur besonder« Aufgabe gemacht, das schwimmende Sargasso ge nau zu prüfen, um wo möglich die Frage zu beantworten, woher dasselbe komme. Ich hatte darüber einen Vortrag an Bord gehalten, Alles zusammengestellt, was ich über den Gegenstand wußte, und was weiter zn erforschen sei. Es war meine Absicht, dadurch das Interesse der Schiffsoffiziere und meiner wissenschaftlichen Begleiter für dieses Problem lebhaft zu interesstren. Ich hatte gesagt, daß meiner Mei nung zufolge das Golfkraut sich nicht vervielfältige, während es schwimme, wenn auch möglicherweise die schwimmenden Zweige an Größe zunähmen. Es wurden selbst die klein sten Zweige gesammelt, um zu ermitteln, ob auch an diesen wahrzunehmen sei, daß sie von irgend einem festen Punkte abgerissen waren. Von jenem Tage an wurde jeder Fleck Sargasso, an welchem wir vorüberfuhren, sorgfältig unter sucht, und ich bin sür unsere Aufmerksamkeit reichlich belohnt worden durch die Entdeckung des Chironectesnesies. Wenn es doch einem andern Naturforscher gelänge, zu beobachten, wie der Fisch beim Baue dieses Nestes zn Werke geht! Vom embryologischen Standpunkte sind diese kleinen Fische höchst interessant. Die verticale Flosse, welche bei den bisher be kannten Fischen sich über den ganzen Rücken hinzieht, be ginnt beim jungen Chironectes weit hinten und kommt auf Nacken und Rücken nicht vor. Sodann ist die Lage des Herzens eine ganz eigenthümliche; dasselbe befindet sich nicht an der Vereinigung des Dottersackes mit dem Kopfe, son dern liegt unten an der Vorderseite des Dotters. Sittenschilderungen aus Südarabien. Von Heinrich Freiherrn von Maltzan. Gottesgericht und Feuerprobe. Nach dem strengen Gesetz des Islam kann die Schuld eines Mörders oder Tvdtschlägers nur durch Geständniß, durch Zeugen oder durch Eid erwiesen werden. Das erstere kommt fast nie vor. Zartheit des Gewissens ist ein unbe kanntes Ding. Außerdem gilt das Geständniß bei Mos lems nie als mildernder Umstand. Im Gegentheil: wer gesteht, wird als unmännlich verachtet. Durch Zeugen ist die Thäterschaft oft schwer festzustellen, namentlich nach den Gesetzen der Schafei, welche vier Zeu gen männlichen Geschlechts, unbescholtenen Lebenswandels und die keinerlei Grund zu Haß gegen den Angeschuldigten haben, verlangen. Andere Secten verlangen nur zwei Zeu gen. Aber alle Bewohner des tiefsten Südens von Arabien sind Schafer. ' Der dritte Beweis, der durch Eid, ist leichter zu führen. Logisch ist er freilich gar kein Beweis, sondern ein.ungerech tes und fanatisches Ueberführungsmittel, durch welches selbst der Unschuldigste mit gebundenen Händen einem gewissen losen Kläger überliefert werden kann. Wenn nämlich weder Geständniß, noch hinreichende Zeugenaussagen vorliegen, und der Angeklagte seine Unschuld nicht durch klare Beweise dar- thun kann, so leistet der Kläger sunfzigmal den Eid, daß jener der Mörder sei, worauf das Recht der Blutrache ein tritt. - Diese letztere Art des Schuldbeweises hat bei den süd arabischen Kebäil niemals so recht Geltung erlangen können. Sie hatten aus ihrem Heidenthum ein anderes Beweismittel überkommen, das, obgleich abergläubisch im höchsten Grade, dennoch das Leben eines Angeklagten nicht so erbarmungs los den Händen seines Anklägers überlieferte, wie es der moslemische Beweis durch Eid thut. Denn, selbst abgesehen vom Meineid, der Kläger, und sei er noch so gewissenhaft, V. schwört ja nur auf das, was er glaubt, jund dennoch hat sein Eid die Kraft, ein Menschenleben zu verwirken! Jenes Beweismittel ist das Gottesgericht, ähnlich wie es in Europa im Heidenthum und selbst noch im Mittel- alter existirte, wie es bei den Hexenprocessen vielfach zur An wendung kam, und wie es auch den Gerichtskämpfen, den juridischen Turnieren (ooiullscks suckioiairss) zu Grunde lag, deren letztes unter Heinrich dem Zweiten von Frankreich mit dem bekannten ooux> cks Isaac endigte. Das Princip ist: Gott soll die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten da durch offenbaren, daß er ihm gestattet oder verweigert, aus einer schwierigen und gefährlichen Lage unbeschädigt hcrvor- zugehen. Es gab mildere und härtere Formen des Gottesgerichts. Eine solche mildere Form bilden die Gerichtskämpfe, denn hier hatte der Angeklagte doch gleiche Aussicht auf Sieg, wie sein Feind. Häufiger waren jedoch die härteren. Bei die sen verlangte man als Entlastungsbeweis etwas, was natur gemäß entweder sehr selten eintreffen konnte, oder auch ge radezu unmöglich war. So verlangten die obotritischen Heiden an der Ostsee, daß der Fuß eines Unschuldigen auf einem Stein durch Abdruck seine Spur hinterlasse. Eine an sich zwar nicht unmögliche, aber unter den Umständen oft schwer zu erfüllende Probe war es zum Beispiel, wenn der Hexenmeister der Beschuldigten im Namen der Jungfrau befahl, sx adruxto Thränen zu vergießen. Der Art Proben existiren fast in allen Ländern. So berichtet Du Chaillu vom Gifttrinken der Negerinnen im tropischen West afrika , durch dessen Effect ihre Schuld oder Unschuld bewie sen werden soll. Aehnlicher Art ist auch die beliebteste Form des Gottesgerichts in Südarabien. Ehe ich jedoch diese beschreibe, will ich von der Person der Gottesrichter berichten. Nicht jeder Häuptling oder Sul tan kann Gottesrichter sein. Es sind nur einzelne wenige,