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dig zugesagt worden war. Doch angenommen, daß die ägyp tische Regierung ausnahmsweise die Sache ernst meine und auf die Dauer ihren guten Willen bethätige, so blieben doch kolossale Schwierigkeiten zu überwinden. Wer die Verhältnisse am Weißen Nil auch nur einigermaßen kennt, wird das von vornherein begreifen. Die Waaren und an dere Vorräthe lassen sich allerdings, wenn auch mit großen Kosten, bis Gondokoro und an die Seen schaffen, aber es fragt sich, ob die Tausende mohammedanischer Sol daten, die weit und breit in vereinzelte Stationen verzettelt werden müssen, in Zucht zu halten sind? Keinem Zweifel unterliegt es für uns, daß die ägyptischen Offiziere einem Ungläubigen sich nur widerwillig un- tcrordnen werden." Nachdem wir dieses vorausgeschickt, wollen wir berichten, welchen Fortgang die Expedition bisher genommen hat. Un- term 15. September 1869 schrieb Baker ans Alexandria an Roderich Murchison, daß Alles zum Aufbruche bereit sei; schon war eine Flotte von Dampfern und Barken von Kairo abgegangen, um nilaufwärts bis Chartum zu fahren; man hoffte, daß sic bei dem hohen Wasserstande ohne Schwierig keit über die Katarakten hinwcgkommen würde. Auf 400 Kameclen waren 800 Gepäckstücke durch die nubischc Wüste über Korosko voraufgeschickt worden. Baker erwartete nur noch das Eintreffen der in England für die Fahrt auf den Aequatorialseen gebaueten Dampfer und sechs Maschinen bauer, welche jene Fahrzeuge am Albert-See zusammcnsetzen sollten. In Korosko wurden 800 Kameele bereit gehalten, um die einzelnen Schiffstheile nach Chartum zu bringen. Baker wollte sich am 4. October 1869 von Suez nachSua- kin einschisfen, wo 200 Kameele seiner harrten; sie sollten ihn und sein Gepäck durch die Wüste nach Berber (18° N.) am Nil bringen. Auf dem hier bereit gehaltenen Dampfer wollte er dann die Fahrt in drei Tagen bis Chartum zurück legen („Globus" XVI, S. 158). Baker's Plan wurde im Allgemeinen sehr gepriesen, erfuhr aber auch eine scharfe Kritik. Der englische Oberst Millingen, der mit dem Oriente gründlich vertraut ist, fand, daß derselbe für ein so gigantisches Unternehmen schlecht entworfen sei; ohnehin wolle man denselben mit unzuläng lichen Mitteln ausführcn. Auf einem so Ungeheuern Raume, auf welchem ohnehin die Operationen ungemein schwierig seien, wäre es rein verlorene Mühe, mit 5000 oder auch 10,000 Mann dem Sklavenhandel steuern zu wollen. „Und wenn nun Baker von Offizieren und Soldaten, welche seine Pläne ansführen sollen, verrathen wird? Aber auch wenn sie in seinem Sinne wirken, hat er doch keine Aussicht auf Gelingen; denn 5000 Mann reichen nicht aus, einen Cordon um Feinde zu ziehen, die überall und nirgends sind und denen nicht ein mal 200,000 Mann das Handwerk legen könnten. Baker möge sich also auf einen Fehlschlag gefaßt machen. Die sanguinische Hoffnung, das Uebel ausrotten zu können, läuft auf eine bare Täuschung hinaus, da weder Aegypter noch Türken, weder Khedive noch Sultan jemals irgend etwas gethan haben, um Zustände zu beseitigen, die ihnen ganz genehm sind." („Globus" XVII, S. 335, Juli 1870.) Baker hoffte im Laufe des Jahres 1870 stromaufwärts bis Gondokoro zu gelangen, das er jetzt, lächerlich genug, in Jsmailia umgetauft hat. Dort sollte das große Cen- tralhanptquarticr aufgeschlagcn werden, und von diesem aus wollte er einmal die verschiedenen Häuptlinge zur Unterwer fung zwingen und^sodann nach den großen Aequatorialseen hinoperiren. Sein Plan mißlang. Durch ein Schreiben vom 15. Juni 1870 erfuhren wir, daß er im Lande der Schil- luks ein Standquartier errichtet habe, bei Taufikiya (Tow- fikeeya), 9" 26' N., am Ufer des Weißen Nil. Er brachte seine Vorräthe, um sie gegen den Regen zu schützen, in Ma gazinen unter, die aus galvauisirtem Eisen errichtet waren; seine aus 58 Schiffen bestehende Flotte lag dem Ufer ent lang; Europäer und Soldaten waren noch gesund. Alle verschiedenen Abtheilungen der Expedition waren vereinigt; der Oberingenieur Higginson hatte die einzelnen Schiffs bestandtheile glücklich durch die nubische Wüste gebracht; nicht weniger als 1800 Kameele waren zur Beförderung derselben erforderlich gewesen. Die Regenzeit rückte vor und die Ex pedition nach Gondokoro mußte aufgeschoben werden. Baker ließ Getreide säen und hoffte, im November nach dieser Sta tion aufbrechen zu können. Seit 1865, als Baker sich am Weißen Nil befand, ist der Strom durch einen großen Damm gleichsam versperrt worden. Derselbe hat sich aus gewaltigen Massen von Sumpfpflanzen gebildet, die von oben herabge schwemmt worden sind und ein dichtes Gewirr bilden. Der Fluß nimmt seinen Weg unter diesem Damme hin. Die Sklavenhändler, welche nun den Hauptstrom nicht mehr be nutzen konnten, entdeckten dann eine andere Fahrbahn, auf welcher sie bisGondokoro gelangen konnten, den Giraffen fluß. Dieser galt bisher für einen Nebenfluß des Nils; jetzt weiß man, daß er einen Arm des Hauptstromes bildet. Baker versuchte, auf demselben weiter zu kommen und drang auch unter großen Schwierigkeiten bis 7°47'46" N. vor. Hier traf er jedoch wieder auf einen aus Sumpfgewächsen gebildeten Damm, durch welchen er einen Canal hauen ließ, nm mit den Schiffen hindurch zu können. Eine kleine Strecke weiter aufwärts wurde jedoch der Giraffenfluß so seicht, daß an ein weiteres Vordringen bis zum Eintritte der Regenzeit nicht zu denken war („Globus" XVIII, S. 143. Octobcr 1870). So war der Fortgang der Expedition bis in den Som mer 1870. Das Weitere erfahren wir nun aus den er wähnten zwei Briefen Baker's; der, welcher in Alexandria bei Herrn G. Oppenheim am 18. Januar 1871 eintraf, ist datirt: 4»55' N. Jsmailia (— soll heißen Gon dokoro —), Afrika, 20. October 1871; es heißt in dem selben : „Nach einer geradezu fürchterlichen Reise von 5 Monaten und 22 Tagen ist die Expedition hier angelangt. Es ist unmöglich, auch nur annähernd die Schwierigkeiten derselben zu schildern. Da der Weiße Nil geschlossen war, so blieb der einzige Weg nach Gondokoro nur der Giraffenfluß. Die ser abscheuliche Fluß bildet eine Reihenfolge von seichten Stellen, die manchmal kaum zwei Fuß Tiefe haben. Dazu kommt, daß man auch nicht einen Zoll trockenen Boden fin det, denn der Fluß strömt durch endlose Sümpfe von Schlamm. Meine 58 Schiffe habey von 4 bis 4'/z Fuß Tiefgang. Monate lang mußten wir Canäle hauen und dieselben mit Hacken und Spaten vertiefen, um weiter zu kommen. Es versteht sich, daß Offiziere und Mannschaften gern umgekehrt wären; ich trieb sie jedoch vorwärts und wir überwanden, Gott sei Dank, die Schwierigkeiten. Nun sind wir hier, haben aber unterwegs Vorräthe für sechs Monate aufgezehrt, was eine bedenkliche Sache ist. Die wilden Baris begannen sofort Feindseligkeiten und tödteten einige unserer Leute, sie sind aber jetzt ganz niedergeduckt. Das Bedenklichste ist der Widerwillen, welchen Offiziere und Mannschaften gegen die Expedition hegen; sie sind verdrießlich darüber, daß dem Sklavenhandel gesteuert werden soll. (— Das wird sicherlich nicht der ein zige Grund ihres Mißvergnügens sein, aber um den Phi lanthropen zu gefallen, schiebt Baker ihn vor; wir werden später gewiß auch die übrigen Ursachen erfahren. —) Ich habe über Alles, was sich ereignete, an Schcrif Pascha 14»