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(es sei denn bei solchen Ausnahmsfällen, wie dem von mir in Laheg geschilderten, wo eine Paria zum Singen bestellt wurde). In gewöhnlichen Fällen, selbst wenn sie mit Ara bern Geschäfte haben, müssen sie draußen vor der Thür schwelle bleiben. Sie verrichten eine Anzahl von Gewerben, die den anderen Südarabern für anrüchig gelten, wie das Schmiede-, Gerber-, Metzger-, Töpferhandwerk, und über haupt untergeordnete Dienste, woher auch ihr Name, denn Achdam heißt einfach „Diener". In Laheg bewohnen sie eine eigene Gasse. Ich kam einmal dnrch dieselbe und fand eine ganze Achdam-Gesell- schaft mit Flechten von Körben und Matten beschäftigt, wo bei sie Lieder sangen. Ich blieb stehen, um ihnen zuzuschauen. Dies war ganz gegen den Brauch und der mich begleitende Araber machte mich darauf aufmerksam. Merkwürdig war der Grund, den er für die Unschicklichkeit dieses Stehenblei- bcns anführte. Nämlich nicht, weil der Höhcrgcstellte sich dadurch verunreinige, sondern weil die Achdam ein Recht hätten, in ihrer Gasse ungestört zu sein und die Gegenwart Anderer sie beschäme. „Was willst Du?" meinte mein Begleiter, „die armen Menschen müssen doch wenigstens einen Ort haben, wo sie sich frei von Verachtung fühlen. Dies ist ihre Gasse und wir gehören nicht hierher." Es scheint somit, als entschädige die Volkssitte in einer Beziehung die Achdam für ihre verlorene Stellung. Aber noch in einer andern Beziehung ist dies der Fall. Die Ach dam sind nämlich fast überall frei von Abgaben, während die anderen unterworfenen Classen, die Raye und Juden, nicht nur Kopfgeld zahlen, sondern bei jeder Gelegenheit auf die willkürlichste Weise besteuert werden. Von den Achdam dagegen Steuern zu fordern, würde für den Häuptling eine Schande sein. Im Gegentheil, es gilt für eine Ehre, sic reichlich zu beschenken, besonders wenn sie bei einer Hochzeit oder Beschneidung musicirt haben. Die Sitte verlangt dann, daß man den Achdam nichts abschlägt. Der Hochzeiter wird sogar manchmal von ihnen geradezu ausgezogen. Ein Mann aus Beda im Rezaazlande erzählte mir, er habe einst zu gesehen, wie ein Musikant einem Hochzeiter Alles bis aufs Lendentuch abgebettelt habe und dieser sich schämte, es ihm zu verweigern. Nur im eigentlichen Demen führt übrigens die erste Pa riakaste den Namen Achdam. In den anderen Gegenden Südarabiens gelten andere Bezeichnungen, je nach dem Ge werbe, welches sie ausüben. Im Audelilande, in Dathina, am Gebe! Kor heißen sie Merafai. Dies Wort bedeutet eigentlich „Hochzeitsgratulant", wird aber für Musikant ge braucht. Im Rezaazlande nennt man sie Do sch an (Sän ger) und Schahed (Lobsinger). Denn in den Ländern, wo keine Schnmr leben, ist das Musikantengewerbe in Händen der ersten Pariakaste, im eigentlichen Demen dagegen stets und fast ausschließlich in Händen der zweiten. Dies Ge werbe gilt nämlich für das verächtlichste von allen, Abdecke rei ausgenommen. Es giebt aber auch ein Land, bei Ka- tiba und Data, wo Merafai kein verachteter Name ist. Dort nennt man die Trommler so, welche Soldaten sind. Im Wadi Doan, in Hadhramaut, werden die Parias Z abih, d. h. Metzger, genannt. Eine Classe, die der Töpfer, heißt dort Bahadur*). So hieß nämlich der erste dortige Töpfer mit Eigennamen und sein Name ging auf die Classe über. Diese genannten Parias, Merafai, Doschan, Schahed, *) Die« Wort ist ostindisch und bedeutet „Ercellenz". Merk würdig, daß die ostindische Ercellenz hier so zu sagen zum Schimpf wort geworden ist. Globus XXI. Nr. 7. (Februar 1872.) Zabih, Bahadur sind nirgends sehr zahlreich vertreten und wohnen nnr in kleineren Gruppen, manchmal in einem eige nen Dörfchen beisammen. So ist im Rezaazlande ein Dorf, Mcsfegge mit Namen, das ausschließlich von Doschan be wohnt wird. Sie sind jedoch über das ganze Land zerstreut, so daß man deren fast überall, wenn auch nur wenige trifft. Ganz anders ist es jedoch mit den Parias, die wir in den Aulaki- und Wasidiländern finden. Hier heißen sie Ahl Haik, d. h. Weber, weil eben dies ihr Hauptgewerbe ist. Die Ahl Haik wohnen nie in kleineren Gruppen, son dern immer in ganzen Städten beisammen. Solche Städte sind Roda im Wasidilande, eine andere im Aulakilande, die schlechtweg Ahl Haik heißt, verschiedene im Hochlande des Sarw Madhig bei Nisab, Deschbum und in Marcha. Diese zahlen zwar Abgaben, erhalten aber dafür das Recht, unge stört und allein in ihren. Städten wohnen zu dürfen. Die anderen Araber betreten übrigens diese Städte nie, sondern gehen darum herum, wenn ihr Weg sie dahinführt. Auch für diese weniger verachtete Pariakaste finden wir ein Aequivalent in Ostindien. Sie führen dort gleichfalls verschiedene Namen, wie Mahtar, Dhabi, je nach ihrem Ge werbe, bald Straßenkehrer, Wäscher, Grubenreiniger. Aden ist in dieser Beziehung eher wie eine ostindische als wie eine arabische Stadt. Denn die verachteten Dienste werden dort von ostindischen, nicht von arabischen Parias ausgeübt. Die arabischen Parias, deren auch viele in Aden sind, geben sich hier für freie Araber aus. Dies können sie freilich nur den Nichtarabern gegenüber. Ein Araber würde sie gleich mit Schimpf an ihre Stelle verweisen. Da aber von der Be völkerung Adens kaum ein Drittel ans Arabern besteht (die anderen sind Ostindier, Juden, Somali, Neger u. s. w.), so können sie es oft wagen, ihr Pariathum zu verleugnen. Sogar die Schumr kommen in Aden in Moscheen. Wer kann sie hindern? Aden ist ein „Beled el Amaan", ein Land der Freiheit und Gleichheit, wo sociale Unterschiede keine Geltung haben. Es ist in der Literatur bis jetzt noch sehr wenig von diesen Pariakasten Arabiens die Rede gewesen. Niebuhr deutet zwar etwas Aehnliches an, indem er erzählt, er sei einst einer kleinen Bande von verachteten Landstreichern be gegnet, die er sehr treffend mit unseren Zigeunern verglich. Der Einzige, der etwas ausführlicher davon handelte, war Arnaud, der berühmte Reisende, dem wir die Wiederentdcckung von Saba und Marib verdanken. Arnaud unterscheidet vier Classen: die Achdam, die Barbiere, die Schumr und die Schafuli. Achdam und Barbiere gehören nach ihm zur ersten, Schumr und Schafuli zur zweiten Pariakaste. In meinem Forschungsgebiet ist der Name Schafuli gänzlich unbekannt. DasBarbiergewcrbe dagegen wird nicht von Parias, sondern von anderen Arabern ausgeübt. Die Vicrzahl ist also dort auf zwei reducirt. Arnaud hat auch der Versuchung nicht widerstehen kön nen, eine Theorie über den Ursprung dieser Kasten aufzu- stcllen. Er hält sie für die Reste des alten himyarischen Volkes, welche nach ihm also in diesem Lande ihrer einstigen Herrschaft zu Auswürflingen degradirt worden wären. Die Himyaren sind aber im tiefen Südarabien noch heutzutage das herrschende Volk. In Oberyemen, wo Arnaud reiste, gab es gar keine Himyaren, sondern nur Sabäer. Diese Theorie ist also nicht stichhaltig. Gewöhnlich hält man sie für Abkömmlinge der Abyssi- nier, welche einst in Südarabien herrschten. Auch dafür spricht nichts, denn wenn man in den Physiognomien eine Aehnlichkeit findet, so existirt dieselbe doch auch mit allen anderen Südarabern, die gleichfalls Manches mit dem Typus der Tigrsvölker gemein haben. Ursprungstheorien über Völ- 14