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würden, und veröffentlichten Documente. Jedermann schrieb eine Lobrede auf sich selber. Aber nur wenige Personen hatten den Muth, alle diese Dinge zu lesen, und wer sie las, hütete sich wohl, Nutzen daraus zu ziehen. Wer nicht unserer Eitelkeit schmeichelt und sie hätschelt, der gilt in un seren Augen für einen schlechten Menschen, für einen Feind des Gemeinwesens." Chevalier schließt seinen interessanten Beitrag zur Völ kerpsychologie mit folgenden Worten: „Der alte gallische Esprit hat noch manche große und gute Dinge zu thun, aber er muß seine griechischen Jntriguen ablegen, den byzantini schen Neid abschwören, den selbstmörderischen Haß abthun und nicht ferner die Mittelmäßigkeit ermuntern." Parthenogenesis unter den Schmetterlingen. Bereits 1856 hat v. Siebold in seinem Werke „Wahre Parthenogenesis bei den Schmetterlingen und Bienen" auf die wunderbare Erscheinung der Parthenogenesis hingewiesen, worunter man die Fähigkeit der Weibchen versteht, mit Lebens keim versehene Eier zu legen, ohne daß eine Befruchtung vorausgegangen wäre. Die Sache, welche Widerspruch er regte, ist vollkommen richtig und neuerdings durch einen holländischen Naturforscher, M. H. Weijenbergh jun., Uber allen Zweifel erhoben worden. Sein in mehr als einer Beziehung interessanter Bericht steht in dem 1870 von der Harlemer Gesellschaft der Wissenschaften veröffentlichten „Nie derländischen Archiv". Im Herbst 1866 fand er ein Pär chen des sehr bekannten Großkopfspinners (Dixaris äisxar) in der Begattung. Dieser Schmetterling ist sehr häufig und durch die große Verschiedenheit im Aussehen der beiden Ge schlechter charakterisiert. Kurz darauf fand er an dem Platze, wo die Begattung vor sich gegangen war, 500 Eier dieses Spinners. Um den natürlichen Prozeß der Ausbildung möglichst wenig zu stören, ließ Weijenbergh diese Eier, die er zu seinem Versuche ausersehen hatte, den Winter über an ihrem Platze im Freien nnd brachte sie erst im April 1867, als das Auskriechen der Raupen zu erwarten stand, in Ver wahrsam. Gegen Ende des Monats erschienen auch die Räupchen, die regelmäßig aufgefüttert wurden und im Juni sich verpuppten. Mitte Juli krochen die Spinner aus. Es war leicht, schon im Raupenzustande die beiden Ge schlechter von einander zu unterscheiden, und die Männchen wurden so gut wie möglich entfernt, während man die weib lichen Raupen in einen Behälter brachte, wo sie von allen äußeren Einwirkungen abgeschlossen waren. Mit so gutem Erfolge war die Trennung der Geschlechter im Raupen zustande schon durchgeführt worden, daß nur ein einziges Männchen zwischen den Weibchen auskroch; da aber vorher fast alle Weibchen sofort nach dem Auskriechen entfernt wor den waren, so lag für diese durchaus keine Gefahr vor, be gattet worden zu sein. So erhielt Weijenbergh 60 Weib chen, die absolut von den Männchen getrennt worden waren. Zwei Drittel derselben legten im Herbste Eier; einige nur eines, andere zwei bis drei, andere zehn bis zwanzig, doch selbst diese legten nicht den zwanzigsten Theil so viel Eier wie die Mutter, von der sie stammten. Das übrige Drittel legte gar keine Eier. Im Ganzen erhielt man auf diese Weise über 400 Eier, von denen man mit Bestimmtheit wußte, daß sie nicht durch ein Männchen befruchtet waren. Sorgfältig wurden sie bis zum April 1868 aufbewahrt, wo denn trotzdem zahl reiche kleine Raupen erschienen. Man fütterte und hütete die Thierchen sorgfältig, erkannte aber sofort, daß sie nicht die volle Lebenskraft besaßen wie die Generation des vorher gehenden Jahres. Eine große Anzahl der Eier war ohne hin, ohne Raupen zu geben, vorher eingetrocknet, aber SO ! Raupen erschienen, von denen es 40 bis zum VerpuppungS- zustande brachten. Aus diesen 40 Puppen erhielt Weijen- bcrgh gegen Ende Juli 27 Spinner. Es waren dieselben Vorsichtsmaßregeln wie früher beobachtet worden, er hatte die Männchen zeitig entfernt und die 14 Weibchen isolirt. Von diesen 14 Weibchen legten 7 abermals Eier, die übrigen 7 aber nicht. Aus diesen Eiern, die abermals nicht direct befruchtet worden waren, erschienen im April 1869, drei Jahre nach dem Beginn des Experiments, abermals junge Raupen. Von diesen erhielt man nun merkwürdigerweise mehr Schmetterlinge als im Vorjahre, auch war die Zahl der erhaltenen Männchen und Weibchen gleich, was im Widerspruche mit den Angaben anderer Forscher steht, welche constatirten, daß im Verlaufe des Experiments die Zahl der Weibchen gegenüber jener der Männchen abnehme. Die im Jahre 1869 gelegten Eier schrumpften jedoch allmälig zu sammen, vertrockneten und im April 1870 krochen keine Raupen mehr aus. Das Experiment hatte ein Ende. Es war mit der äußersten Vorsicht durchgcführt worden; die Männchen, rechtzeitig entfernt, hatten keinen Zutritt zu den Weibchen, und das Ergebniß war daher folgendes: 1) Im August 1866 Eier, gelegt von einem befruchteten Weibchen. April 1867 Erscheinen der Raupen, im Juli entwickelte Spinner. 2) Im August 1867 Eier gelegt von den diesjährigen Weibchen ohne Befruchtung. April 1868 Erscheinen der Raupen und im Juli der entwickelten Spinner. 3) Im August 1868 Eier gelegt von den diesjährigen Weibchen ohne Befruchtung. April 1869 Erscheinen der Raupen und im Juli der entwickelten Spinner. 4) Im August 1869 Eier gelegt von den diesjährigen Weibchen ohne Befruchtung. Im April 1870 kein Resultat. Die Eier waren abgestorben. So waren also nach der ersten Befruchtung des Weib chens im Herbste 1866 drei verschiedene Generationen Rau pen und schließlich Spinner erschienen und vier Mal waren Eier gelegt worden, ohne daß inzwischen eine weitere Be fruchtung stattgefunden hatte. Die erste Befruchtung 1866 hatte mithin für drei nach einander folgende Generationen ansgedauert. Es würde eine sehr lange Reihe von Versuchen erfordern, von denen jeder mit der gleichen Sorgfalt wie dieser durch geführt sein müßte, ehe man die durchschnittliche Grenze die ser wunderbaren reproductiven Kraft bestimmen könnte. Aber die Experimente sind, wie aus dem mitgctheilten Beispiele zu ersehen, nicht schwer durchzuführen, und gewiß werden sich Liebhaber finden, welche sie weiter fortsctzen, wenn auch bei anderen niedrigen Thieren. Ihr Werth mit Bezug auf die Theorie der Otsnsrakio spontansa liegt auf der Hand und wir dürfen voraussetzen, daß die Parthenogenesis zunehmen wird, je tiefer wir in der Scala des thierischen Lebens