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Aufenthalt bei den Homran-Arabern. Bon Ernst Marno. Im nördlichen Theil der ägyptischen Provinz Taka, an den Ufern der Setit und Atbara, wohnt der östlichste Araber-Stamm des ägyptischen Sudan, die Homran-Araber*). Nördlich von ihnen bei Kassala, der Hauptstadt dieser Provinz, ist der kleine Stamm der Mena-Araber, und bis an das Rothe Meer die das Tabedauih sprechenden Hadendoah und Bischarin, so daß der Gasch bei genannter Stadt die Grenze zwischen den das Tabedanih und das Arabische redenden Stämmen bildet. Oestlich von den Hom- ran erheben sich die abessinischen Grenzländer, das Gebiet dep heid nischen Basen am Takasse (Setit), im Westen dagegen scheidet der Atbara sie von den nomadisirenden Schnknrieh und Dabaina. Obwohl dieses Gebiet sür die zu den kleineren Stämmen gehörenden Homran groß genug erscheint, ist dasselbe doch hauptsächlich auf die Nähe des Setit und Atbara beschränkt, da die Gegend gegen Osten zur trockenen Jahreszeit bis am Marele (Gasch) wasserarm und durch die feindlichen Basen unsicher ist. Wie die übrigen Nomadenstämme sind auch die Homran, hauptsächlich der Kamele wegen, gezwungen bei Eintritt der Regenzeit aus den südlichen in die nördlichen, weniger unter den Einflüssen der Regenperiode stehenden Gegenden zu wandern und beziehen dann einige während der trocknen Zeit größtentheils verlassene Tuknldörfer, in deren Nähe sie etwas Durrah bauen. Nach der Regenzeit kehren sie wieder in die südlichen Landesdistrikte zurück und schlagen ihre leicht trans portablen Mattenzelte bald hier, bald da ans, wo sie eben gute Weide für ihre Herden finden. Sie betreiben dann die Jagd ans Hochwild und suchen zuweilen anch ihre Nachbarn, die Basen, heim, um Vieh und Sklaven zu rauben. Die Homran rivalisiren mit den Bagara-Arabern im Ruse ausgezeichneter Jäger, obwohl ihre Jagdweise von der jener eine ganz verschiedene ist. Die Baqara bedienen sich der langen, mit breitem Blatte versehenen Lanze, welche sie zu Pferde dem gejagten Wild in den Unterleib rennen; die Homran dagegen setzen ihre ganze Geschicklichkeit in die Handhabung des Schwertes. Schon Agatharchides erwähnt bei dem diese Gegend bewohnenden Volke, daß sie die Elefanten mittels Durchhauens der Fersensehnen in ihre Gewalt bringen und Bruce und Baker 16 Jahrhunderte später be stätigen diese Angabe. Meist beritten, aber anch zu Fuß, verfolgen sie die großen Thierc ihres Landes und machen fle dadurch zur Gegenwehr unfähig, daß sie ihnen mit ihrem breiten zweischneidigen Schwerte die Sehnen eines oder beider Hinterfüße durchhauen. Daß bei dieser Jagdmethode eben so viel Verwogenheit als Gewandt heit und Kaltblütigkeit erfordert wird, braucht wohl nicht ausführ licher erläutert zu werden. Diese Schwertjäger werden Aqagir genannt und sind übrigens nicht den Homran ausschließlich eigen, sondern finden sich auch bei den Abu Rof, Dabaina und anderen Stämmen, so wie das Unschädüchmachen der Thiere auf diese Weise im ganzen Lande ein allgemeiner Gebrauch ist. Wenn bei Gelegen heit einer Festlichkeit ein Thier aus der Rinderherde geschlachtet werden soll und sich dasselbe widerspenstig zeigt, wird es auf diese Weise zu Fall gebracht und der Metzger schneidet dem selbst schon gebundenen und auf der Erde liegenden Rinde die Fersensehnen noch zur größern Vorsicht durch, nachdem er ihm unter den üblichen Formeln die Kehle durchschnitten. In physischem Charakter vnd Sitten stimmen die Homran mit den übrigen Nomadenvölkern über ein. Ihre Sprache ist nicht wie früher behauptet und auch noch in neueren Werken gefunden wird das Tabedauih, sondern das Ara bische, sie haben aber mit den erstere Sprache redenden Stämmen die Art der Haarfrisur und die Form des Schildes gemein. In ersterer ähneln sie den Bischarin, Hadendoah und Schukurieh, deren Frisur an die Behaarung der Mantel-Paviane erinnert, von welchen diese Mode vielleicht entnommen ist. Sie besteht darin, daß das lange, schwarze, gelockte Haar offen, an den Seiten des Kopses herabwallend am Scheitel hoch aufgerichtet getragen wird. Häufig schmiert man es mit Fett so stark ein, daß diese malerischen Köpfe hiervon weiß erscheinen, so lange die Sonne dasselbe nicht geschmol zen. Ein quer durch den Haarbusch gesteckter Holzpfeil, wohl auch eine Stachelschweinborste dient als Kamm und Waffe gegen lästige, *) Jetzt ein Theil des Paschalik Massaua, vergl.,Jahrg. V, S. 383. Aus allen WeUlheilen. VI. Jahrg. kleine Inwohner des dichten Haarwaldes. In minder malerischer Weise tragen die Abu Rof, Baqara u. a. Stämme das Haar, offen oder in mehreren Locken, wohl selbst Zöpfen, während die Fuqara (niedere Geistlichkeit) sich meist den Schädel ganz abscheren und dann als Kahlköpfe an die, an den Bauten abgebildeten Priester der alten Aegypter erinnern. Auch die Gestalt ihrer aus Elefantenhaut ver fertigten Schilde theilen sie mit den nördlichen Stämmen. Sie sind rund, mit einer Ausbuchtung in der Mitte, zur Aufnahme der Hand, während die der Dabaina und Abu Rof eine länglich ovale, zuge spitzte Form haben, durch deren Längenaxe ein Stock als Handhabe verläuft. An der Art der Haarfrisur, der Bewaffnung und anderen anscheinend geringen Unterschieden ist man in den meisten Fällen im Stande zu sehen, welchem dieser oder jener angehört; wogegen die Wangeneinschnitte (Guluf, Klauen) hier durchaus nicht die Bedeu tung konsequenter Stammzeichen haben, sondern allgemein als -Verschönerung im Gebrauche sind. Wie die übrigen arabisch sprechenden Nomadenstämme ihre oft mals bezweifelte Abstammung von Arabien herleiten, so auch die Homran, obwohl sie wie jene durch Vermischung unter einander sowohl, als durch die Sklavinnen mit Negerblut heutigen Tags auf Reinheit keinen Anspruch mehr machen können. Ich war eines Tages im Monate April des Jahres 1867 in dem Feriq (Zeltdorf, Wanderdorf) des Schech Au ad Wo ad Agil der Homran eingetroffen. Die Gegend war Steppe mit ausge dehnten Mimosenwäldern, während gegen den hier eben eine große Windung gegen Süden machenden Setit das Terrain durch zahl reiche Cheran (Regenwasserläufe) zerrissen und unebener wird und in sehr hügeliges mit lichtem Uferwald bedecktes Land übergeht. Der Setit hat hier hohe aber größtentheils sandige Steilufer, eine Strecke aufwärts werden dieselben noch steiler und höher, und es treten Felsen zu Tage, während das Bett mit feinem Sande, gegen die Mitte zu mit immer gröberem Gerölle bedeckt ist, in dessen tiefstem Rinnsal jetzt ein, nur zwanzig bis dreißig Schritte breiter, an manchen Stellen bis über ein halbes Meter tiefer, hier und da aber breite und tiefe Tümpel bildender Wasserfaden dahinläuft, welche Ausbuchtungen und Vertiefungen zahlreichen Flußpferden und Krokodilen willkommene Aufenthaltsorte bieten. Die Mattenzelte des Wanderdorfes, ungefähr fünfzig an Zahl, waren der hier zahlreichen Raubthiere wegen mit einer dichten Dornenhecke (Seribah) umgeben und eine zweite diente dazu, die des Nachts eingetriebenen Rinderherden gegen die Angriffe der hier sehr häufigen gefleckten Hyäne zu schützen; auch Löwen sind in dieser Gegend nicht selten nnd zuweilen sollen auch Leoparden aus den Gebirgsgegenden hierher kommen. Uns wurde die einzig stabile Wohnung, eine viereckige Strohhütte (Rakubah), die Rathsversamm- lungshalle, in nächster Nähe des Schechzeltes, überlassen. Schech Auad Woad Agil ist ein großer schöner Mann, von dunkler Haut farbe, in mittleren Jahren. Brust und Nacken zeigen zahlreiche Narben von Schwerthieben aus mehreren Gefechten. Von seinen Untergebenen unterscheidet er sich durch nichts, als daß er wie die meisten Schiuch eine bessere und weißere Ferdah (Umhängtuch), bei besonderen Anlässen als Zeichen seiner Würde rothe türkische Schuhe und gleichfarbige Mütze (Tarbusch) trägt. Die allen diesen Stämmen eigene Vorliebe für Waffen, da sie ja häufig in die Lage kommen dieselben zu gebrauchen, wird da durch charakterisirt, daß es nach den Begrüßungen das erste ist die Waffen des Gastes zu besehen und diesem die eigenen zu zeigen, und mit derselben Geltung wie man in Europa sagt: die Kleider machen den Menschen, heißt es hier „die Waffe macht den Mann", denn hiernach wird er geschätzt. Der Schech zeigte mir seine Feuerwaffen, einige Panzerhemden, Helme und Pferderüstungen, wie man folche im nordöstlichen Afrika weit verbreitet findet, so in Bornn, Bagirmi, Dar Für, bei den Fungi und sämtlichen Araberstämmen des Ostens, und welche deren Besitzer den Europäern als ihre werthvollste Habe nie ohne Stolz vorzuweisen versäumen; und unser Schech ging hierin noch viel weiter. Die mohammedanische Sitte der Verschleierung bei dem weibli chen Geschlechte, welche selbst die häßlichsten und ältesten Fellahin- Weiber mit lächerlicher Sorgfalt beobachten, wird im übrigen Lande ü