Volltext Seite (XML)
331 verdoppelt. Von 1867 —1871 ist dieses Wachsthum nahezu dasselbe geblieben, etwas über 5 Prozent per Jahr. Interessant ist eine Vergleichung dieser Zunahme mit jener der anderen deutschen Mittel- und Großstädte; wir wollen dahin die Städte rechnen, die bei der vorletzten Zählung, also 1867, wenigstens 50,000 Einw. hatten, und diese Städte nach den Prozenten ihrer Einwohnervermehrung von 1867 —1871 ordnen. Das Wachsthum der Bevölkerung während dieses Zeitraums betrug in abgerundeten Prozenten der Einwohnerzahl (Bei Leipzig und Köln sind hier die Vororte nicht mit einge ¬ in Stuttgart fast „ Hannover 21, 20'/«, in Altona etwas „ Magdeburg über 10, 10, „ Chemnitz 18, „ Düsseldorf 9'/», „ Berlin 17'/-, „ Aachen fast 9, ,, Leipzig 17'/°, „ Hamburg 6'/», „ Braunschweig fast 15, „ Nürnberg 6'/?, „ Dresden 13'/-, „ Krefeld 6, „ Barmen-Elberfeld fast 12, „ Posen 5'/», „ Breslau 11'/», „ Königsberg 5'/-, „ Bremen 10'/-, „ Stettin 3'/-, „ Straßburg 10'/», „ Köln 3'/', „ Frankfurt 10'/7, „ Augsburg, 2^/10 rechnet, wohl aber bei Magdeburg. D. Red.) Die Großstädte München, Danzig und Metz haben wäh rend desselben Zeitraums abgeuommcn. Diese Tabelle zeigt Hannover mit Stuttgart an der Spitze des Reigens! Und zwischen Hannover und Stuttgart ist eine so verschwindende Differenz, daß das rapide Wachsthum beider als gleich angesehen werden darf; um wie viel ist da das früher oft verspottete Hannover so mancher ältern, stolzen Rivalin vor ausgeeilt! Ist das die Stadt, der einer der tüchtigsten Kenner des Landes und Stammes noch vor vier Jahrzehnten nur ein allmählich abnehmendes Wachsthum zu prophezeien wagte? Als kleine Hauptstadt mit noch nicht 20,000 Einw. trat Hannover in das 19. Jahrhundert hinein; mit nahezu 50,000 begann sie die zweite Hälfte des Jahrhunderts, 20 Jahre später gehört sie, als die jüngste zu den Städten im Reich, welche die 100,000 überschritten. Damit tritt die Hauptstadt der Niedersachsen in die Reihe der europäischen Großstädte ein. Charakteristisch ist das so bedeutend schnellere Wachsthum Hannovers gegenüber dem der Nachbarstadt Bremen; neben anderen Gründen dürfte die Hauptursache dieser langsameren Zunahme der alten Hanse stadt in dem schnellen Aufblühen des jungen Hafens an der Wesermündung zu suchen sein. Bremerhaven - Geestemünde- Geestendorf, dieses mächtig aufstrebende Konglomerat von Hafen- vrten, wofür wie eine gemeinsame Administration, so auch ein gemeinsamer Name zur Zeit noch mangelt, zählte 1871 bereits 19,815, und wenn wir das mehr und mehr sich anschließende Lehe hinzufügen, 25,895 Einw.; Bremen ist im Begriff, seine Rolle als erster Hafen Niedersachsens an den jungen Rivalen abzutreten, der, schon der ersten deutschen Häfen einer, vielleicht demnächst der erste werden wird. Der bei obigen Zahlen mit inbegriffene Vorort Linden, noch vor kurzem ein Dorf, jetzt eine „Landgemeinde im Stande der Städte", zählte für sich allein i. I. 1812 : 1307 Einw., „ 1823 : 1600 „ „ 1842 : 3207 „ 1852 : 4993 „ „ 1861 : 9884 „ „ 1871 :16607 Linden hat sich also in noch nicht 50 Jahren, 1823 bis 1871, verzehnfacht! Während der 4 Jahre 1867 —1871 hat sich der Ort um ca. 45*/- Prozent vermehrt, d. i. um 11°/» Prozent im Jahre. — Die Bevölkerung der „Vordörfer", welche oben nicht mit verrechnet ist, welche aber auch schon merklich einen vorstädtischen Charakter aunimmt, zeigt ebenfalls in ihrer Bewegung den Einfluß der Residenz und die nahe Zugehörigkeit zu derselbe». Es wohnten in diesen Vordörfern Hainholz, Vahrenwald, Döhren, List, Herrenhausen, Ricklingen und Limmer i. I. 1812 : 2644 Menschen, 1867 : 5691, und 1871 : 7283. In den 55 Jahren von 1812 —1867 sind die selben also um über 115 Prozent gewachsen, d. i. um 2'/-, Pro zent im Jahre; dagegen wuchsen sie in den 4 Jahren des letzten Zählungstermins fast 7 Prozent im Jahre. Bezeichnend ist, daß von jenen 7283 Einwohnern des Jahres 1871 nur 2903 ortsgebürtig waren; unter den Nichtortsgebürtigen zählte man 128 Nichtpreußen. — Im Gegensatz zu dem raschen Anwachsen dieser städtischen Vordörfer, steht das viel langsamere Wachsthum derjenigen Dörfer, welche nun, auf die Vordörfer folgend, den zweiten Kreis um Hannover bilden. Wir führen dasselbe hier an, weil es schlagend zeigt, daß das schnelle Wachsthum der „Vor dörfer" auf den Einfluß der Stadt zu schreiben ist, weil es da mit zeigt, wie schnell Hannover sich räumlich, neben Neubauten, durch Annexion benachbarter ehemals ländlicher Gemeinden ausdehnt. Es betrug nämlich die Bevölkerung von 23 Dör fern, welche in einem zweiten Kreise und in einer Entfernung von '/- bis ^/s geogr. Meilen um die Residenz hernmliegen, im Jahre 1867 : 9133 Seelen und 1871 : 9643 S.; sie hat sich mithin in 4 Jahren nur um ca. 5,» Prozent vermehrt, d. i. um 1,« Prozent im Jahre. In innigem Einklang mit dem Wachsthume der Bevölke rung steht natürlich die räumliche Ausdehnung der Stadt. Die ältesten Straßen der Stadt, die Lein-, Köbelinger-, Markt-, Oster- und Burgstraße, welche sämtlich der Leine parallel lau fen, existirten schon im 12. Jahrhundert; die älteste darunter ist die Burgstraße, in alten Urkunden auch geradezu die Stadt straße genannt. Bis. zum Schluffe des 15. Jahrhunderts ver größerte sich Hannover nicht unbedeutend; es erreichte damals den Umfang der gewöhnlich speziell so genannten Altstadt. Der ! alten Stadt gegenüber bildete sich auf dem linken Leineufer !früh eine Neustadt, welche, ähnlich wie in Hildesheim, in größerer Abhängigkeit von dem Landesherrn war; schon 1283 geschieht der Neustadt Erwähnung. Im 14. Jahrhundert wurde sie eingetheilt in die Neustadt, den Brühl und das' Schloß Lauenrode; bestand aber bis gegen Ende des Jahrhunderts nur aus einzelnen um die Burg zerstreuten Häusern und Höfen. Die Bodener (Budenbesitzer in der Neustadt) und die Koth sassen im Brühl waren den Edelleuten, in deren Händen zu meist jene Höfe waren, zu Dienst'und Pfahlzins verpflichtet. Obwohl ja schon 1371 die Burg zerstört wurde, erfolgte doch erst 1495 die theilweise Abtragung der Anhöhe, auf der sie ge standen hatte; erst 1600 wnrde dieselbe, der sogenannte „Berg", mit Häusern besetzt. Die Zugänge zwischen Altstadt und Neu stadt waren natürlich durch Gräben und Schlagbäume gehörig versperrt. Die Altstadt sah mit Neid auf das Wachsthum der Neustadt, und es wurde deshalb ein Statut gegeben, daß kein Altstädter Bürger sich auf der Neustadt anbauen sollte, sondern etwaigen dortigen Grundbesitz zu Gürten und Wiesen verwenden müsse. 1634 begann man beide Orte mit einer Mauer zu um geben; die Neustadt wuchs dann rasch und besaß bereits am Schluß des 17. Jahrhunderts einen Umfang, den sie noch jetzt nicht sehr wesentlich überschritten hat. Nach langen Verhand lungen wurde auch 1680 das große Außenwerk am Leinthore .zerstört, das bis dahin die beiden Städte noch getrennt hatte. Die anwachsende Neustadt wurde dann 1714 in den Rang einer „kleinen Stadt.des Fürstenthums Kalenberg" erhoben; das Stadt regiment derselben bestand aus dem von der Regierung er nannten Gerichtsschulzen, der zugleich Bürgermeister war, drei Rathsverwandten und einem Camerarius. 1824 änderten sich diese Verhältnisse; bis dahin bezog sich der Name „Haupt- und Residenzstadt Hannover" nur auf die Altstadt, jetzt gab man ihm eine weitergehende Bedeutung; Altstadt und Neustadt er hielten Einen Magistrat und Ein Stadtgericht, dessen peinliche Gerichtsbarkeit sich jedoch, wie bisher, nur über die Altstadt erstreckte. Die peinliche Gerichtsbarkeit über die Neustadt und das Gericht Linden, und die Justiz jeder Art über die „Gar tengemeinden" behielt das Gerichtsschulzenamt Hannover. Unter anderen kleinen Differenzen ist noch eine interessant: Juden wurden wie zuvor in der Altstadt gar nicht, in der Neustadt „nur mit Vorsicht" ausgenommen. Das erwähnte Gerichtsschulzeuamt oder die Stadtvogtei Hannover umfaßte die Neustadt, die Gartenge meinden, den Ort Kleefeld und das Dorf Linden. Somit war 1824 eine wenigstens fast vollständige Vereinigung beider ! Städte durchgeführt. Da bei der steigenden Bevölkerung der Umfang der Stadt !zu klein wurde, beschloß man 1747 am Aegidienthore, dem süd- 42*