Volltext Seite (XML)
322 hier auf; wenn dann die strengere Feldarbeit angeht, sagen sie Lebewohl auf immer, und kehren nach ebenso vielen Monaten wieder zurück mit dem festen Vorsätze, die Kolonie nicht mehr zu verlassen, welchem sie aber in noch kürzerer Zeit wieder untreu werden. Eine dieser Familien ist schon fünfmal gegan gen und fünfmal wiedergekommen. Zwei Drittheile der Ko lonisten sind Tiroler und die übrigen Rheinländer -— diese letzteren sind sämtlich mit der ersten Expedition gekommen. Außerdem wohnen unter uns einige norddeutsche Familien, welche nicht Kolonisten sind, sondern von Lima aus auf eigene Faust hierherzogen. Die Kolonie hatte sich im Anfänge außer der Kultur ihrer Lebensmittel fast ausschließlich dem Kaffeebau gewidmet, da der Kaffee hier sehr gut gedeiht und ein ganz ausgezeichnet feines, in Lima sehr geschätztes Produkt liefert. Die jährliche Ausfuhr betrug früher an 1000 Arrobas (1 Arroba — 25 Pfund) und wurde immer hier an Ort und Stelle mit 9 Mark die Arroba bezahlt. Später hat der Kaffeebau in der Kolonie sehr ab genommen, die Leute verlegten sich mehr auf die Tabakpflanzung und die Cigarrenfabrikation, da dies weit mehr eintrug und die Cigarren anch weniger Fracht kosteten, was hier die Hauptsache ist. Durch einen Hamburger Cigarrenmacher ward dieser In dustriezweig nach der Kolonie verpflanzt. Das Tausend Ci garren, dessen Fracht bis Cerro de Pasco verhältnißmäßig un bedeutend war, ward dort die kleinen mit 120, die großen mit 210 bis 240 Mark bezahlt, in Lima sogar ganz fein gearbeitete mit 300 Mark. Dies dauerte aber nur, bis auch die neuen Kolonisten der zweiten Expedition sich dieser Industrie zuwen deten. Nun machte alles, was nur zwei Hände hatte, Ci garren — gut oder schlecht war ihnen gleichgiltig. Auf die Form kam es nicht mehr an, auch nicht auf die Farbe, nicht einmal auf das Blatt, ob es nach Tabak roch oder nicht, in einigen Cigarren sollen sogar Stücke von Bananenblättern ein gewickelt gefunderr worden sein. Kurz und gnt, die Pozuzo- cigarren verloren ihren frühem guten Ruf, so daß sogar die wirklich guten nur mit Mühe zu verkaufen waren. So z. B. war vor einigen Monaten ein Kolonist, der mit seiner Waare nach Huanuco gegangen war, genöthigt, dort das Tausend Ci garren zu 15 Mark loszuschlagen. Endlich ging im letzten Mo nat September wieder ein alter Kolonist mit einer Partie ganz feiner Cigarren nach Lima, und machte dort, wie er schreibt, wieder gute Geschäfte. Leider hatte er nicht genug, um der Nachfrage zu genügen, denn schon ein einziger Kaufmann wünschte 50 Tausend zu bekommen, um sie nach den Salpeter gruben von Jquique zu bringen. Demnach steht zu erwarten, daß dieser Geschäftszweig rasch wieder aufblühen wird, d. h. für die Ausfuhr nach Lima, wohin nur feine und gut gearbeitete Cigarren geliefert werden können. Das Cigarrengeschäft muß auch wieder emporkomnien, da sich schon die Ausfuhr von Roh tabak nach Huanuco und Cerro de Pasco gut bezahlt und die meisten Cigarren, die in Peru geraucht werden, aus Deutsch land kommen, trotzdem daß der Zentner Rauchtabak 112 Mark, der Zentner Cigarren 352 Mark Eingangzoll kostet. Der Ta bak, der in ganz Peru gezogen wird, mag kaum den zehnten Theil des Bedarfes decken; es scheint, daß weder der Boden der peruanischen Küste noch der des westlichen Gebirgslandes zum Tabakbau Passen, sondern nur die Waldregionen des öst lichen Abhanges der Andes (wo auch unsere Kolonie gelegen ist), wo aber noch sehr wenige Ansiedelungen existiren. Die Coca, das erste Lebensbedürfniß der Indianer, welche ihn befähigt die schwersten Strapazen zu ertragen und ohne welche er gar nicht arbeiten kann und will, wird wenig von den deutschen Kolonisten, aber mehr von den in der Kolonie wohnenden Indianern gebaut. Ihr Anbau ist lohnend genug, verursacht aber viele Arbeit und besonders heikel ist das Trock nen des Blattes; denn wenn es nicht gleich am Tage des Ab streifens getrocknet werden kann, so verliert es schon an Werth. Die Coca wird alle drei Monate gestreift und muß nach jeder Ernte wieder von Unkraut gereinigt werden, auch gehen die Ernten, welche in die Regenzeit fallen, häufig verloren. Ihr Preis wechselt sehr, geht aber in Huanuco nie unter fünf Tha ler herunter, gegenwärtig steht sie dort auf zehn Thaler die Arroba. Alle Ernten im Jahre zusammengenommen werden für die ganze Kolonie kaum tausend Arroben ergeben. — Reis von hier auszuführen, bezahlt sich nur selten, da er meist sehr billig in den Städten des Innern von der Küste, wo er im Großen gebaut wird, bezogen werden kann. Baumwolle, die hier sehr gut gedeiht, pflanzen mehrere Kolonisten für ihren eigenen Be darf, spinnen dieselbe, und da einer der neuen Kolonisten seinen Webstuhl aufgeschlagen hat, läßt man sich starke Stoffe zu Werk tagskleidern weben. — Zuckerrohr Hai wohl jeder Kolonist auf seinem Lande in größerm oder kleinerm Maßstabe; inan be reitet daraus Syrup oder braunen Zucker, soviel man für'» Hauswesen braucht. Viel wird zu Huarapo (gegohrener Zucker rohrsaft, der dem federweißen Moste ähnelt) verwendet, bei weitem das meiste aber leider in Brantwein verwandelt, und da dieser unter Kolonisten und Indianern stets Absatz findet, so haben sich mehrere Kolonisten fast ganz auf diese Erwerbsquelle verlegt. — Der Indigo gibt hier wenig Ertrag, obwohl er im Lande selbst sehr theuer ist und auch die Fracht wenig aus macht; denn wir mußten die Erfahrung machen, daß die Pflanze nach dem ersten Schnitt nur noch schlechte Triebkraft zeigt, trotz der sorgfältigsten Reinigung von Unkraut, auch passirt es häu fig, daß die Blätter abfallen, ehe die Pflanze zum Schneiden reif ist. Ebensowenig will der Kakao gedeihen. Wir hatten geglaubt, daß die hier herrschende Temperatur für Indigo und Kakao passend sein müßte, es scheint aber doch nicht der Fall zu sein, namentlich der Indigo verlangt stärkere Hitze, als hier vorkommt. Hier wechselt die Temperatur in Tag und Nacht zwischen 18 und 28 Grad 0. und sehr selten — nicht jedes Jahr — fällt sie auf 12" oder steigt bis 31° im Schatten. Wenn der ncne Weg bis Cerro de Pasco vollendet ist, wird eine der lohnendsten Beschäftigungen hier die Schweinemast werden, denn Mais, Ancas und Bananen, welche gute Mast ab geben, liefern die reichsten Ernten nnd in Cerro de Pasco, wo sogar auch nürdamerikanisches Schmalz konsumirt wird, kostet das Pfund oft einen Thaler. Fette Schweine, die 475 Pfund wogen, wurden in der Kolonie schon mehrere geschlachtet. Wenn man in Deutschland erzählte, daß man hier den Schweinen und Hühnern auch Bananen gibt — eine Frucht, die drüben nur auf fürstlichen Tafeln zuweilen prangt — so würde man für einen Aufschneider gehalten werden, und doch ist es so, die Ba nane gehört hier zu den gemeinsten Gewächsen. Sie trägt schon nach zehn Monaten Früchte, worauf der Stamm abgehauen wird, um einem neuen Sprößlinge Platz zu machen. Eine solche Ba nanenpflanzung dauert lange Jahre; in der Kolonie werden acht verschiedene Sorten gezogen, von denen zwei sehr delikat sind. Was in Deutschland noch wunderbarer klingen wird, ist, daß hier Ananas, bis acht Pfund schwer und von feinem Ge- schmacke, in den Maisfeldern gezogen werden. Sonst haben wir von guten Obstsorten noch Orangen, Melonen, Anonen und Granadillas, das übrige ist nicht viel Werth. Von den Brodfrüchten steht hier die Aucawurzel (süße Cas- sava, verschieden von der brasilianischen, von der zuvor die gif tigen Bestandtheile entfernt werden müssen, was bei der süßen wegfällt) oben an. Alle Kolonisten ziehen sie ihres Wohl geschmackes und Mehlreichthums wegen weit der heimischen Kar toffel vor, auch kann aus ihr gutes Mehl und seine Stärke ge wonnen werden. Ancas von 12 Pfund Gewicht, dabei noch ganz zart und mehlreich, sind in der Kolonie keine Seltenheit. Sie gibt einen vierfach größern Ertrag, als die Kartoffel in den fruchtbarsten Gegenden Europa's liefert. Ihr ähnlich ist die Pituca (anderswo „Taro" genannt), von welcher außerdem die Blätter ein schmackhaftes Gemüse geben. Der Mais gibt hier zwei Ernten im Jahre, die Bohne vier, die sehr ölreiche Erdnuß zwei Ernten, Erbsen (Kichererbsen) und Linfen gedeihen auch. Unsere Kartoffel bleibt klein und wässerig, sehr schmack hafte Kartoffeln hingegen werden in den höher gelegenen Ge genden gezogen, namentlich in den nächsten Jndianerdörfern Muna nnd Panao. Von Hausthieren haben wir, außer Hunden und Katzen, Kühe, Schweine, Maulesel, Meerschweinchen und sehr viel Ge flügel, nämlich Hühner, Truthühner, Enten und Tauben. Unser Viehstand stammt ursprünglich von einem großmüthigen Ge schenke her, welches ein reicher Hamburger, Johann Renner, den ersten Kolonisten gemacht hatte. Dieser Herr hatte von Lima aus die Kolonie in ihren ersten Anfängen, im Jahre 1859, als sie noch in großen Nöthen sich befand, besucht und