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303 ich entschiedenes Mißgeschick. Und so war es auch, mit meiner Pflanzenmappe der Beladenste von allen Ich war und hatte Kilometer halfs! Sobald es der Boden erlaubte, schwangen sich die anderen Herren auf die Pferde und ich wanderte nebenher; aber meine Begleiter versprachen mir, zu Zeiten abwechselnd mich reiten zu lassen und ihrerseits Strecken zu Fuß zu gehen. Herr McL. war der erste, der mir, sobald wir am Fuße des Gebirges waren, den Vorschlag machte, hinter ihm aufzusitzen. Anfangs weigerte ich mich, erstens weil ich das Pferd nicht kannte, zweitens: weil dies auf die Dauer weder für Pferd noch Reiter angenehm sein konnte; durch anhaltendes Zureden ließ ich mich aber dazu bewegen. Ruhig ließ mich das Thier aufsteigen und ich glaubte eben sicher zu sitzen, als es auf einmal ein Kunststück produzirte, das ihm in einem Cirkus vielen Applaus gebracht haben würde. Es stellte sich auf die Vorderbeine, warf seinen Hintertheil so hoch, daß er bis zum Kopf gerechnet gewiß einen Winkel von 45 Grad beschrieb, und ich fand mich unverhofft einige Meter weit in einem Bogen fortgeschleudert, den ich nicht genau be rechnen konnte, weil ich, sobald ich festen Boden fand, noch einige Schritte weiter kollerte, um meinem Schicksalsgefährten, den ich eben durch die Luft auf mich zukommen sah, Platz zu machen. Wir waren beide auf die sicherste und schnellste Weise bom Pferde abgeworfen worden. Und das hinterlistige Geschöpf schien sich noch unsrer „Niederlage" zu erfreuen, ehe es das Weite suchte. Wir selbst standen lachend auf. Nachdem wir uns gegenseitig versichert, daß wir weiter keinen Schaden ge nommen hatten, als daß wir durch Dornen, zwischen welchen wir Quartier genommen, ein wenig geritzt waren, wollten wir versuchen das Pferd zu fangen. Aber siehe da! Unmittelbar vor uns hielt der" Storekeeper auf seinem Pferde, vor Lachen fast in Krämpfen nnd nicht im Stande, das ruhig abgehende Pferd anzuhalten. Er versicherte uns, nie ein solches Schauspiel erlebt zu haben, zwei Reiter auf einmal von einem Pferde, und mit welcher Grazie! abgeworfen zu sehen. Sein nutzloses Lachen ließ unserm Pferde zum Weglaufen Zeit, doch glückte es, dasselbe nach einer wilden Jagd wieder einzufangen; das meine war aber nicht sichtbar. Während der Aufseher und der alte Schäfer sich von uns trennten, um noch einen Versuch zu machen, mein Pferd einzu sangen, schritten und ritten wir unserm Ziele, der Station zu. Aber ehe wir dieselbe erreichten, gesellten sich auch die beiden anderen Gefährten zu uns, die so glücklich gewesen waren, eine Anzahl verirrter Schafe zu finden und ein Känguruh zu erlegen, dessen tüchtigen Schwanz sie mitbrachten. Von meinem entlaufenen Pferde konnten sie aber nur berichten, daß es nach der „Siebcn- Meilen-Ebene" gelaufen sei und dort wahrscheinlich einige Tage Ferien halten werde. Wir erreichten kurz nach Sonnenuntergang wohlbehalten die Station, auf welcher unser „Führer" während der Zeit sich an Speise und Trank gütlich gethan hatte. Gemüthlich saßen wir nach dem Abendbrod am Kamin, rauchten unsere Pfeifen und erzählten uns Geschichten, wurden aber bald durch ein fürchterliches Wetter unterbrochen. Der Sturm brauste daher, der Regen ergoß sich in Strömen — es war, als ob das Wetter gleichsam wüthend darüber sei, daß wir noch vor seinem Ausbruche glücklich die Station erreicht hatten. Die ganze Nacht tobte es fort; oft glaubten wir, daß der Sturm das schützende Dach unsres Schlafzimmers fortführen werde. Am andern Morgen war kaum Aussicht vorhanden fortzu kommen; dennoch mochten wir nicht länger bleiben, da wir unsern Zweck hier erreicht hatten. Unsre vorgezeichnete Reise route war nun zuerst südwestlich nach Dunkeld zu gehen, um den Mount Sturgeon zu besuchen, von dort aus das liebliche Wan- uon-Thal, die Serra- und Victoria-Ketten zu durchwandern, um durch Roß's Gap in die weite Skrub-Ebene zu gelangen und unsern Weg sodann nordwärts über Lake Tyrrell nach dem fernen Murray zu nehmen. Die Tour durch den Skrub nach Lake Tyrrell und von da nach dem Murray kouuten wir aller dings nur in Begleitung eines oder mehrerer Eingeborenen wachen, da bis Lake Tyrrell zwar ein „troell" oder Pfadspur gehen sollte, Ivie auf Spezialkarten angegeben ist, von da ab aber bis zum Murray man sich eine Straße selbst brechen mußte. nun die reizende Aussicht einen wohl mehr als 15 langen Rückweg nach der Station zu Fuß zu wandern. Was Diese weite Reise durch eiu großes Stück Wildniß wurde uns nun aber vereitelt, denn bei solchem Wetter wäre es Wahnsinn gewesen, so offenes Land, wie den Skrub für mehr als dreißig Meilen, wenn auch beritten, zu durchdringen. Pferde konnten wir zu kaufen bekommen, aber das Wetter hielt diesen und den nächsten Tag an und reifte unsern Entschluß, obwohl mit tiefem Bedauern, wieder umzukehren und den Murray von einer andern, bequemern Seite zu erreichen. So sagten wir denn der gastlichen Station Lebewohl und kehrten nach Ararat zurück. Am andern Morgen gegen 5 Uhr packten wir in Ararat beim Scheine einer Stallaterne unsere Habseligkeiten in die Kutsche und fuhren ohne Frühstück in den kalten, stürmischen und regnerischen Morgen hinaus. Nachdem wir 4 Meilen ans fast bodenlosen, vom Regen überströmten Wegen zurückgelegt hatten, kamen wir an den ersten Haltepunkt. Hier stand mitten auf der Straße, unter herab stürzendem Regen, nackt und barhäuptig, nur in eine alte Decke gehüllt, ein alter Eingeborner, die Hand nach einer Gabe ausstreckend, als wir an ihm vorüberrasselten. Armes Volk, einst die alleinigen Besitzer dieses Landes, jetzt elende Bettler, einzelne Ueberbleibsel früherer großer Stämme, deren Häuptlinge mit königlichem Stolze die Rechte nach allen Himmelsgegenden ausstreckten, mit der Bemerkung: „ull s-IonK mv countr^!" (Ueberall mein Land.) Wer sie einst sah und wer sie jetzt sieht, wird nicht umhin können, ihnen eine tiefe Theilnahme zn widmen; denn was immer für grausame Berichte über sie ver breitet worden sind, sie sind nichts gegen die tausendfach gegen sie verübten abscheulichen Handlungen; verübt von Menschen aus „gebildeten" Nationen — Handlungen, begründet auf Laster, von denen der verachtete Wilde nichts weiß! Wer die Einge borenen früher gesehen, wer als Wanderer in der Wildniß sein Brod mit ihnen getheilt oder an ihrem Feuer seine Nachtruhe gehalten hat, der wird mich verstehen. Wieder passirten wir die Pyrenäen und kamen um Mittag in Avoca an. Es hörte auf zu regnen und freundlicher Sonnen schein begleitete uns bis Maryborough, welches wir kurz nach 2 Uhr nachmittags erreichten. Hier zu bleiben lag nicht in unsrer Absicht, vielmehr entschlossen wir nns, ein Ziel unsrer Reise doch noch zu erreichen — den Murray, und da wir es nicht durch den Skrub thun konnten, wie wir gehofft, so sollte nns das Dampfroß schneller und bequemer an seine Ufer führen. Wir bestiegen daher schon um drei Uhr die Kutsche wieder, um noch selbigen Tages das 6 Meilen entfernte Castlemaine zu erreichen. Diesmal ging es über Tarrangower, und ich freute mich, meinem Reisegefährten noch diesen hübschen Platz zeigen zu können. Die romantische Einfahrt vom Loddonflusse aus war ganz geeignet, die Aufmerksamkeit meines Gefährten zu fesseln. Durch mächtige Felspartien von Granitgestein führt die Straße hinauf zu dem Sattel am Fuße des zur linken Hand aufstcigendcn Mount Tarrangower, und sobald diese Höhe erreicht ist, öffnet sich ein wundervolles Panorama, im Vordergründe das Städt chen Maldon mit seinen geschmackvollen Villen, reinlichen, hübschen Häusern-, langen bearbeiteten Quarzriffen und den rauchenden Essen hämmernder und keuchender Dampfmaschinen. Von vier muthigen Pferden gezogen, raffelten wir hinein, aber ohne Ver weilen ging es weiter. Es thut mir leid, daß ich nicht Muße hatte einige alte Freunde aufzusuchen. Bergauf, bergab ging es ohne Aufenthalt weiter, und als die Nacht cinbrach, um glühten die mächtigen Laternen den zwischen den Gebüschen dahinrollenden Wagen. An schlechten Stellen wurden die Pferde durch lautes Geschrei ermuthigt und hindurch ging es ohne Verzug. Es ist und bleibt mir ein Räthsel, wie die Kutscher (ärivsr) mit solcher Schnelligkeit auf solchen Wegen fahren und dabei jeden Baumstumpf, jedes Loch, jeden Block ohne Gefahr passiren. Wie toll geht es dahin, der Wagen hat gar nicht Zeit, umznfallen, und es ist für denjenigen, der dieser Wege unkundig, eine gewisse Aufregung, so scheinbar rücksichtslos dahin zu fahren. Schlagen auch die Köpfe der Passagiere manchmal an einander, so verdrängt das Gelächter in solchen Augenblicken die augen blickliche Angst; man setzt sich wieder, um sogleich wieder auf- zuflicgen. Die Höhe ist erreicht, tausend Lichter schimmern herauf aus dem Thale, die Straße verwandelt sich plötzlich in die