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267 Gliedern krochen wir aus dem Fuhrwerk heraus uud ließen uns eine Weile in dem United States-Hotel wohl sein. Trinidad wird vom Las Animas durchflossen und liegt am Fuße der Raton- Berge in einer Bergwerksgegend, die namentlich an bituminösen Kohlen reich ist. In dessen Umgebung trat zuerst die Formation des weichen Sandsteins auf, welche hier und in Neu-Mexiko in Folge von Erosionswirkuugen die wunderlichsten Gestalten von Kegeln, Thürmen, Pyramiden u. dgl. angenommen hat, und also mit dem Quadersandstein Sachsens einige Aehnlichkeit besitzt. Das des Anblicks ungewohnte Auge wird leicht verleitet, in diesen Gebilden menschliche Werke zu vermuthen und in. der That zeigt ein über hundert Meter hoher Fels, der Ortschaft gegenüber, eine ausfallende Aehnlichkeit mit einer Schloßruine. Jetzt galt es, den Bergpaß zu erklimmen, welcher die bei den Territorien, Colorado und Neu-Mexiko, miteinander ver bindet. Die Zugkraft mußte daher vermehrt werden und bestand nun aus sechs ungestümen „Bronco"-Pferden von kalifornischer Zucht, die, wie die Sage geht, jedesmal wenn sie gebraucht werden sollen, aufs neue „gebrochen" werden müssen. Wir merk ten bald, daß dies keine bloße Redensart war. Denn die ehr same Jugend, welche den Stalldienst versah, wnrde angewiesen, die Pferde so lange am Zaume zu halten, bis alle Passagiere im Omnibus Platz genommen und der Postillon auf dem Bocke festsaß. Auf das Kommando: „Laßt los!" rannten die starken Thiere mit Windeseile durch die letzte Straße Trinidad's und quer durch die Ebene dem Passe über die Raton-Gebirge zu. In der Schlucht angekommen, bogen sie in schnellstem Laufe um die schärfsten Kurven und Bergkanten, sprengten eilends über Stei gungen, Senkungen, Brücken und über die schmälsten und gefähr lichsten Stellen. Die Straße ist so eng, daß ohne besondere Ausweicheplätze ein Kreuzen zweier Fuhrwerke eine Unmöglich keit ist und wenn der Wagenlenker sein Geschäft nicht gründlich versteht, so ist das Zerschellen des Wagens an einem der die Straße einfassenden Bäume leicht möglich. Die Enge der Schlucht stellt der Verbreiterung der Straße manches große Hinderniß entgegen. Auch hier wieder laufen die hohen Felsspitzen oben in phantastische Gestalten aus und wer mit lebhafter Phantasie begabt ist, kann an denselben ohne Mühe dorische und korinthi sche Säulen, gothische Strebepfeiler und italiänische Campaniles wiedererkennen. Und so ging es in einem fort, dreißig Kilo meter weit durch die düstere, aber großartige Schlucht empor bis zu einer Poststation, wo die sechs Broncos gegen sechs Maul- thiere umgetauscht wurden. Ein alter Grenzwächter, Dick (Rode rich) Wooten, der selbst an dem Straßenbau mitgearbeitet hat, steht der Bergstation vor und nennt sie eine „Chaussee erster Klasse". Vierzig Jahre seines Lebens hat der Mann an der Grenze zugebracht; jetzt endlich hat er sich der ruhigern Be schäftigung eines Zollwächters zugewandt, und in seinen Muße stunden unterläßt er es nie, denen, die davon Notiz nehmen wollen, Episoden aus seinem ereignißreichen Leben in den Wüste neien Colorado's, Neu-Mexiko's, Arizona's und Kaliforniens, die ihm begegneten, lange bevor diese Distrikte mit der Union vereinigt wurden, zu erzählen. Nach kurzer Rast und nochmaligem Wechsel der Zugkräfte, nach Ueberwindung einer kurzen, aber außerordentlich steilen Weg strecke und Borbeifahren an einem steilen, über 150 Meter tiefen Abgrunde, dessen bloßer Anblick schon dem Ungewohnten Schauder einjagen muß, erreichten wir endlich die Paßhöhe. Die Aus sicht von dort bot wenig Bemerkenswerthes dar, da der Stand punkt allzusehr von Berghöhen eingeengt ist. Nunmehr ging es abwärts und zwar auf eine Strecke von lö Kilometer. Diese Fahrt ist das Schrecklichste, das ich je in Postwagenfahrten durchgemacht habe. Die Maulthiere rannten spornstreichs davon, bogen mit größter Behendigkeit um vor stehende Felsrippen oder am Wege stehende Bäume und bewegten sich auf dem gefährlichen Wege mit einer Sicherheit, die fast an- uehmen ließ, sie seien nie auf einer andern Route gebraucht Worden als auf dieser. Um so mehr hatten wir armen Passa giere in unserm Marterkasten auszustehen. Ich hatte mich zum Kutscher auf den Bock gesetzt und mußte mich krampfhaft am Sitze festhalten, um nicht unversehens abgeworfen zu werden. Dennoch hatte ich, wie mir später klar wurde, weniger auszu stehen als die Passagiere in dem Innern des Omnibns, welche schreckenerfüllt ihre unwillkürlichen.und unsanften Berührungen mit der Decke, den Wänden und unter sich schilderten. An den gefährlichsten und steilsten Stellen versah die Bremsvorrichtung ihren Dienst musterhaft, sonst hätte es uns bei der Geschwindig keit der Fahrt leicht ans Leben gehen können. Endlich war der Fuß des Berges erreicht, und ein kurzer Trab brachte uns durch die Ebene nach der Red River Station. Die ärgste Partie unserer Reise hatten wir nunmehr hinter uns. Der Red River, d. i. der Canadian, der weiter hinab im Jndiangebiet und Arkansas, wo er sich in den Mississippi ergießt, eine so beträchtliche Breite annimmt, ist hier ein Flüßchen, das bei niedrigem Wasserstande leicht durchwatet werden kann. Zur Viehzucht ist das Quellgebiet des Red River wie geschaffen und es haben sich daher auch eine Menge Viehzüchter daselbst nieder gelassen. Herden von Rindern, Schafen und Ziegen schwärmen in Menge auf den ergiebigen Graswiesen des Hochthales. Die Rohheit und Streitsucht vieler texanischer Viehbesitzer und Vieh hirten, die sich auch hier eingefunden haben, ist allbekannt und viele der von ihnen ausgefochtenen Händel enden mit Mord und Todtschlag. Ein unweit der Station angesiedelter Zimmermann, der zugleich das nützliche Geschäft eines Leichenbestatters betreibt, weiß etwas davon zu erzählen. In dem gemeinschaftlichen Wartezimmer, wo sich Viehhirten, Kutscher und Reisende beiderlei Geschlechts um die wärmende Flamme im Kamin herumdrängten, hatte sozusagen jeder einen sechsläufigen Revolver in: Gurte stecken und ich erhielt unwillkürlich den Eindruck, als ob hier jeder seine Worte sorgfältig abzuwägen veranlaßt sei. In solche Betrachtungen beim Anblick der stämmigen, trotzigen Gestalten vertieft, hörten wir endlich mit Vergnügen die drei Schläge am Gong, welche zum Nachtessen riefen. Jedes Glied unsrer höchst .„gemischten" Gesellschaft drängte eilends nach dem Speisezimmer, um sich einen Platz am Tische zu sichern. Das Zimmer hatte eine Länge von etwa zwölf Metern; an dem einen Ende des selben brannte ein einziges Licht, das einer Petroleum-Lampe, während der Tisch am andern Ende des Raumes gedeckt war. Mit dieser sonderbaren Beleuchtungsweise sollte die wahre Be schaffenheit der aufgetragenen Speisen möglichst verdeckt werden, und nicht mit Unrecht, denn das als Kaffee servirte Gebräu glich einem Absud von eichenen Sägespänen, das Fleisch wurde in gehackter Form vorgesetzt, Gemüse fehlten völlig, das Brod war einem Gemisch von Kitt uud Bleiweiß nicht unähnlich, und ob wohl der Wirth tausend Kühe sein eigen nannte, stand doch kein Tropfen Milch und kein Klümpchen Butter auf der mager be setzten Tafel. Um sich das Essen etwas besser zu besehen, nahm ein Reisender die Lampe herunter und stellte sie auf den Tisch. Jeder betrachtete sich nun das, was vor ihm stand, etwas näher, sandte dann vielsagende, mit lächelnder Miene begleitete Blicke seinen Nachbarn zu, stand alsdann von seinem Sitze auf und be zahlte bei der Thüre seinen Dollar für die ihm zu Theil gewordene, eigenthümliche Sättigungsweise. Neuerdings ist glücklicherweise in diesem Wirthshause eine Aenderung zum Bessern eingetreten. Der Rest unsrer Postfahrt war nun eine Wiederholung des bisher Erlebten. Wir fuhren Nachts durch Cimaron, den Hauptort per „Maxwell'schen Landabtretung" .und Sitz einer Jndianeragentur für die Stämme der Jicarilla Apachen und der Monache Utes. Eine weitere Station war die in Fort Union, das als Vorrathsdepot für alle in Neu-Mexiko stationirten Trup pen, die bloß aus 2 Regimentern bestehen, dient. In La Junta wurde uns wieder ein Mahl vorgesetzt, das dem in Red River völlig gleich war, und dessen Beschreibung man mir also billiger weise erlassen wird. Von Las Vegas ab, der größten Ansied lung zwischen Trinidad und Santa Fö, wird die Straße wieder steil und holperig und unser Loos war es, die mehrerwähnten Schaukelübungen nochmals durchzumachen. Ich war nun bereits so sehr an diese Bewegungen gewöhnt, daß ich in jener Nacht etwas schlafen konnte, doch war der Schlaf kein erquickender und neu belebender. Kurz nach Sonnenaufgang erblickten wir end lich von einer Erhöhung aus, nachdem unsre Ungeduld nach dem Anblick der Stadt auf die höchste Probe gestellt worden war, das Ziel unserer Reise, Santa Fs, in ansehnlicher Ent fernung von uns ini Thale ausgebreitet daliegen. Eher als einer Stadt glich es einer Ansammlung von Backsteinhaufen, die eben erst gebrannt werden sollen; eineinzelstehendes aus rothenZiegeln errichtetes Haus hob sich deutlich aus der Entfernung von der Masse der Adobs-Gebäude hervor. Trotz des wenig einladen- 34*