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Ufer nicht manchen lieben Tag mit bleichenden Gebeinen besetzt gewesen wären!" — Ein Vergnügen sehr verschiedenen und spezifisch neuseelän dischen Schlags folgte diesen verwegenen Lustbarkeiten im Schnee fast auf dem Fuße nach. Alljährlich im September Pflegt das lange Gras, das Thäler und Niederungen, Hänge und Hügeln überzieht, angezündet zu werden — mit dem technischen Aus druck nennt man es „Runbrennen" — und diese Operation dauert in der Regel bis in den November hinein, weithin durch das Land leuchtend. Lady Barker aber ergriff bald eine förmliche^ Passion für das an malerischen Effekten und aufregenden Sze nen überreiche Verfahren, so daß sie, wie sie gesteht, selbst hin- ! ter dem Rücken ihres Gatten manche dieser geflissentlichen Prairie- brände veranlaßt hat. Mit Erfolg läßt sich das Unternehmen nur dann aussühren, wenn ein lebhafter „Nordwester" weht; zu heftig darf derselbe indeß auch nicht sein, sonst fliegen die Flammen nur oberfläch lich über die Grasfläche hin und sengen höchstens den Rasen an, bringen es jedoch nirgends zu einem Hellen lustigen Brande. „Ich war allemal wahrhaft glücklich", berichtet unsere Verfas serin, „wenn F... erklärte, jetzt sei der Wind gerade recht, und! vorschlug, auf das „Feuerwerken" auszuziehen, nach Stellen,! wo das Gras ein bis zwei Jahre, noch besser drei Jahre alt! sei." Aber nun mußte vor allem dafür Sorge getragen wer den, daß die Toilette der Damen keine leicht feuerfangenden! Stoffe enthielt; selbst bei der größten Hitze waren alle dünnen, leichten Kleider zu vermeiden. Vielleicht springt der Wind um, und wenn man eben daran ist, einen der Binsenbüschel in Brand zu stecken, sieht man sich jählings mitten in den züngelnden Nammen. Ohne kleine Feuerschäden ging es freilich selten ab; unser Schafbaron versengte sich fast regelmäßig den Bart, und seine Frau büßte mehr denn einmal einen Theil ihrer Augen wimpern ein. Jedes mit einem tüchtigen Vorrath von Streichhölzchen versehen, begab sich das Ehepaar an das ergötzliche Zerstörungs werk. Unterwegs schaute man sich nach dem garstigen stache- lichten Gestrüpp um, das man dort zu Lande unter dem Namen „Spaniards" kennt, oder nach einigen hohen Neuseelandflachs stengeln, am liebsten aber nach einer Gruppe abgestorbener Titi- palmcn, denn diese gaben das munterste Feuer ab. Und wenn man dann den rechten Ort gefunden und sich zuerst davon über zeugt hatte, daß nicht etwa Schafe im Bereiche der zu entzün denden Flammen waren und derart vor der Zeit zu Hammels koteletten geröstet werden könnten, so brachte man zuvörderst ein größeres Binsengestrüpp in Brand, steckte daran seine Holzfackeln an, marschirte von diesem „Hauptcentrum", der eine nach der Rechten, die andere nach der Linken, ab, und zeichnete längs des Wegs fortlaufende Feuerlinien in das Gras. „Ich kann Euch versichern", heißt es in der Schilderung weiter, „ein aufregenderes Vergnügen läßt sich gar nicht denken, und der Effekt ist wunderschön, besonders, wenn der Abend hereindunkelt und das Feuer rundum über alle Berge wandert. Dann und wann kommt ein plötzlicher Windstoß, und nun bäu men sich die Flammen senkrecht in die Höhe und bilden eine feurige Wand. Mit einem Male nimmt der Wind wieder eine andere! Richtung, und alle die vielen Flammenzungen nähern sich einander, bis sie zu einer Ungeheuern dichten Masse verschmelzen und als solche sich in grausiger Schönheit weiter wälzen, in einer über wältigenden, unvergleichlichen Schönheit, die jeder Beschreibung spottet." Ist das Wetter längere Zeit anhaltend trocken gewesen, so wird wohl, bei starkem Winde, ein großer Flachssnmpf in einer der zum Run gehörenden Niederungen angezündet. Dadurch bekommt man das prächtigste Feuerwerk von der Welt, wenn die Sache erst gehörig im Zuge ist. Freilich erfordert es einige Mühe, die starken grünen Büsche zu entflammen, haben dieselben aber einmal Feuer gefangen, so knistert nnd prasselt nnd knattert es wie von Tausenden von Schwärmern und Raketen. Das Umherstreifen in diesen morastigen Flachsdickichten hatte allerdings seine Schwierigkeit, zumal für eine Dame. Alle zwei, drei Schritte sind tiefe Löcher im Boden, aus denen sich Lady Barker nicht immer ohne die Hilfe ihres Gemahls wieder emporarbeiten konnte, und manchmal hatte man seine Noth, einem Flachsbusche aus dem Wege zu kommen, welcher gerade im unrechten Momente ausloderte und die Kleider der kecken Pyrotechniker in äußerste Bedrängniß versetzte. Im Winter stehen jene Löcher ganz voller Wasser, jetzt, in der Zeit der Brände, füllt sie ein dünner zäher Schlamm, in den man bis über die. Stiefel versinkt. Scharen von wilden Enten und Sumpfhühnern scheucht das Feuer aus dem Gestäude empor, ge legentlich auch ein paar Rohrdommeln oder Reiher, und das Geschrei dieser von den Flammen geängstigten Vögel übertönt das Brausen des Nordwesters. In den ersten Zeiten der Be siedelung Neuseelands war das „Runbrennen" freilich noch ein ganz anderes Vergnügen. Damals, vor etwa zwölf Jahren, ließ man die Binselbüschel zwei Meter hoch wachsen. „Was für ein Feuer müssen sie gegeben haben!" ruft Lady Barker weh- müthig aus; „in welchen traurigen Tagen leben wir dagegen jetzt, wo das Gras ganz kurz gehalten und ein Drittel unsers Run jeden Frühling gebrannt wird!" Unmittelbar nach der Einäscherung bietet die Gegend weit und breit einen außerordentlich traurigen Anblick dar. Ueberall endlose Strecken kahlen, öden Landes, die über alle Vorstellung häßlich und trostlos aussehen. Kaum aber sind die ersten sanften Lenzregen gefallen, so gleitet ein zartes lichtes Grün über die nackten Hügel, bis sich nach und nach eine Fülle des köstlichsten jungen Grases entwickelt, auf dem Schafe und Lämmer mit Vorliebe weiden. Sowie das Feuer auf einem oder dem an dern Striche erloschen ist, wimmelt es auf dem verbrannten Bo den plötzlich von Tausenden von Meerkrähen. „Wohin sie sich im Frühling verziehen, kann ich nicht sagen", meint Lady Bar ker, „da ich zu anderen Zeiten niemals auch nur einen einzigen dieser garstigen Vögel zu Gesicht bekommen habe, deren ohren zerreißendes heiseres Gekrächz von früh bis abends die Lust erfüllt. Sie suchen auf dem verkohlten Rasen nach Insekten; ob sie aber außer gerösteten Eidechsen und Grashüpfern viel finden werden, möchte ich bezweifeln; habe ich doch auf Neusee land niemals auch nur eine einzige Raupe entdeckt." — Drei Frühlinge hindurch genoß Frau Barker an der Seite ihres Gemals diese originellen und großartigen Ergötz- lichkeiten nach Herzenslust — dann schlug die Stunde zur Heim kehr nach Altengland. Wie hatte man sich so manchen Tag und so manche schlaflose Nacht nach dieser Stunde gesehnt! nnd als sie nun kam, da fühlten beide, Mann und Frau, wie sehr ihnen das ferne, wilde, ursprüngliche Land in den wenigen Jahren ihres Aufenthaltes ans Herz gewachsen war. Mit bitteren Thrä- nen schieden sie von dem einsamen Holzhause in den weltent legenen Bergen Neuseelands, welches „so viel Glück, so vielen Frieden und so viele gesunde Lust" beherbergt hatte, und der Gatte machtö dem Trennungsschmerze in schwungvollen Strophen Lust, mit denen Lady Barker ihre Aufzeichnungen zu einem würdigen und ergreifenden Abschlusse bringt. Schnell haben sich die Verhältnisse jener Gegend Australiens geändert. Lyttelton ist ein vielbesuchter Hafenplatz geworden und eine bequeme Landungsbrücke verschafft den Seefahrern Gelegen heit, mit den Dampfschiffen anzulegen, so daß die Passagiere trockenen Fußes ans Land steigen können. Von Lyttelton führt eine bequeme Eisenbahn nach Christchurch und die Kette der Portberge ist durch einen Tunnel überwunden; Christchurch aber ist aus einem kleinen Orte eine hübsche Stadt mit mehr als 8000 Einwohnern geworden. Auch über Christchurch hinaus ist die Eisenbahn ins Land hinein verlängert worden, das Land ringsum ist vergeben, die Besiedelung schreitet vor, und wer eine Schafstation nach Art und Weise der Barker'schen nnlegen und ein einsames Leben, wie es dort beschrieben ist, führen will, der muß tiefer ins Land hineingehen, oder an einem weniger ! besuchten Punkte der Doppelinsel landen — Neuseeland ist groß j genug und hat noch zu wenig Bewohner, als daß es nicht noch Ranm für viele bieten sollte!