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Schlössern der Arno und die Chiana durch ein glückliches Land. Die Flora Toskana's ist ungemein reich, ebenso wie seine geognostische Beschaffenheit, seine Bodenverhältnisse und sein Klima manigfaltig sind. Kaktus und Agaven gedeihen in den Vorge birgen, Terebinthen, Myrten, Kork- und Kermeseichen in den dem Meere nahe liegenden Wäldern, Steineichen, Pinien, Ka stanien, Ulmen, blattwechselnde Eichen und Erdbeerbäume im inner» Hügellande. Höher hinauf finde» sich dann Rothtannen, Wacholder, Cerreichen, Kornelkirschen und Hainbuche», endlich Buchen und Bergahorn bis an die Grenzen der alpinen Region. Weizen und Mais, Lupine» und Artischoken, dazu Hülsenfrüchte aller Art bedecken die Felder mit Ausnahme der Maremmen (insoweit dieselben noch nicht trocken gelegt wurden), in der Ebene von dem reihenweise gepflanzten Feldahorn oder der Ulme, um die sich die Rebe windet, auf den Hügeln meist von Oliven überragt. Von Toskana aus wenden wir uns in die römische Cam pagna. Die römische Campagna ist eine 12 bis 14 Meilen lange und 6 bis 8 Meilen breite Hügelebene, die im Südwesten vom Meere, von den drei anderen Seiten durch Gebirge eingeschlossen wird. Sie ist eine wüste, einsame Steppe, die Rom mit dem Grabesodem der Malaria umgibt. In alter Zeit freilich war dieser Landstrich reich bevölkert, voll blühenden Ackerbaus auf seinem fruchtbaren vulkanischen Boden. Wie Rom selbst schließ lich an der Vernichtung der kleinen Grundbesitzer und des freien Bauernstandes zu gründe ging, so auch die Fruchtbarkeit der Campagna. Schon im letzten Jahrhundert vor Christi Geburt hat der italiänische Ackerbau solche Einbuße erlitten, daß Rom auf Getreidezufuhren aus Sizilien und Afrika angewiesen war. Die immer mehr Platz beanspruchenden Villen und Parkanlagen beeinträchtigten den Ackerbau. Ebenso verwandelten die reichen Großgrundbesitzer auch einen großen Theil früherer Felder in reichen Gewinn abwerfende Triften. Mit der wachsenden Ver ödung stellt sich dann auch die Fieberluft ei», die in dem Maße zunahm, als man die Rom nahe gelegenen Pinienwälder, weil sie die Schlupfwinkel von Räubern waren, aushieb. Lange be vor diese Verheerung, die auch dem Pesthauch der Pontmischen Sümpfe den Zugang zur ewigen Stadt eröffnete, unter den Päpsten vor sich ging, hatten die Einfälle der nordischen Er oberer auch die letzten Reste der früher» feßhaften Bevölkerung vom Boden der Campagna vertilgt. Später machten einige Päpste allerdings Versuche zum Wiederanbau der Campagna, diese scheiterten aber an den fortdauernden Fehden und den häu figen Kriegszügen fremder Eroberer. Ganz ohne Anbau ist zwar nun heute die Campagna nicht mehr, allein die großen Grundbesitzer und die »ri» oattiva setzen sich noch immer ihrer Wiederherstellung als schlimmste Feinde entgegen. (Schluß folgt.) Anter den Schafbaronen Neuseelands. Nach den Briefen einer englischen Dame. Von Kugo Schenke. (Schluß.) 3. Lebensmuth und Lebensfreude. „Welches heitere, leichtherzige Leben war es, das wir auf Neuseeland führten!" so ruft Frau Barker am Ende des zwei ten Bandes aus. „Wir alle hatten schwer zu schaffen und sauer zu arbeiten, und unsere Erholungen waren so einfacher und ar kadischer Natur, daß ich mich jetzt oft wundere, wie sie uns so großes Vergnügen bereiten konnten. Gewiß, es liegt ein hoher, unsäglicher Reiz in einem sol chen Leben fast schrankenloser persönlicher Freiheit, in einem Le ben des innigsten Verkehrs und so zu sagen, Verwachsens mit einer noch ungebrochenen, einsamen, großen Natur, und je höher gebildet der Mensch ist, dem das Schicksal dieses Leben ver gönnte, um so unwiderstehlicher wird die Sehnsucht sein, mit der es ihn aus den beengenden Schranken unsrer Kultur her aus nach jenen Tagen in der Wildniß zurückzieht, welcher zwar so ziemlich alles gebrach, was die Civilisation von geistigen und leiblichen Genüssen geschaffen hat, in die aber der Mensch noch nicht seine Qual und seinen Zwang getragen, wo er „auf sich selber steht ganz allein", wie der freie Reitersmann, von wel chem Schiller singt. Freilich gesunde Nerven und feste Gliedmaßen und vor allem furchtlose tapfere Herzen müssen es sein, die sich dieses rauhen Squatterdaseins und seiner Ergötzlichkeiten erfreuen sollen. Von dergleichen kolonialen Ergötzlichkeiten wollen wir zum Schluffe unserer Mittheilimgen noch ein paar flottgezeich nete Bilder herausgreifen auf gut Glück, denn alle Schilderungen sind gleich interessant, gleich frisch und anschaulich. Begleite uns der geneigte Leser denn zunächst auf einer neuseeländischen Toboggonning, d. h. Schlittenpartie, einer Schlittenpartie L la riesengebirgische Hörnerschlittenfahrten, nur mit weniger Be quemlichkeit und Sicherheit. Es war nach jenem furchtbaren Schneesturme im August d. I. 1867, das ganze Gebirge schimmerte in fleckenlosem Weiß, und im Thale lag tiefer, tiefer Schnee, alle Vertiefungen waren ausgefüllt von den endlos fallenden weichen Flocken, alle Bäche überbrückt und vier Wochen lang hatte jedwede Verbindung zwischen den verschiedenen Stationen und Ortschaften aufgehört. Wie groß die Verluste unserer Sheep-Farmer waren, wußten sie selbst noch nicht. Daß, wie sich nachmals herausstellte, im ganzen Aus allen Welttheilen. VI. Jahrg. eine halbe Million Schafe durch das Unwetter ihren Tod ge funden hatte, das ahnte aber niemand. Die im Halbkreise den südlichen Horizont schließenden Alpen boten in ihrer wohl zwanzig Meilen von Mitternacht nach Mit tag streichenden Ausdehnung einen prachtvollen Anblick dar, wie sich dessen kein Mensch in der Kolonie zu erinnern ver mochte. Was sich zur Rettung der Schafe noch hatte thun lassen, war geschehen, allein was konnte alles Ausgraben und Ausschaufeln helfen? Ehe man die an vielen Stellen bis zehn Meter hohen Schneewehen beseitigt hatte, wäre doch längst jed wedes darunter begrabene thierische Leben erloschen gewesen. Das waren schwere, bange Tage für unsere Ansiedler, Tage voller lebenzehrender Sorgen, ihre ganze wirthschaftliche Existenz stand ja auf dem Spiele, und die Frage: „Wo sind die Schafe? Was ist aus ihnen geworden?" kam nicht aus ihren Seelen. Dazu ein unheimliches, beängstigendes, niederdrückendes Schwei gen ringsum, und die ganze Gegend wie verwandelt, wie in ein fremdes, schauerliches Land verzaubert. Waren doch alle charakteristischen Kenn- und Wahrzeichen der Umgebungen ver schwunden: Felsen, Büsche, Titipalme», Zäune, Thore — von alledem war nicht das geringste mehr wahrzunehmen. Schup pen, Heuschober, Holzhaufen, Pflanzungen, welche die Nähe einer Station anzukündigen pflegen, das war samt und sonders mit einem weißen Bahrtuche bedeckt. Da es bei solchem Zustande der Dinge geschäftlich auf der Station nichts zu thun gab, so verfiel man, um die Langeweile einigermaßen zu verscheuchen, auf allerhand Allotria, an die man unter anderen Umständen schwerlich gedacht haben würde. So zimmerte der Herr der Besitzung sehr eifrig aus alten Packlisten Schlitten. Dicht bei der Wohnung senkte sich ein Abhang etwa dreihundert Schritte lang in einem Winkel von 40" hinab, und seine Fläche war so dick beschneit, daß vielleicht ein Monat vergehen konnte, ehe sie abthaute. Man kam daher auf den Gedanken, den Hügel als natürlichen russischen Rutschberg zu benutzen. Nun war aber die Herstellung eines brauchbaren Vehikels kein so leichtes Ding, wie man vielleicht meinen könnte, und mancherlei Mißlingen ging voraus, ehe ein Schlitten gebaut war, den man für allenfalls geeignet und sicher halten durfte. Nicht nur hatte es seine große Schwierigkeit, ohne gehörige Werkzeuge ein Gefährt zu konstruiren, welches zwei Personen 24