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Der Jtaliäner ist noch heute keineswegs der Bärenhäuter, wie ihn sich die nordische Phantasie im Hinblick auf sein laues Klima vorstellt. Der antike italiänische Landwirth aber muß geradezu ein Muster des Fleißes gewesen sein. All den vielen Gewächsen, die zu verschiedener Zeit auf demselben Boden kei men, wachsen und Frucht tragen, wandte er die aufmerksamste Sorge und Pflege zu. Er begnügte sich nicht nur damit, die Ackerflur einfach hin und her zu pflügen; er pflügte sogar über's Kreuz, und es gab Aecker, welche nach dem Berichte der alten Lehrer der römischen Landwirthschaft das siebente Mal gepflügt wurden, ehe der Same ausgestreut, oder Gemüsepflanzen gesteckt wurden. Bis nach glücklicher Beendigung der punischen Kriege gro ßer Reichthum und eine große Menge Sklaven, als billiges Ar beitsmaterial, nach Italien gelangten, gab es dort keine eigent lichen größeren Güterkomplexe. Die Feldfluren der einzelnen Besitzer waren klein und dies schrieb die Bewirthschaftungsart vor, d. h. das natürliche Bestreben, dem geringen Umfange des Bodens so viel als irgend möglich abzutrotzen. Dieser Zug be wirkte es, daß man frühzeitig auf geeignete Düngung verfiel, ja diese dann so hochhielt, daß man ihr sogar einen besondern Schutzpatron: Stercutins, den Düngerheiligen gab, welcher da für sorgen mußte, daß man zwei Ernten im Jahre erzielte. Auch der Aubau der Futterkräuter neben dem der Wiesen und ihrer Düngung und Berieselung war den Römern wohl bekannt und sie bedingte wieder die Stallfütterung des Viehs, die bei nns von noch gar nicht lange her datirt. AuS diesen wenigen Andeutungen geht wohl hinreichend hervor, daß der italiänische Landbau treffliche alte Neberlie- ferungen hat. Ueber die höchste Kultur ergossen sich aber die fürchterlichen Wogen der Völkerwanderung und als diese Wogen sich endlich gelegt hatten, da waren es wieder die verheerenden Städtefehden und Parteikämpfe, welche die ländliche Bevölkerung ungemein verdünnten und ihre Reste meist in die Städte trie ben. Auf diese Weise gelangte allmählich fast aller Grundbesitz in die Hände der Patrizier und des Adels, der Kirchen und Kommunen der größeren Städte. Diese Großgrundbesitzer aber fanden es, namentlich in den Herzogtümern, den Legationen und Toskana, bequem und praktisch, allen ihren ländlichen Be sitz in kleine Güter, sogenannte xoäsri, zu zerschlagen und diese immer von je einer Bauernfamilie im Jahrespacht bewirtschaf ten zu lassen. Dieses Bewirthschaftungssystem hat sich über einen großen Theil Italiens, besonders über Nord- und Mittelitalien seit dem 15. Jahrhundert ausgebildet und mit ihm sind, eben zum größten Nachteile für die Landeskultur, die italiänischen Bauern ein unseßhaftes Jahrpächtervolk geworden, das natür lich kein gar großes Interesse an der Verbesserung von Grund und Boden hat, während auch der städtische Eigentümer der ^oäsri, der dieselben lediglich als eine Art verzinsbarer Aktien betrachtet, ebenfalls weder Sinn noch Verstündniß für den Land bau hat, den auch noch besondere Verhältnisse anderer Art manch mal schädigen, so namentlich den Weinbau. Der Jahrespächter bewirtschaftet das ihm anvertraute kleine Gut gegen eine Geldabgabe, häufiger aber noch gegen die Hälfte, in minder fruchtbaren Gegenden gegen ein Drittheil des Roh ertrages, wogegen die Eigenthümer des Bodens die Abgaben zn tragen nnd die Gebäude zu unterhalten haben. Fleiß und Ausdauer fehlt der italiänischen Landbevölkerung nicht, wohl aber die rechte Lust und Liebe an ihrer Thätigkeit, der Sinn für Verbesserung und Fortschritt und das liegt eben nur in den hier knrz geschilderten Verhältnissen. Dabei muß man sich wundern, daß trotz dieser ungünstigen Verhältnisse der italiänische Land bau nicht weiter zurückgeschritten ist, sondern noch heute auf ein zelnen Gebieten sehr Achtenswerthes leistet. In dieser Beziehung kann man sich nur dem gerechten Urtheile F. Kölle's anschlie ßen, der in seinem Werke: „Italiens Zukunft" ausruft: „Von den Alpen in die Ebenen der Lombardei herab die Kultur des Weinstocks, des Maulbeerbaumes, des Maises, dann die unübertroffene Graswirthschaft, von Wässerung, Kompost und kluger Auswahl der Viehrassen getragen, die Reisfelder vom Tessin, der Hanfbau um Bologna, die fleißige kleine Kultur längs der Emilia, in Toskana und um Lucca, endlich die Gar- tenwirthschaft der Umgegend Neapels, wenn wir das alles vor Augen haben und an den Druck durch Auflagen und endlose Prozesse, an die mangelhafte, oft gänzlich abgehende Schul bildung, an die erschöpfende Hitze, an die so häufigen Einflüsse der schlechten Luft, an die vielen gebotenen Feiertage, die un gesunden Fastenspeisen, die wenn nicht hemmenden, doch selten fördernden Ackerbaugesetze denken: so bleibt uns nur übrig, die Standhaftigkeit, den Fleiß, den gnten Muth, uud die Elastizität des italiänischen Landvolks zu bewundern." Eine besondere Liebe widmet der italiänische Landmann dem Oelbau. Wer dabei die verschiedenen Verrichtungen von Dün gen, Beschneiden rc. bis zur Gewinnung des Oel's selbst mit angesehn, wird sich schwerlich versucht fühlen, den italiänischen Landmann einen Müßiggänger zu schelten. Um aber ein Gesamtbild der italiänischen Agrikulturvcr hältnisse zu gewinnen, ist es nöthig einen Blick aus die cinzel nen Theile des herrlichen Landes zu werfen. Da bietet sich uns zunächst die Po-Ebene mit ihren schiffbaren Kanälen und natürlichen, vielfach in einander mündenden Wasseradern und ihrer fabelhaften, jährlich drei Ernten (von Roggen, Mais oder Moorhirse und Buchweizen) gewährenden Fruchtbarkeit dar. Millionen von Maulbeersträuchern und Maulbeerbäumen liefern dem Seidenwurm seine Nahrung und tausende die Felder ein rahmende Ulmen und Ahorne sind die lebendigen Pfähle für die Rebe, die sich in reizenden Guirlanden von Baum zu Baum windet. Ueberall Winken zahllose Obstbäume, besonders Apri kosen und Pfirsichen, Melonen und Wassermelonen gedeihen neben den feinsten Gemüsen in üppiger Fülle in den feuchten Flächen. In den Gegenden von Este, Vicenza und Padua finden sich Reisfelver, in den Gärten überall Feigen und Mandeln, mit unter auch der Oelbaum; Citronen- und Pomeranzen- und Granatbäume gedeihen bei guter Pflege und geschützter Lage ebenfalls. Unerreichte Meister sind die Lombarden in der Kunst, ihr Land zu bewässern. An den Fluß- und Kanaldämmen stößt man oft alle vierzig Klafter auf kleine Ausleitungsthore der Wasserleitungen, welche immer steinerne Pfeiler haben. OefterS laufen die neueren großen Kanäle über solche alte Wasserlei tungen hin und werden dann Uonti OanaU genannt. Da das Flußbett des Po überdies oft höher (bis zu 10 Meter) als das Land ringsum liegt, so sind auch ausgedehnte Dammbauten vor handen, die von einer Art Dammpolizei streng bewacht werden. Die Poebene selbst ist nicht so einförmig wie man denkt: da sich an jedem Maulbeerbaume Wein emporrankt und die Ranken von je zwei Bäumen als Gewinde zusammengebnnden sind, so sieht die Ebene von einer Anhöhe, oder einem Thurme aus be trachtet, bei dem Umstande, daß sie durch zahllose Gräben in lauter kleine Grundparzellen getheilt wird, an deren Rändern die Maulbeerbäume stehen, fast wie ein einziger lichter Laub wald aus, unter dem die Dörfer und Weiler verschwinden wür den, wenn sie nicht durch die thurmartigen Pappeln markirt wären. Einförmiger sind nur die dem Reisbau gewidmeten Ge genden, die in den sanften Senkungen des Bodens außerhalb der Flußmarschen liegen. Sie bilden weite, offene, baumlose, in fahles Grün gekleidete Ebenen, die durch eine unzählige Menge von Kanälen uud Dämmen in gleichmäßige Vierecke ge theilt sind, deren tiefer Boden durch Schleußenspiele bald in un absehbare Morastfelder, bald in noch immer feuchte Wiesengründc verwandelt werden. Auch der Wiesenbau findet in den dem An schwemmungsterrain der Flüsse ferner gelegenen, aber durch künst liche Bewässerung ebenfalls in Marschland verwandelten Theilen der Ebene mit wunderbarem Erfolge statt. Fast immergrüne, mit kniehohen Kräutern bedeckte und mit Baumpflanzen einge faßte Wiesen gewähren natürlich einen sehr bedeutenden Ertrag. Noch verdient erwähnt zu werden, daß die Oliven auf der Po- ebene nicht zu so feinem Geschmacke wie in Mittelitalien reifen, Kastanien und Feigen dagegen in Ueberfluß und auch schon Agaven, Opuntien, Oleander, Thymian, Salbei und Rosmarin als Kulturpflanzen im Freien gedeihen. Von der Poebene schreiten wir nach Toskana, dem Garten Italiens. Sobald man in Toskana eintritt, erscheint überall an den Abhängen der Berge der fruchtbeladene Oelbaum mit seinem silberschimmernden und doch so melancholischen Laube. Zwischen dichten Alleen hochstämmiger Pinien, Ulmen und Steineichen, zwischen smaragdgrünen Feldern und Obsthainen winden sich, umkrünzt von schimmernden Städten, Klöstern, Villen und