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169 entdeckte man im Jurakenlande ein ganzes Mammnth mit Weich theilen, und 1866 sendete die Kais. Russische Akademie eine Expedition unter vr. Schmidt zu Lande an jene Küste. Ja so zahlreich sind jene Funde, daß das sibirische von dem Mammuth und seinen Verwandten stammende Elfenbein einen beträchtlichen Theil des überhaupt in den europäischen Handel kommenden Elfenbeins bildet. Nen-Sibirien enthält außerdem Knochen von Moschusochsen, Pferden, Schafen u. s. w. — wie weit auf Nowaja Semlja und andern arktischen Jnselländern Fundstätten jener Fossilien sind, muß erst nock ermittelt werden. Um so mehr wissen wir von der geologischen Be schaffenheit einzelner Gebiete aus der arktischen Inselwelt. Namentlich haben auf Spitzbergen Lovsn, Torell, Blomstrand, Nordenskiöld gearbeitet, auch Ostgrönland, Nordostgrönland und Nowaja Semlja sind in Angriff genommen. Keine Humusdecke, kein Wald, kein Graswuchs stört hier den geologischen Blick. Ans Spitzbergen walten Granit, Gneis, krystallinische Schiefer vor; Kohlenformation wurde an mehreren Stellen beobachtet, Trias und Jura desgleichen; im Jurakalk hat man Jchthyo- saurusreste entdeckt. Tertiäre Lager mit Kohlen enthalten zahl reiche Versteinerungen; im Miocen allein sind bereits 26 Nadel holzarten aufgefunden worden — eine große Manigfaltigkeit, denn Deutschland und die Schweiz zählen deren jetzt nur 12! — und zwar sind vorzugsweise die Sequoien, die Verwandten jenes bekannten kalifornischen Riesenbaumes, vertreten. Auch im nördlichen Grönland fand Nordenskiöld in einem schwarzen, der Kreideperiode angehörigen Schiefer überaus zahlreiche Pflanzenabdrücke und Versteinerungen: zahlreiche Nadelhölzer, Cycadeen, Farnkräuter, sämtlich auf ein tropisches Klima deutend, reden dort von den vergangenen Zeiten. Drei fossile Floren lagern hier und dort neben einander und zeigen in ihren Formen die allmähliche Abkühlung der die Erde umgebenden Atmosphäre. In Grönland, Spitzbergen und auf anderen Inseln haben gewaltige Ausbrüche von Basalt, Laven und Tuffen die bereits vorhandenen Formationen überschüttet; die Insel Island ist fast ganz das Produkt vulkanischer Thätigkeit. Die wenigen Andeutungen, die ich hier gegeben habe und die ich gern weiter verfolgt hätte, wenn es die Zeit gestattete, mögen genügen, um auf die außerordentliche Wichtigkeit der ark tischen Inseln für das geologische Studium hinzuzeigen. Hin zeigen möchte ich auch noch auf das Studium der arktischen Gletscher. In jenen nördlichen Breiten hat die Eis- und Gletscherbildung ihre Heimat, zeigt sie sich in großartigster Ent wickelung. Was einzelne Forscher wie Ring, Hayes, Bessels, Payer, Nordenskiöld hier beobachtet haben, wirft manches Licht ans die spärlicheren Gletscherbildungen unserer europäischen Ge birge, auf die gewaltigen Uebergletscherungen Mitteleuropa's und anderer Länder in der Eiszeit. Und zugleich sind die Gletscher, namentlich Grönlands, die Werkstätten, in denen jene ungeheuren und seltsam gestalteten Eisberge erzeugt werden, welche selbst bis in den Atlantischen Ozean hinein die Schiffe gefährden. Auch die Meteorologie gehört in das Gebiet der phy sischen Geographie. Diese Wissenschaft hat in den letzten Jahr zehnten gewaltige Fortschritte gemacht. Ein Netz von Beobach tungsstationen ist über die ganze Erde gezogen — aber dieses Netz hat noch manche offene Stellen und die offene Stelle des nördlichen Polarmeeres ist für unsere Interessen gerade die un bequemste. Denn in noch höherem Grade als das Meer bildet die Luftschicht, welche Land und Wasser umgibt, ein zusammen hängendes in ewiger Bewegung befindliches Ganze. Die Me teorologen können und dürfen nicht rasten, bis an allen wesent lichen und möglichen Punkten der Erde Beobachtungsstationen errichtet sind; vorläufig ist es schon ein Gewinn, wenn die Nordpolexpeditionen mit dem Auftrage ausgesendet werden, ein vollständiges meteorologisches Journal- zu führen, ein noch größerer Gewinn, wenn eine Ueberwinterung ausgeführt wird und jenes Journal mehrere Jahre umfaßt; ein noch erfreulicherer, wenn gleichzeitig mehrere Ueberwinterungen durchgesetzt werden können. Hier kann ich nicht umhin, auch wieder einmal der prak tischen Erfolge zu gedenken, welche die Wissenschaft errungen hat- In Nordamerika hat man angefangen, und in Europa wird man bald nachfolgen, auf Grund eingehender Beobach tungen, welche nach einer Centralstation telegraphirt werden, Ans allen WEVeikn. VI. JalM. j von dieser Centralstation aus die bevorstehenden Witterungsver- ! hältnisse nach allen Seiten hinaus zu telegraphiren und nament lich Sturmwarnungen ergehen zu lassen. Von je 100 Sturm signalen in Nordamerika sind bis jetzt mehr als 77 zutreffend ! gewesen; bei den Nichtzutreffenden war es meist nur die Stärke, nicht das Eintreten und die Richtung des Sturmes, worin man sich geirrt hatte. So wurde am 1. und 2. März 1872 ein großer längs der atlantischen Küsten hingehender Stnrm immer einen halben Tag vor seinem Ausbruche angezeigt und dadurch unermeßlicher Schaden an Schiffen verhütet, dasselbe geschah bei dem Sturme, der im November 1874 von Nordamerika über Schottland und Schweden bis Rußland hinzog. Die Polar gegenden mit ihrem eigenthümlichen Klima, mit ihrer andauern den Kälte, mit ihrem durch die Meeresströmungen erzeugten Temperaturwechsel sind ein so wesentlicher Faktor bei den Be- urtheilungen des nord- und mitteleuropäischen Klimas, daß in dieser Beziehung Nordpolarexpeditionen nicht ost genug unter nommen werden können. Die für den Walfang und Robben schlag bestimmten, wenn auch zahlreichen Schiffe sind allzusehr und in zu unruhiger Weise beschäftigt als daß sie regelmäßig sich den stillen meteorologischen Beobachtungen hingeben könnten. Vorzüglicher natürlich wären dauernde Stationen, zunächst auf Spitzbergen und Nowaja Semlja: Stationen, die dann freilich auch telegraphisch mit der wärmeren Welt in Verbindung ge bracht werden müßten. — Es ist kaum nöthig, daß ich hinzu füge, welche wichtige Rolle die magnetischen Beobachtungen im Leben, namentlich in der Schiffahrt spielen, wie durch die Auffindung des magnetischen Nordpoles von James Clark Roß am 1. Juni 1831 wichtige Probleme gelöst worden sind, und wie die Fortsetzung der magnetischen Beobachtungen gerade im Hohen Norden recht wesentlich und nothwendig ist. Die zweite Deutsche Nordpolarexpedition hat auch größere geodätische Arbeiten begonnen. Die Ausführung einer ark tischen Gradmessung ist für die Ermittelung der Abplattung der Erde von ganz besonderm Interesse; nicht minder würden es physikalische Arbeiten, wie z. B. Pendelbeobachtungen zur Er mittelung der Anziehungskraft und des Gewichtes des Erd körpers sein. — Von dem Klima hängt die Pflanzenwelt ab — wir kommen hiermit auf die Pflanzengeographie, als ein wesentliches Glied der allgemeinen oder physischen Geographie. Diese Wissenschaft hat schwierige Aufgaben zu lösen, die sie gerade in den Polargegenden, wo das Auge des Forschers durch Fülle und Reichthum des Pflanzenlebens nicht gehindert wird, sorg fältiger und sicherer ergründen kann. Nur dürftig ist die Flora der arktischen Jnselländer, am reichsten noch in Nowaja Semlja, wohin sichtlich Festlandspflanzen sich übergesiedelt haben, am dürftigsten in dem neu entdeckten Franz Josefland, welches durch eine große Eistrift von den übrigen Jnselländern getrennt er scheint. v. Heuglin zählt für Nowaja Semlja 146 Phanero- gamen, 144 Kryptogamen, also 290 Pflanzenarten auf, für Spitzbergen 117 Phanerogamen und 109 Kryptogamen, also 226 Arten. Die Zahl der Phanerogamen dürfte bei weiteren Untersuchungen sich nur um wenige, die Zahl der Kryptogamen um viele vermehren. Wie sind nun diese Pflanzen auf die arktische Inselwelt gelangt? Manche mögen mit den europäischen Schiffen gelandet sein. Es befremdet uns nicht, an beiden Lokal floren, wie auch auf der Bäreninsel, unser laraxaoaw okkoinals zu finden, theilweise mit denselben Nebenformen der vielge staltigen Pflanze, wie wir sie auf unseren Rückmarsdorfer und Abtnaundorfer Wiesen finden: llAraxaouin ollloinals ist ja eine Pflanze, die den Menschen leicht in alle Klimate folgt. Möglich, daß auch Oainpanula rotunllitolis,, rotunäikoli», Vaooi- niuin uUZiuosuin, Riisutalis suioxasa, nana, die sämtlich nur auf Nowaja Semlja vorkommen, ähnlich ihre Verbreitung durch die Menschen gefunden haben. 8axikraKa nivalis, eine Steinbrechart, die in Deutschland und der Schweiz nur einen Standort hat, an dem Basaltfelsen in der Kleinen Schneegrube des Riesengebirges, geht durch die arktische Flora hindurch. Andere Pflanzen sind durch die Alpen und die Arktische Flora gleich verbreitet: ich erinnere an Orvas ootoxstala, an kaxavsr naäioaals, an Oaräaroiiio balliäitolis,, an 8iwris aoaulis, an 8axilraZa airioiäss, an kolz-gouura vivixarum, an lTiorovliloa »I- I xina u. a. m. Hier ist für den Pflanzengeographen ein reiches 22