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151 bach hinüber, in's Kleine Kohlbachthal hinein. Man klimmt das „Treppchen" hinauf und befindet sich nun im mittler« Thalabschnitt, der dem entsprechenden im Velkathale ähnlich ist. In der Knieholzregion liegt der „Feuerstein", ein mächtiger Granitblock, der durch seine überhängende Wand Obdach für die Nacht bietet. Um nun zu den „Fünf Seen" zu gelangen, erstiegen wir die etwa 330 w. hohe Seewand, und vor uns lagen in geringer Entfernung von einander die 5 Seen, deren einer unter dem Schnee noch den Winterschlaf nicht überwunden hatte. Auf den zwei größten sichtbaren Seen schwammen Eis schollen. Schnee und kolossale Felsen bildeten, wie überall in den obersten Thalkesseln der Mittlern Tatra, die Elemente der Landschaft. Ich selbst machte diese Partie ins kleine Kohlbach thal am 12. Juli. Ein Theil meiner Reisegefährten machte sie schon am Tage vorher, nächtigte am „Feuerstein" und bestieg am 12. die Lomnitz er Spitze, worüber sie selbst weiter be richten mögen. „Bereits um 4 Uhr morgens wurde vom Feuerstein auf gebrochen und unter Führung des Janos, eines 70jährigen Hei ducken in schnurbesetzter Jacke, der seinen gewaltigen Schnurr bart mit der Eitelkeit eines jungen Burschen zu dünnen Spitzen drehte und jetzt zum 139. Mal diese Tour machte, glücklich „die Probe" gemacht. Es ist dies ein schwierig zu erklim mender, treppenartiger Felsen, dessen Erklettern aber eine ge wisse Garantie für das Erklettern der Spitze bietet, eigentlich in negativer Weise eine Mahnung, daß die Schwierigkeit des Kletterns oben noch bedeutender ist, als hier. Von Gefahr ist eigentlich nirgends die Rede. Wer schwindelfrei ist und feste Kniee hat, dazu nicht übermäßig ungeschickt ist, kann Hinauf kommen, sind doch selbst Damen oben gewesen. In beständigem Klettern ging es nun aufwärts, bei der „Kapelle", einer Fel sensäule, vorbei, bis auf die Höhe des Kammes, der um 6 Uhr erreicht wurde. Auf ihn ist die Spitze als Pyramide eingesetzt. Um 8 Uhr war nach manchem Klettern, Stemmen und Hinauf ziehen der Gipfel (2632 in.) erreicht. Prachtvoll klar war die Luft, die Aussicht herrlich. Aus einem Gewirr von Zacken, Spitzen und Graten erhoben sich besonders gewaltig die Gerls- dorfer und Schlagendorfer Spitze und die Felsenthürme des Visoky. Von einer klaren Uebersicht des Kammes ist nicht die Rede, zumal die rechtwinklig gegen die Längsaxe des Gebirges gestellten Ausläufer den Hauptkamm an Höhe vielfach übertreffen. Dies der Westen. Im Norden ragen die Felsriesen des Kar sunkels und des Eisthaler Thurmes, sowie der dem Hauptgipfel nur wenig nachstehende zweite Gipfel der Lomuitzer Spitze, die Käsmarker Spitze, weiterhin der Thörichte Gern und jener Bergzug jenseit des Skopapasses, dessen niedrige und gleich förmige Felsgebilde den Bastionen einer Festung gleichen. In Galizien erkannte man am Horizont die Baba gura, im Osten und Südosten traten die Fruchtgefilde der Zips, sowie die Nizny Tatry, auch unser Heim, das trauliche Schmeks, grüßend ent gegen. Um 10 Uhr wurde der Rückweg angetreten, und 1^ Uhr lagerte man beim .Feuersteine', um 4'/^ Uhr war wieder unser Capua Schmeks erreicht." — "Putra tnrock (d. h. Tatrabad) Schmeks liegt am Fuß der Schlagendorfer Spitze, mitten in einer Fichtenwaldung, welche die nach Südvsten zur Poprader Thalebene sich senkende Ab dachung bedeckt. Bis 1813 Jagdhaus, wurde es erst später Wirthshaus und Badeort, in welchem wohl 30 Jahre lang der alte Rainer, zur Zeit unsers Aufenthaltes Herr von Blazy schaltete und waltete. Jetzt machen die meist im sogenannten Schweizerstil gebauten Häuser einen recht freundlichen Eindruck. Gut gepflegte Anlagen umgeben dieselben. Außer der hübschen Lage und vortrefflichen Verpflegung trug nicht wenig sowohl die außerordentliche Zuvorkommenheit und Aufmerksamkeit von Seiten der Badedirektion und des gesammten Dienstpersonals, als auch der ungezwungene Ton und die angenehmen und in teressanten Bekanntschaften bei, die wir mit einigen Gästen, z. B. dem berühmten Orient-Reisenden Herrn v. Vümböry, machten, dazu bei, um unserer Gesellschaft den Aufenthalt im Bade angenehm zu machen. Ueber die Wirkungen des Mine ralwassers, das getrunken und in welchem gebadet wird, ein Urthcil zu fällen, fehlen mir genügende Anhaltcpunkte; interes santer war mir die Badekapelle, damals aus 10 Mann bestehend. Es waren Zigeuner, denen sich freilich anch andere, z. B. israelitische Elemente beigesellt hatten. Wenn die wun derbar hin- und herwogenden Zigeunerweisen mit ihrer durch fast sinnverwirrendes Tongewimmel verzierten Melodie ertönten, die scharfe Klarinette die schwirrenden Geigenfiguren unterstützte und der Cymbalspieler mit immer wilderem Eifer auf die Saiten seines Instrumentes loshämmerte, während die Kontrabässe nie aus ihrer ruhigen Bewegung herauskamen, — da fühlte man sich von dem Geiste des Herumschweifenden orientalischen Volkes angeweht, der allein solche Weisen schaffen konnte. Hatte das Stück eine Zeit lang scheinbar Planlos in Dur und Moll vaga- bundirt, so gab der erste Geiger mit einer Kopfbewegung ein Zeichen, das Tempo steigert sich, und mit einigen raschen, kräf tigen Akkorden ist die Musik verhallt. Die Parkanlagen des Bades bieten hübsche Waldbilder oder Aussichten auf die Tatra, z-B. von der „Karlsruhe" aus, oder auf die südlich gelegenen Gemrge von der „Aussicht". Auch der „Grützkocher" in der Nähe ist eine Kuriosität, der man wohl einen Besuch abstatten kann. Es ist nämlich eine kohlensaure Quelle, deren starkes Hervordringen die auf dem Grunde lie genden Quarzkörnchen mit in die Höhe reißt, daß es den Ein druck macht, als ob Grütze gekocht würde. Da der Weg durch sumpfige Wiesen führte, bot die kleine Partie dorthin wenig Romantisches, doch konnte man dies auch nicht vom „Grützkocher" verlangen. Auch die Räubersteine, sowie vor allem das „Thürm- chen" gehören zur nähern, leicht und bequem erreichbaren Um gebung des Bades. Doch das alles wäre sür den Touristen noch nicht ent scheidend, um Schmeks für längere Zeit zum Standquartier zu wählen; dazu bewegt ihn vielmehr, daß er hier das beste Un terkommen weit und breit findet, und von hier aus die meisten Partien in die Hohe Tatra bequem unternommen werden können. Was den erstern Punkt anlangt, so herrscht hier Sauber keit und Reinlichkeit, die man um so höher schätzt, je mehr man vom Gegentheil bei den jüdischen Gastwirthen weit herum im Lande zu leiden gehabt hat. Die Mittags- und Abends-Table d'höte (zu 1 fl. 40 kr., — und 60 kr.) stellt an Ruhetagen nach strammen Märschen und Klettereien die Kräfte bald wieder her. Die Führer, Träger, Reitpferde, ja Speise und Trank (denn die letztgenannten Dinge müssen auch bei jeder Tour ins Gebirge mitgenommen werden) werden nach vorhergegangener Meldung bei der Badedirektion pünktlich bestellt und geliefert, und der Reisende ist durch sie zugleich vor Prellereien gesichert. Dazu ist das Bad so bequem gelegen, daß sich alle Hauptpartien in die Hohe Tatra, mit Ausnahme des Krivan und des Koscie- lisker Thales, leicht von Schmeks aus ausführen lassen. Unsre Gesellschaft hat es nicht bereut, statt einer Rundreise ums Ge birge herum mit wechselnden Quartieren dort ein Standquartier- gewählt zu haben. (Führerpreise: bei großen Tagestouren 3 sl., bei kleineren 2 fl.; auf die Gerlsdorfer Spitze 7 fl., Träger zu 4 fl.) Eine längere Wagenfahrt hatte uns von Schmeks über Hradek, Sz. Miklös und Tepla nach Rosenberg gebracht. Da die Bahn erst im Bau begriffen war, und vom Flusse selbst aus jedenfalls die beiderseitigen Ufer am besten zu betrachten sind, wählten wir als das beste und bequemste Beförderungs mittel, das überdem durch Neuheit (für uns) und Wohlfeilheit bestach, — das Floß. Fast täglich gehen solche mit Eisen, Bretern u. dergl. beladen von Rosenberg, bei hohem Wasserstand auch wohl von Hradek aus, stromabwärts. Sie sind klein, nur zwei Baumstämme ist ihre Länge, vorn und hinten sind sie mit je einem großen Ruder versehen, um sie in der Mitte des Stromes zu halten. Häufig tragen sie Breterverschläge in Form einer Hütte, auf deren Dach man bequem, wenn auch ein wenig hart, lagern kann. Je zwei und zwei auf eine Reihe Flöße vertheilt, begannen wir am Nachmittag des 15. Juli un sere Fahrt. Die je zwei Slovaken, die vorn und hinten an den Rudern stehen, bringen die Fahrzeuge in die Mitte des Flusses und halten sie mit Geschick und Kraft stets in der Hauptströmung, was bei den vielen Windungen, gelegentlichen Stromschnellen und mitten im Fluß aufragenden Klippen nicht immer leicht ist. Wir oben auf unserm Dache können uns un gestört dem landschaftlichen Genüsse hingeben. Bei Rosenberg verläßt die Waag die sie umgebende Thalebene, und durchbricht bis Silein zwei Mal das sich ihr entgegenstellende Gebirge. Gleich hinter Rosenberg traten rechts die „Liptauer Alpen"