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Oer Elsaß. Wenn der Geograph den Elsaß beschreiben soll, nach seinen natürlichen Verhältnissen, seiner Bode »form, seinen! Klima, seinen Gewässern, seiner Pflanzenwelt nnd seiner Prodnk- tiou, so kommt er in einige Verlegenheit: er hat nnr eine Hälfte vor sich nnd nicht ein Ganzes; nnd will er die eine Hälfte zn vollem Verständnis; bringen, so mnß er die andere Hälfte hinzu nehmen Diese andere Hälfte ist das Großherzog- ! lhum Baden, mit Ausschluß des ehemaligen ScekrciseS nnd des Gebiets zwischen Neckar und Main. Hat irgend die Natur eiu Stück vom Binuculande mit dem ausgeprägten Cha rakter einer Einheit, ich möchte sagen eines Landes- Ind i v i d n n m s geschaffen, so ist es das Rheinthal von Basel bis Karls ruhe. In breiter Thalauc zieht der Rheinstrom, der nach dem Dnrch- brnch des Jnra- gebirgcs eben das Schwcizerland ver lassen hat, majestä tisch von Süden nach Norden; die älteste nnd natür liche Berkehrsstraßc des ThaleS, rechts nnd links zahlreiche Zuflüsse in sich anf- nehmend, die wie Trabanten ihren Herrn und Meister umgeben. Wie ein Zwillingspaar er heben sich ihm znr Rechten und zur Linken zwei große mächtige, in Form und Bestandthcilen sich außerordentlich ähnliche Gebirge, der Schwarzwald und die Vogesen, welche die frucht bare Aue gegen Osten nnd Westen cinschränken nnd mir ihren Höhen derselben einen festen Grenzabschlnß geben, wahrend das Thal, im Süden nnd Norden offen, von diesen Endpunkten aus zahlreiche uud wichtige VcrkehrSstraßcu nach allen Richtungen entsendet nnd von der dialur zu einem höchst wichtigen VerkehrSgebict geschaffen ist, wie denn anch der Name von Straßburg, 8tratobuiAum (von via strata, d. i. Kuuststraße) einen Punkt bezeichnet, in welchem die Land- uud Heerstraßen sich kreuzen. Das östliche von jenen Gebirgen ist der Schwarzwald, ein aus Gueiß, Granit nnd anderen krhstallinischen Gesteinen bestehendes Masscngebirgc, 16 Meilen lang und 4 bis 6 Meilen breit, mit den kuppen- oder domförmigcu, sanft gewölbten Gipfeln, wie sie jener Formation cigenthümlich sind, im Innern mit flacheren Hochthälcrn, die allmählich zn tiefen nnd engen Felsenschluchten werden und besonders nach West«! und Süden zu in ebenso lieblichen als romantischen ThalanSgängen in die lachende Rheinfläche übergehen, während im Osten wie an dem schmalen Nordfuße das bewaldete Gebirge sich vou dem aus den Kalkschichten der schwäbischen Trias und des schwäbischen Jnra gebildeten Terrassenlande merklich, doch weniger hoch, abhebt. Die höchsten Gipfel dieses Gebirgs sind der Feldberg, 1493 m. oder 4597 Par. Fuß hoch, der Belchen, der Blauen, der Roß bühel, der erstere hoher als der Brocken, das Erzgebirge, der Böhmerwald,_und in Deutschland — mit Ausnahme der Alpen — nnr von den be deutendsten Gipfeln des Riesengebirges überragt. — Im Westen ihm gegen über, am linken Rande der Rhein aue, steigt ebenso scharf begrenzt der Wasgan oder das Bogesengebirge empor. Dieselben Bestandtheile von Granit und Gueiß, ja selbst dieselbe» Formen und Ent fernungen der geo gnostischen Grenze» vo» einander; die selben abgerundeten Gipfel, unter denen der Belchen von Sulz (Lallon äs 8oult2) oder Geb- wciler 1430 m. Höhe erreicht, die selben flachen Hoch- thäler im Innern, dieselben tiefen Thalschluchtcn und Thalausgänge; auf der Rückseite des Gebirgs, hier gegen Westen hin, dieselbe Basis des aus dcu Trias- uud Jura schichten gebildeten Terrassenlandes — kurz die beidenNach- bargebirgc gleichen sich wie zwei Ge bilde derselben Form, ans gleichem Thon in derselben Werk- stättc gemacht. Gehen wir in die Urgeschichte nnsers Erdballs zurück, so liegt uns bei Betrachtung dieser Formen der Schluß nahe, daß beide Gebirge einst ein Ganzes bildeten, daß eine mächtige elementare Kraft sic spaltete nnd ans einander drängte, wie denn anch diese Vermuthnng in dem aus der Rheinfläche unweit Freibnrg isolirt emporsteigendcn vulkanischen Kegel des 563 m. (1733 Par. Fuß) hohen Kaiserstuhls einen Anhalt findet. Die breite Thalspalte zwischen beiden Gebirgen füllte sich mit Seewasser nnd bildete damals einen wichtigen Sund oder Meerbusen, in welchem sich die Schichten, welche jetzt den Boden der Rhcinfläche bilden, allmählich niederschlngen; und als endlich mit dem ganzen Kontinent Europa auch die Thal- sohle des Rheins sich cmporhob, verliefen sich die Wasser, der Ä» Ltrafümrg. Atts allen Welttheilen. II. Jahrg. 9