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No. 9 FamilieMatt für Müder- und Mkerkmide Der Jahrgang (52 Nummern oder 12 Monatshefte) läuft von Oktober zu Oktober. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- u. Anstande» sowie Postämter. Redigirt von vr. Otto Delitsch, Privat-Docent und Realschul-Oberlehrer. Wöchentlich eine Nummer. LeipM, Dezember 1869. d— Vierteljährlich 18 Sgr. I. IahrgUNg Der Kanal non Sue). Bearbeitet von Professor vr. Kühne. (Fortsetzung.) „An der südwestlichen Ecke des Sees zieht sich ein Gewirre 16 bis 22 m. hoher Sanddünen hin, welche mit Sümpfen und Pfützen abwechseln, die von unterirdischen Quellen gespeist werden. Die Tamariske, welche unstreitig diese Dünen bilden half, überzieht dieselben stellenweise in dichten Massen, an andern Orten ist der ganze Boden von ihrem Wnrzelgcflechte wie dnrchsponnen." Jetzt paßt diese Beschreibung nicht mehr. Seit die Verbindung mit dem Mittelmeere hergestellt wurde, haben 7.5 Millionen Kubikmeter zugcströmtes Meereswasser die vormalige Salzlache in einen weiten blanen See verwandelt. „Ucbcrraschend ist der Anblick," sagt I)r. Zenker, der im Au gust 1868 den Kanal bereiste, „wenn das Dampfschiff, bei dem Palast des Vizekönigs vorüber fahrend, plötzlich in den Timsah- see umbicgt, und das Ange, das zuvor uur au gelben Sand ge wöhnt war, nun auf einmal über den blauen Wasserspiegel eines weiten Sees hingleitet und drüben, auf dem erhöhten Ufer thronend, das freundliche Jsmailia mit seinen grünen Plätzen und weißen Häusern, mit seinen Alleen und Gärten erblickt. Kaum kann man sich vorstellen, daß statt dieses freundlich lachenden Landsees einst hier nur Wüste war und rings umher noch ist, daß statt des Dampfschiffs einst Kamelkarawanen diese Wege zogen und daß der Timsahsee nur eine seichte Salzlache von geringem Umfange bildete". Wir befinden uns im Mittelpunkte des Jsthmns. Nord wärts nach Port Said führt der Meereskanal und neben ihm die Leben spendende Wasserleitung; südwärts nach Suez der Meer kanal, neben ihm der Nilkanal und ans dessen westlicher Seite die Eisenbahn; nordostwärts nach Syrien eine alte Karawanen straße ; westwärts durch das Wadi Tumilat der Nilkanal, dessen nördlicher Arm hier durch die Schleuse Ncfisch in den Mecres- kanal mündet, nach Abassieh und von da südwestwärts »ach Kairo; neben ihm die Eisenbahn nach Zagazig, von wo aus sich die Strahle» des Eisenbahnnetzes nordwärts nach Mansura, südwärts nach Kairo, westwärts nach Benha-el-Asl zum An schluß an die Bahn zwischen Alexandria nnd Kairo ausbreiten. In Jsmailia laufen alle diese Berkehrsstraßen zusammen. Mit Recht betrachtet man daher die jnnge Stadt als die künftige Hauptstadt des Isthmus, als das künftige Emporium Aegyptens. Im Jahre 1864 zählte sie in ungefähr 150 wohlgebauten Häu sern 3000 Einwohner, darunter etwa ein Drittheil Europäer; jetzt ist die Seelenzahl bereits auf mehr als das Dreifache ange wachsen; ohne Zweifel wird sie dereinst mit Alexandria und Kairo rivalisiren. Die Stadt ist regelmäßig gebaut, ihre Straßen kreuzen sich von Ost nach West und von Süd nach Nord. Der stattlichste Theil liegt am Kai Mehemed Ali längs der nörd lichen Abzweigung des Süßwasserkanals. Hier liegt das kleine, zierliche Schweizerhaus des Herrn von Lesseps, hier liegt das große, geschmackvolle Gebäude der Direktion der Arbeiten — ein weites, einstöckiges Viereck mit zwei Flügel», umgeben von bnnt verzierten Kolonnaden mit maurischen Bogen, die das flache, weit vorspringende Dach tragen. Die Gebäude des Di- visionschess, des Jngeuieurchefs der Arbeiter, das Hotel, das große Magazin der Compagnie, das Schlachthaus und die hy draulische Anstalt der Wasserleitung »ach Port Said, die gleich zeitig eine» prachtvollen Garten mit Orangebäumen bewässert, sind von Stein und äußerst solid aufgeführt, haben aber etwa das Fünffache von dem gekostet, was ihre Erbauung in Kairo erfordert haben würde. Südlich vom Timsahsee erhebt sich das Terrain abermals auf einer Strecke von 1^/4 geogr. Meilen zu sandigen Hügel», die bei Tussum und Scrapeum ihre größte Höhe von 10 bis 12 ui. erreichen. Auch hier waren bei der Austiefung des Ka nals gewaltige Sandmaffen zu bewältigen, wozu man die gleichen Hülfsmittel verwendete wie bei el Guisr. Den ausgegrabenen Sand häufte man wegen der vorherrschenden östlichen Richtung der Winde auf der Westseite des Ausschnitts ans, um ein Herab- wehcn desselben in den Kanal zu verhüten. Gleichwohl ist die etwa 1 geogr. Meile lange Strecke des Serapeums der einzige Theil des Kanals, an welchem eine Versandung desselben statt findet, die jedoch von keiner Gefahr für die Schiffahrt ist. Es handelt sich hierbei nicht um die feinsten Theile des Wüsten sandes, die von der Luft hoch emporgehoben werden und sich 9