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Ao. 49. Wöchentlich eine Nummer. Leipzig, 7. September 1870. Vierteljährlich 18 Sgr. I- Jahrgang. FaimlmMtM fiir Kudtc- uiid Ooikrtkuiidc. Zu beziehen durch Redigirt von Der Jahrgang alle Buchhandlungen des In-».Auslandes Or. Otto Dellt sch, (52 Nummern oder 12 Monatshefte) sowie Postämter. Privat-Docent und Realschul-Oberlchrcr. , läuft von Oktober zu Oktober. Grund und Loden von Ostfrankreich. Beitrag zur geographischen O r i e n t i r u n g. Von Du. Älto Deutsch. Wenn in irgend einem Laude die geognostischen Bestandtheile und die Formen der Oberfläche mit einander im Einklänge stehen, so daß die einen nicht ohne die andern zur Klarheit gebracht, ja die einen nicht ohne die andern gedacht werden können, so ist es das Land von Straßburg bis Paris mit den Provinzen Elsaß, Lothringen, Champagne und Isle de France, von denen die beiden ersten nicht blos nach ihrer geschichtlichen Entwicklung und der Abstammung ihrer Bewohner, sondern auch ihrer natürlichen Be schaffenheit nach zu Deutschland zu rechnen sind, während die beiden letzten zu den Kernprovinzen des französischen Staates gehören. Sechs verschiedene geognostische Systeme bilden dieses Land, und eben so oft auch wechseln die Formen der Oberfläche, die Bestandtheile des Ackerlandes, die Entwicklungen der Fluß- systeme. Wir verfolgen sie einzeln nach einander. 1. Wir gehen vom Rheine ans, der dieRheinfläche zwischen Basel und Mainz oder Bingen durchströmt, jene fast 40 Meilen lange, 4 bis 6 Meilen breite Ebene, welche bei Basel 250 m., bei Kolmar 200 w., oberhalb Straßburg 150 in, bei Speier 100 in., bei Mainz 80 m. über dem Meeresspiegel liegt und sich also von Süden nach Norden allmählich, ja fast unmerklich ab dacht, während zwei andere Abdachungen von Ost und West, von den GebirgSrändern nach dem Strome zn führen. Der Rhein durchzieht in zahlreichen, jetzt zum großen Theil zum Vortheil für die Schiffahrt abgekürzten Windungen zwischen Auen und Wäldern, viele Inseln bildend, das weite und fruchtbare Thal, dessen Bestandtheile durchgängig angeschwemmtes Land sind, welches also geologisch der Quartär-Formation angehörl. Wohl mag es sein, daß einst ein langgestreckter See diese Thalniederung füllte, und noch lebt eine dunkle Ahnung davon in den Sagen des Volks, denn es erzählt von der Schiffahrt auf diesem See und weiß von eisernen Ringen an den Felswänden der Vogesen und des Schwarzwaldes zu sagen, wo die Schisser jener alten Zeit ihre Fahrzeuge anlegten. Erst als der Rhein seinen Durchbruch von Bingen bis Bonn sich gegraben hatte, konnten die Wasser jenes Sees abfließen. Ein weites, gut angebautes, dicht bevölkertes Ackerland breitet sich jetzt an beiden Ufern des Rheins aus, zahl reiche Bäche und Flüsse, aus den benachbarten Bergen mit raschem Fall herabkommend, haben fruchtbare Erde und Schutt — im untern Elsaß und der Rheinpfalz die kalkhaltige, besonders frucht bare Löß, den Sitz reichen Weinbaus — in das Hauptthal her eingeschwemmt nnd damit den ursprünglichen Boden überlagert. Zwei, auf deutschem Gebiet selbst vier parallele Eisenbahnen durchziehen von Süd nach Nord die reichen Auen nnd sind mehrmals durch Querbahnen, welche auf mächtigen Brücken den Rhein überschreiten, mit einander verbunden. Straßburg ist, wie die Hauptstadt des Elsaß, so der Mittelpunkt dieser großen Thal- ebene, welche, wie in Artikel 1. bereits gezeigt wurde, ein einheit liches Ganze bildet und nicht in zwei politisch sich fremd, ja feind selig gegenüberstehende Staaten getrennt werden darf. Die zweite Stadt ist Mühlhausen, eine der wichtigsten Fabrikstädte Frankreichs, zugleich in äußerst günstiger Handels- und Verkehrs- lage an Straßen, Eisenbahnen, Kanälen. Freie deutsche Reichs städte waren einst Kolmar und Schletstadt, beide in flachem Lande unweit der Jll; abwärts von Straßburg sind Hagenau und Bisch weiler die volkreichsten unter den kleineren Städten. 2. Von der Eisenbahn, die von Straßburg nach Nancy führt, bis zu derjenigen, welche Mühlhausen mit Besannen, dasRhein- thal mit dem Thale des Doubs und so mit dem Rhonegebiet ver bindet, erhebt sich in einer Länge von 16, in einer Breite von 5 bis 7 Meilen das Massengebirge des Wasgaugebirges, welches auch kurzweg derWasgau oder die Vogesen (fran zösisch VosAes) genannt wird. Mit schroffen, scharfbegrenzten Abhängen steigt dieses Gebirge am Westraude der Rheinebene zwischen Mühlhausen und Straßburg auf, die zahlreichen ihm entströmenden Bäche und Flüßchen, die auf ihrem kurzen Lauf durchs Gebirge viele Mühlen, Hammerwerke, Fabriken haben treiben müssen, vereinigen sich sämmtlich in derJll; am Gebirgs saume hin liegen zahlreiche gewerbfleißige Städte wie Massevaux, Thann und Cernay, Sulz, Gebweiler, Sulzmatt, Türkheim, Kaisersberg, Rippoltsweiler, Dambach, Andlau, Barr, Obernai,