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I Illustrirtes Familieublatt siir Milder- Md Wkerlumde Zu bezichen durch k»c Buchhandlungn» des Zn- u. Auslandes sowie Postämter. Der Jahrgang (52 Nummern oder 12 Monatshefte) läuft von Oktober zu Oktober. Redigirt von vr. Otto Delitsch, Privat Doccnt und Nealschul-Oberlehrer. 3. tlad ücctrich im llcslhalc und die üäscgrotlc. Es gibt wohl kein bedeutendes geologisches Werk, worin die Gebirgsformationetl und Felsenbildungen wissenschaftlich erläu tert sind, in welchem die Käsegrotte zu Bertrich fehlte. Mehr als seine überaus liebliche Lage, mehr als seine trefflichen Heilquellen, habeu die merkwürdigen geologischen Verhältnisse den Nus des kleinen Dorfes in die weite wissenschaftliche Welt getragen. Vielfach abgebildet, geben die Darstellungen aber meistens ein höchst unbefriedigendes Bild dieser merkwürdigen Partie, und die besten Abbildungen verderben die Ansicht doch noch durch die zu große Regelmäßigkeit in der Zeichnung der Gesteinmassen. Aber erfahren wir zunächst, wo liegt das Dorf Bertrich? Wenn man von Koblenz aus die Mosel befährt, an den freund lichen Ortschaften und Städtchen Winningen, Carden, Treis, Cochem, Eller und Bremm, au den großartige» Burgruinen Covern, Thuron, Bischossteiu, Coraidelstein, Beilstein vorüber, so landet inan, nach einer Dampfschissahrt von ungefähr neun Stunden, bei dem Dorfe A l f, daö ca. 8 Meilen von Koblenz entfernt liegt. Hier erhebt sich der imposante Bergrücken, der die Zieste der Marienbnrg trägt, wo sich eine der überraschendsten und originellsten Aussichten auf das Moselthal und daö iu dasselbe mündende Alfthal eröffnet. Der Alsbach, ein ansehnlicher Bach der Hohen Eifel, er gießt sich hier, nach einem Laufe vou vier Meileu in direktem Abstande, in die Mosel, nachdem er eine kleine Strecke oberhalb seiner Mündung die Ues, einen anderen Eifelbach, aufge nommen. Folgen wir der Ues eine schwache Meile durch ihr felsiges überaus liebliches Thal, desscu Hobe Thalwände vou dein pracht vollsten Laubholze bcwachseu, dessen Sohle von dem üppigsten Wiesengrttn, durch das die Ues sich drängt, bedeckt ist, so be treten wir, um eine schroffe Felsenwand biegend, einen rnuden Tha kessel, in dem sich das kleine freundliche Dorf Bertrich ans breitet. Uralt soll es sein, denn eine Menge antiker Ueberreste be weist, daß schon die Römer die Wärme der hier sprudelnden Quellen ausgesucht, und im vierten Jahrhunderte soll ein Eremit, der heilige Bertricus, hier gelebt haben, nach welchem der Ort seinen Namen erhalten. Bertrich liegt im Regierungsbezirke vonKoblenz, imKreise Cochem, auf der Grenze des Regierungsbezirks Trier. Wer zu Laude von Koblenz hierher reisen will, muß die Stationen Polch, Kaisersesch nnd Lützerath berühren und kommt von hier in einer Meile nach seinem Ziele: es ist ein Weg von acht Meilen. Wer von Trier zu Lande nach Bertrich reist, muß seinen Weg über die Quint und Hetzerath nach Wittlich nehmen, von wo er anch, wieder die Straße verlassend, in 4 Stunden (im Ganzen etwas über 7 Meilen) Bertrich erreicht. Viel entfernter ist die Straße von Bonn durch die Hohe Eifel nach Bertrich, wo die Stationen Meckenheim, Altenahr, Adenan, Kelberg, Dreis, Dann, Lütze rath berührt werden müssen, ein Weg, der gegen 14 Meilen be trägt. Aber dieser letzte Weg ist überaus iuteressaut, besonders wenn mau Zeit uud Lokalkcuutuiß besitzt, um die merkwürdigen Seiteupartien zn besuchen. Bertrich liegt in der Eifel, aber in einem sehr warmen Thale derselben iu der geschütztesten Lage. Es hat das Klima des Moselthales, nnd oft blüht vor den Thüren schon der lieb lichste Frühling, wenn die umgebenden Höhen, 340 bis 408 m. noch unter tiefem Schnee liegen. Dann danert cs aber nicht lange mehr, dann springen und rauschen die nahen Bäche von den Höhen herab: die Ues und die Erwis, die Linnig und der Erdenbach stürzen von den Felsen, toben über die Basalt trümmer, als sollten alle Hindernisse zersprengt und vernichtet werden. Bald beginnt das Thal mit seinen Bergabhängen zn grünen, zu blühen, uud die Vegetation ist so reich, daß auf dem Raume von nicht einer Qnadratmeile, auf deu Höhen und Felsen und in deu Thalschluchten, gegen 850 Arten Gefäßpflanzen anfgc zählt werden können. In der zweiten Hälfte des April ertönt der Gesang zahl reicher Singvögel, vorzüglich der Nachtigallen: Tag und Nacht verstummen sie nicht, und können erst die jungen Bruten zwitschern, Silber aus ber Eifel. Von Or. Wirlgen.