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FlmUicMM für Ländtr- und Dölkerlrnildc. Zu beziehen durch Redigirt von Der Jahrgang alle Buchhandlungen des In-u. Auslandes Dl'. Qttd Dtltksch, (W Nummern oder 12 Monalshesle) sowie Postäniter. Privat-Doccnt und Ncalschul-Lberlehrer. läuft von Oktober zu Oktober. Skimn aus Lüdfrankrtich. Von Dr. Aoh. Lhicsstng. Zn de» Alpine». Von Kriegern ohne Granen, Von muntern Knappen keine Spur, Und verschwunden mit den Frauen Ist das Lied des Troubadour. Sanft ansteigend fuhrt eine schöne Straße von St. Remy zur Bergkette der Alpinen, deren weiteste Basis man in 20 Minuten erreicht. Hier stehen, hart an der Straße, zwei hübsche Monumente aus der Römerzeit, ein Triumphbogen und cin Mausoleum, beide noch ziemlich wohlcrhaltene Reste dcr Stadt Glanum. Welchen Kaisern, Feldherren oder Statthaltern zu Ehren sie gebaut worden seien, läßt sich weder an den Denk mälern selbst bestimmt erkennen, noch sind die Gelehrten darüber einig. Die Zeit der Erbauung scheint etwa in's 8. Jahrhundert Roms zu fallen. Um den Fuß des weiten Felscnaufsatzcs, welcher die Stadt trug und nur noch von Trümmern bedeckt ist, fließt ein in der Nähe aus den Alpinen brechender Quellbach. Bor 40 bis 50 Jahren noch belustigten sich die Knaben der Umgegend zur Zeit der Trocken heit inil Herauswühlen und Hervorgrübeln von allerlei römischen Utensilien und Geldstücken, mit denen dann gespielt wurde. Jetzt aber, seit man Nachgrabungen im Großen gemacht hat, sind die Fundstücke selten geworden. Von der andern Seite des Wässer leins gähnen nns die schwarzen Schlünde weit ausgedehnter, nun verlassener unterirdischer Stcinbrüche entgegen. Früher sollen sie berühmt gewesen sein, aber es sind Rivalen entstanden nntcr günstigen Verkehrsverhältnissen, und man spricht von ihnen in St. Remy nur, wenn wieder einmal cin Gamin, dem Drang unbewußter poetischer Neugierde uachgcbend, sich darin verirrt hat und nun gesucht werden muß.*) Verfolgt man den Bach aufwärts, so erreicht man bald das erste Alpinenthälchen, dessen Weg buchstäblich in den Felsen ge treten ist. Es ist ein schmaler Fußweg, und das Thälchen heißt »ach ihm: I,a vallüs äu pieä äv elltzvro. Auch hier ließen die * > Vor einigen Jahren blieben zwei Knaben 6 Tage darin, ehe man sie, doch noch am Leben, fand nnd hcranöbrachtc. Römer Spuren: eine Wasserleitung, in die Felswand eingehaucn, zahlreiche Nischen und Einschnitte in den Wänden zu beiden Seiten des Baches, deren Reihenfolge gerade da anfängt, wo lo pieck äs ollövre, vorher eigentlich nur ein Felsenspalt, zum Thal sich erweitert. Hier scheinen sie den Abfluß des Wassers durch eine mächtige Schlenße geregelt zu haben. Einmal aus dieser engen Schlucht heraus, tritt mau iu die wunderbare Felsenwelt der Alpinen. Wunderbar, einzig — ich werde sie nie vergessen. Wohl majestätisch thronen die Alpen, ja, und ich liebe sie, die heimatlichen Berge, die stolzen, unnah baren Höhen; aber mich entzückt das Neue, lleberraschendc, Stille in der Natur dieser Kette von bergähnlichen nackten Felsen, mitten in der weiten fruchtbaren Ebene der Provence! Unwider stehlich ist der Zauber, den sie ausüben, mit ihren phantastischen Formen, mit ihrer Ruhe, ihrer Einsamkeit, mit dem Duft ihrer Rosmariue und ihrer Thymiane und ihrem Himmel. Es liegt etwas unaussprechlich Romantisches, Poetisches in ihrem Ganzen, als wären da versteinerte Romane aus der Römerzeit oder iu die Schründe und Grotten gebannte Tronbadourmelodien, welche auf Wiedererweckung harren und den Tritten des scheuen Wanderers lauschen, der da seinen Gefühlen Lust machen möchte durch ein Lied, nm Leben rings und Echo zn erwecken, dem aber die Ucber- macht des Zaubers Athem und Sprache nahm. Je tiefer man cindringt in diese Desilven, je höher man diese schroffen Wände anklimmt, desto merkwürdigere Formationen treffen den verwunderten Blick. Hier eine senkrechte, glatte Wand, dort eine andere konkave, hier eine Mauer von 70 m., deren oberer Rand scharf ist wie ein Messer, dort ein Berg rücken , wie ein riesiger Hahncnkamm eingeschnitten und gebogen, und da, alle Grate ringsum übergipfelud, ein Zacken iu schwiud- liger Höhe, den weder der Fuß des kühnen Wanderers, noch der einer verwegenen furchtlosen Ziege betreten hat. Einen Schritt weiter, und es erscheinen, ruinenartig über einander geworfen, gigantische Blöcke, deren Zusammenstellung aller Ideen von Wirrwarr spottet. Weiterhin, hoch über einem kleinen, cin- geschobenen Thälchen, erhebt sich ein Stcinkegel, durch den cin 4l