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A°. z Wöchentlich eine Nummer. Ltipzlff, 20. OltoÜel 186O.>— Bierteljährlich 18 Sgr. I. Flunilicnklatt für Länder- und Völkerkunde. Zu beziehen durch Rcdigirt von Der Jahrgang alle Buchhandlungen des In-u. Auslandes Dr. Delikfch, (52 Nummern oder 12 Monatshefte) sowie Postämter. Privat-Docent und Nealschul-Oberlehrer. läuft von Oktober -u Oktober. Die La-Plata-Staaten in geographischer, ethnographischer, commer eicller und industrieller Beziehung, nach eigener Anschauung dargestellt von vr. H. A. Waack, in Cambridge bei Boston, Nordamerika. (Fortsetzung.) II. Nie Bewohner der La plata-SIuiiten. In meinem ersten Aussatze hatte ich mich bestrebt, dem freundlichen Leser in großen Umrissen ein Bild von den geo graphischen und naturwissenschaftlichen Verhältnissen der La- Plata-Staaten zu entwerfen. In diesem zweiten Aufsatze soll es nuu meine Ausgabe sein, ihn mit dein individuellen Leben und Treiben der Bewohner jener Länder, mit ihren Sitten und Gebräuchen, ihrem gegen wärtigen Bildungszustaude und der darauf begründeten Aus sicht sür ihre zukünftige sociale Stellung, gegenüber derjenigen der Europäer, etwas näher bekannt zu machen. Da nun die beiden größeren, an der Küste gelegenen Städte Montevideo und Buenos-Ayres, welche der von Europa kom mende Reisende zuerst berührt, infolge ihres großen Welt handels und der zahlreichen europäischen Bevölkerung auch in ihrem ganzen Leben und Treiben mehr den Charakter einer europäischen Welthandelsstadt besitzen, sodaß die Sitten und Gebräuche der bijos äel Ms, d. h. der Eingeborenen, dem Fremden hier weniger offenkundig entgegentreten und letzterer die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der Argentiner nicht so leicht wahrzunehmen Gelegenheit hat, als solches im Innern des Landes der Fall ist, so wird es auch für uns nothwendig sein, zunächst eine Reise in das Innere oder, wieder Einge borene sagt, in „ol eampo" anzutreteu. Auf diese Weise werden wir dann sowohl einerseits das eigentliche Volk, sein Denken und Leben genauer kennen lernen, als auch andererseits nach unserer Rückkehr in die beiden Hauptstädte ein klares Verstäud- niß für die socialen wie commerciellen und politischen Verhält nisse jener Länder erhalten. Gesetzt also, wir wären in Buenos-Ayres, so stehen uns für die ersten sechs bis zehn Stunden Schienengeleise nach allen vier Himmelsgegenden zu Gebote, und wir haben also in jeder Be ziehung freie Auswahl. Mich führte meine erste Reise nach dem Süden gen Patagonien zu, und ich fuhr die ersten sechs Stunden mit der von einer englischen Gesellschaft gebauten Eisenbahn bis Chascomus, einem Städtchen (pukblo) von einigen Tausend Einwohnern. Von hier an mußte ich zunächst die Post (galkra) benutzen, und ich erlaube mir nun, meinen Lesern im Nachsolgenden einen kurzen Bericht dieser Reise mitzuthcileu, wobei ich mich aber nur auf dasjenige beschränke, was auf die Lebensweise und den Charakter der Eingeborenen Bezug hat. Es war im Sommer 1867 des Morgens in aller Frühe, als ich mit meinem Begleiter, einem jungen Italiener, und einigen Troperos (Viehaufkäufern) und Alma^eneros (Besitzern eines Kramladens) den großen 18 Personen fassenden Post wagen bestieg, der von acht Pferden, die zu je zweien an einer langen Kette befestigt waren und deren je eines von einem Gaucho, d. h. Abkömmlinge der Indianerinnen und der ehe mals diese Länder beherrschenden Spanier, geritten war, in sau sendem Galopp und unter fürchterlichem Geschrei der Peone (Knechte) über Stock und Stein dahingezogen wurde, daß einem Hören und Sehen verging. Rücksichtslos ging es durch Dick und Dünn, über Bäche und Flüsse, über Hügel und Thäler ohne Verzug vorwärts, bis wir nach l'/^ bis 2 Stunden an ein Haus, einen sogenannten Rancho, kamen, wo die Thierc durch frischen Vorspann gewechselt werden, welcher letzterer in einem sogenannten Corral, d. h. in einem von soliden Baum stämmen eingefricdigtcn Raume, aus einer größeren Tropa herauslassirt wird. Es ist dieses Wechseln ein höchst originelles Schauspiel; 30, 40 Stück werden durch eine kleine Oeffnung in den Corral getrieben. Eines der Pferde, gewöhnlich eine Stute (la maärina), ist mit einer Glocke versehen und geht zu erst in den Corral hinein. Ihr folgen die andern Pferde, und nun sucht der Gaucho durch geschickten Wurf mittels seines 3