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12 reisen; Hermann Schlagintweit wurde noch im Jahre 1859 an den Grenzen von Nipal wie an den Grenzen von Sikkim bei seinem Versuche, gegen den Kantschindschinga vorzudringen, mit Gewalt zurückgewiesen. Der Himalaya bildet vom Brahmaputra-Durchbruch bis zu den Gangesquellen ein in seinen Grundzügen großartiges, doch oft auch einförmiges Gebirge. Von dem Terai an, einem nie drigen, feuchten, quellenreichen, mit Dschungels (d. i. einer vielgestaltigen, nicht auf Rohr und Schilf beschränkten dichten Sumpfvegetation) bewachsenen Landstreifen, der in der ganzen Länge dem Gebirge sich vorlagert und dasselbe von den srucht- baren Kulturebenen Hindustans trennt, hebt sich das Gebirge sofort und steil zu Höhen bis 1000 und 2000 m., welche nicht vereinzelt stehen, sondern die Ausläufer höherer, hinter ihnen emporsteigendcr Gruppen und Ketten sind. Das ganze Gebirge, aus Granit, Syenit, Gneus, Glimmerschiefer bestehend, trägt den Charakter dieser sogenannten krystallinischen Formation: zusammenhängende Längs- und Querkämme, denen wiederum Längs- und Querthäler entsprechen, abgerundete Bergköpfe, letzterem Flusse parallel in Tibet hinzieht, an Höhe hinter den südlichen Parallelketten zurücksteht. Die höchsten Berge liegen an der Grenze von Indien und Tibet, die Zuflüsse des Ganges haben ihre Quellen meist in den hinter diesen Bergen befind lichen Längsthälern und brechen dann in engen Felsenschluchten gegen Süden durch. Die Wasserscheidekette selbst ist hoch; ihr niedrigster bekannter Paß, der Bara Latscha, liegt 4933 m. über dem Meere. Wesentlich anders, manigfaltiger in Bestandtheilen und Formen, gestaltet sich das Gebirge von den Gangesquellen west wärts bis zum Judus. Granit, Syenit, Gneus bilden im Norden und Süden die Gebirgsmassen, während die inner» Hauptketten aus Trapp, Porphyr, silurischen Thon- und Talk schiefern, Jurakalk, Nummulitenschichten zusammengesetzt sind und Ragelfluh und Thonschichten ani Südsuße sich vorlagern. Wenn auch die Berge dieses westlichen Flügels denen des öst lichen an Höhe weit nachstehen, so sind doch ihre Längsthäler größer und breiter, ihre Durchbruchs- oder Querthäler tiefer, ihre Terrassenformen ausgeprägter, Seen treten auf; die Nich- Gletschrr vou üulna. Nach einer Aufnahme der Gebrüder von Schlagintweit. gewölbte, seltener scharfkantige Gebirgsrücken. Nirgends die Manigfaltigkeit, welche durch vulkanische Bergkegel einer Land schaft ausgeprägt wird; nirgends die schroffen, abgerissenen Formen, wie unsere Kalkalpen sie darbieten. Die mächtigen Bergseiten, dem reichlichen Regen ausgesetzt und unter dem Einflüsse hoher Wärmegrade, sind von unten herauf mit dichtem Laubholz, weiter in die Höhe mit Nadelholz bewachsen, erst bei 3800 m. Höhe hört der Wald auf und die Alpenflora mit ihren niedrigen Kräutern, ihren kleinen bunten Blumen, ihren Moosen und Flechten tritt an seine Stelle. Noch in einer Höhe von 6038 m. fand Schlagintweit am JbiGamin phanerogamische Pflanzen. Bei 4950 m. beginnt an der regen- und schneereichen Südseite des Gebirges, bei 5300 m. an der trockenern, fast regenlosen Nordseite die Schneegrenze, gewaltige Gletscher ziehen sich in den Hochthälern herab, am tiefsten der Bepho in Tibet, bis 3010 m. Eigenthümlich ist, daß die Wasserscheidekette, welche die Flußgebiete des Ganges und Brahmaputra trennt und sich mit tung der Gebirgsketten ist unregelmäßiger. An Schneegipseln und Gletschern ist auch hier kein Mangel. Höchst interessante, durch Einwirkung des Wassers gebildete Formen in diesem Theile des Himalaya zeigt die beigefügte Ansicht aus dem Thäle des Lagudarsi-Stromes zu Kioto im Bezirk Spiti. Höher, großartiger, gletfcherreichcr sind die Gebirgszüge, welche nördlich vom obern Indus Tibet durchziehen. Früher als Parallelketten und Bestandtheile des Himalaya betrachtet, sind sie von den Brüdern Schlagintweit unter dem Namen Karakorum als selbständiges Gebirge in die Geographie ein geführt worden. Ihre höchsten bis jetzt gemessenen Gipfel, der Dapsang (8625 m.) und der Dschamer (8116 m.), wie ihre durchschnittliche Kammhöhc geben dem östlichen Himalaya nichts nach. Unter ihren Gletschern sind die in der Nähe des Sassar- Passes zwischen Leh und Darkand befindlichen die bedeutendsten; durch steilen Absturz, durch Zerrissenheit und mächtige Spalten zeichnen sich der Tschorkonda- und der Purkutsi - Gletscher aus. Der Baltoro-Gletscher im Brahaldo-Thale in Balti ist