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Ro. 19. Wöchentlich eine Nummer. -< Leipzig, 9. Februar' 1870. >- Vierteljährlich 18 Sgr. I. Jahrgang. Familienblatt für Länder- und Völkerkunde. §u beüeben durch Redigirt von Der Jahrgang ^Buchhandlung vl. Otto Deutsch, (52 Nummern oder ^ sowie Postäniter. Privat Docent und Nealschul-Oberlehrer. I"uf1 von Oktober zu Oktober. Ein norddeutscher Landsee. Von Theodor Itövöccke. Der Bewohner Süddeutschlands kann mit Stolz und Be- friedigung auf seine prächtigen Landseen blicken. Sie bieten "uf ihren aumuthigen, herrlichen Umgebungen, in denen groß- ^tige und liebliche Landschaftsbilder abwechseln, für Tausende Naturfreunden und Touristen mächtige Anziehungspunkte. auch Hunderte von Federn haben sich in Bewegung ge- W, um diesen paradiesischen Gegenden ihr Lob zu speudeu Ganz anders steht es um die norddeutschen Landseen, meistens im Flachlande gelegen, oft nur wenige Fuß über dem Spiegel der See, blinken uns ihre Gewässer nicht mit dem an rüchigen, lebhaften Grün der südlichen Seen entgegen. In chrcr Wasserfläche spiegeln sich nicht Hochgebirge, schroffe Fels wände, Rebenhügel und reizende Villen, und ihre Umgebungen entfalten keine wechselvollen Panoramen. Dennoch sind auch die norddeutschen Landseen nicht ohne Interesse, und selbst ein Flachlandsgewässer wie der Stein - äuder See hat seine Schönheit, wenn auch der geneigte Leser sucht, wie Schreiber dieses, seine Jugendjahre nahe an den Nern desselben zugebracht hat. Der Steinhnder See, auch „Steinhuder Meer", so be gannt nach dem am östlichen Ufer gelegenen Flecken Stein hude, liegt in der Nordost-Ecke des Fürstenthums Schaum- Hurg-Lippe; ein kleiner nördlicher Theil desselben gehört zu Deußen (früher zu Hauuover). Der See ist von Bückebnrg hud Hannover je 3^ Meilen, von den nächsten Eisenbahn stationen Neustadt am Rübenberge und Wunstorf nur Vr Vs Meile entfernt; er ist 2^/2 Stunden laug und 1^2 bis ^4 Stunden breit; seine Tiefe wechselt von ?/g bis 8 m. Der Aasserzufluß ist nur sehr spärlich. Dagegen befinden sich im Decken des Sees viele Quellen, was namentlich im Winter er- Uchtlich ist. Der Wasserstand wechselt und nimmt in trocknen lehren nicht unbedeutend ab. Bei hohem Wasserstandc findet fürstlicher Richtung durch einen Bach, die Meerbecke, ein Ab- wuß auch nach der Weser zn statt. . Ta, wo der Grund des Sees aus Moorboden besteht, ist fr Wasserstand sehr niedrig, oft nur Vs bis 1 m. Auch ist Mr die Farbe des Wassers eine andere wie an den übrigen Stellen. Jedenfalls werden dem Wasser lösliche Atome dieses Erdreichs mitgetheilt und nimmt es dadurch seine bräunliche Färbung an. Die Ufer sind fast durchgehends flach und im Nordosten so gar so flach, daß man von dem entgegengesetzten Ende des Sees aus von diesem User kaum noch einen schmalen Streifen sieht. Die dann in der Ferne sichtbaren Häuser von Neustadt a. R. scheinen direkt aus dem Wasserspiegel hervorzutreten. Nur im Norden bei dem Dorfe Mardorf uud auf eine kurze Strecke im Osten bei dem Flecken Steinhude, erhebt sich das Ufer allmählich zu einem weißsandigen, hügeligen, mit Kiefernwaldung be deckten Terrain. Das ganze übrige Ufer besteht aus sumpfigem Moorboden oder aus dem sogenannten „schwimmenden Lande". Dieses letztere, welches im Süden des Sees ziemlich eine Stunde lang und mehrere hundert Schritt breit ist, besteht aus einer 2 bis 6 Dezimeter starken Decke, welche durch das verschlun gene Wurzelwerk der darauf wachsenden Pflanzen ein zusammen hängendes Ganze bildet, auf dem dünnflüssigen Moorschlamm schwimmt und das Ansehen einer schönen grünen Wiese hat, denn die auf ihr vorherrschend wachsenden schilfartigen Gräser glänzen im saftigsten Grün. Diese schwimmende Wiese ist aber nicht fest und dicht genug, um dem menschlichen Fuße einen sichern Standpunkt zu bieten. Betritt man sie ohne besondere Hilfsmittel, so dringen die Füße durch die trügerische Decke hindurch und der Körper versinkt bis unter die Arme im Schlamm. Trotz dieser Gefahren lassen es sich die Anwohner des Sees nicht nehmen, das schöne Gras dieser schwimmenden Wiesen abzumähen und als Schiffsladung hinwegzuführen. Vornehmlich sind es die Fischer, welche diese Ausbeute betreiben, und die Art und Weise, wie sie dies be werkstelligen , ist zu eigenthümlich, als daß ich sie mit Still schweigen übergehen sollte. Der Fischer legt seinen Kahn mit der Breitseite an das schwimmende Land an nnd befestigt ihn dadurch, daß er seine 6 bis 8 m. langen, zur Fortbewegung dienenden Stangen hinter demselben so tief in den Schlamm eintreibt, bis sie in dem dich teren Untergründe einen festen Standpunkt haben. Nun wirft