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Rv. 16. Wöchentlich eine Nummer. Leipzig, 19. JllNUlir 1870. >- Vierteljährlich 18 Sgr. 1. IghrglMg. Faiililitnblatt für Lünder- und Völkerkunde. Zu beziehen durch Redigirt von Der Jahrgang alle Buchhandlungen des In-u. Auslandes D r. Dklitsch, (52 Nummer» oder 12 Monatshefte) sowie Postämter. Privat Doccnt und Realschul-Oberlehrer. läuft von Oktober zu Oktober. Litten und Gebräuche der Porl-Linrottt-Eiugeboreneu in Australien. Von Charles Wilhelmi. (Fortsetzung.) In anderen Theilen der Kolonie, wo Gummibäume (Euka lypten) Vorkommen, wird die Rinde derselben abgeschält und so zusammengestellt, daß sie ein wasserdichtes Dach gibt. Vor solcher Hütte haben sie ein Feuer, um ihre Füße während der Nacht warm zu halten, und im kalten Wetter hat ein jeder noch on Häufchen Kohlen vor und hinter sich zur Erwärmung des Oberkörpers. — Da die geringste Bewegung ihres Körpers sie in unmittelbare Berührung mit den Kohlen bringt, so geschieht es natürlich sehr oft, daß sie sich arg verbrennen. In mehreren Gegenden Port-Lincoln's gibt es vereinzelte Brunnen oder auch Felslöcher, die Wasser enthalten, wäh rend vielleicht in einem Umkreise von 6 Meilen kein Tropfen Hasser anzutreffen ist, so daß die Eingeborenen genöthigt sind, °rs Abends zu derselben Lagerstätte zurück zu kehren, so lange sie in der Nachbarschaft bleiben. An Orten, die dem Fischfang hastig sind, dehnen sie bisweilen ihren Aufenthalt in einem und demselben Lager bis auf 10 oder 14 Tage aus. Die Ge wohnheit, ihren Aufenthaltsort oft zu wechseln, ist so tief ein- gowurzelt, daß sie dieselbe nicht überwinden können, auch selbst wenn sie an Orten sind, die ihnen alle Bedürfnisse in Fülle ge- i währen. Eine gewisse Sehnsucht, diesen oder jenen Fleck wiederzusehen, den sie sich einmal eingebildet haben, bemäch- "gt sich ihre^ per man mit keiner Beredung oder Versprechung ^uf die Dauer widersteht. Jede Familie hat ihr besonderes ?"ger, und unverheirathete Männer, deren verhältnißmäßig wuner viele unter ihnen sind, haben ebenfalls ihr besonderes Lager. Sämmtliche Urbewohner sind in zwei verschiedene Klassen Molt, nämlich: die Matterri- und Karrarru-Leute. ^seEintheilnng scheint schon seit undenklichen Zeiten unter ihnen gewesen zu sein und hat die gehörige Regelung im Heiraten ^'su Zweck, indem keinem innerhalb dieser beiden Klassen gestattet wird, zu heiraten, sondern nur zwischen denselben, ? w daß, wenn der Mann Matterri ist, die Frau Karrarru sein ' wuß, und so umgekehrt. — Fortgepflanzt wird der Unterschied "durch, daß die Kinder stets der Klasse der Mutter folgen. , Außer diesem allgemeinen Unterschiede gibt es noch andere Beschränkungen der Ehe zwischen Verwandten, allein wegen der unzähligen Grade der Blutsverwandtschaft, und weil die Freundschaft unter den Eingeborenen stets die Formen und Namen von Verwandten annimmt, wird es rein unmöglich, diese Unterschiede ausfindig zu machen. Junge Mädchen werden von ihren Eltern verlobt und folgen dem Manne sobald sie erwachsen sind, gleichviel, ob der selbe alt oder jung, bereits verheiratet oder noch unverhei ratet ist. Die Neigung der Mädchen kommt dabei nicht in Be tracht. Bisweilen sträubt sich die bisherige Frau gegen die junge Mitbewerberin und zwingt den Mann, seine Ansprüche an die letztere einem anderen Manne zu überlassen. Auch fehlt es nicht an Beispielen von Entführungen und von Mordthaten aus Eifersucht. Die Ehe wird überhaupt nicht heilig gehalten, Brüder besitzen oft mehrere Frauen gemeinschaftlich und die Frauen bezeichnen den eigentlichen Mann und dessen Brüder sämmtlich mit dem Namen „Ehemann", während der Mann seine eigenen Weiber als Aungaras, und die seiner Brüder als Kart elis bezeichnet. Die Zahl der von jeder Familie aufgezogenen Kinder ist im ganzen beschränkt und geht selten über vier hinaus. Sind die Kinder zahlreich, so wird bisweilen das jüngste bei Seite ge schafft. Aus der großen Anzahl Personen männlichen Ge schlechts möchte man vermuthen, daß besonders Kinder weib lichen Geschlechts nach der Geburt getödtet werden. Zur Entschuldigung dieser gräßlichen Sitte führen die Weiber an, daß sie nicht zwei kleine Kinder zugleich nähren und tragen können, während die Männer sich unwissend stellen. Die Be nennung der Kinder geschieht nach einer festgesetzten Regel, die von der Reihenfolge oder Zahl der Kinder entlehnt ist. Das erstgeborene Kind heißt Piri, wenn es ein Knabe, oder Kar- tanye, wenn es ein Mädchen ist; das zweitgeborene Warri, oder Warrnya, das dritteKumri, oderKunta rc. — Außer diesen Namen, die genau unsern Vornamen entsprechen, erhält jedes Kind den Namen des Ortes, wo es geboren ist. Beide